Franz Soetbeer
Franz Soetbeer (* 6. Januar 1870 in Altona, Provinz Schleswig-Holstein; † 27. März 1943 in Gießen) war ein deutscher Internist und Hochschullehrer.
Leben
Soetbeer besuchte das Realgymnasium vom Christianeum und legte eine Ergänzungsprüfung am humanistischen Gymnasium zu Clausthal ab. Anschließend studierte er ab 1890 an der Universität Jena Medizin. 1891 wurde er im Corps Franconia Jena aktiv.[1] Als Inaktiver wechselte er zum Wintersemester 1892/93 an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, an der er das Physikum ablegte. Er kehrte 1893 nach Jena zurück, wo er das Staatsexamen bestand.[2] Mit einer physiologischen Doktorarbeit wurde er am 17. August 1897 in Jena zum Dr. med. promoviert.[3]
Werdegang
Er wechselte an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und arbeitete in der Pharmakologie und in der Pädiatrie. 1902 habilitierte er sich für Innere Medizin.[4] Von Oktober 1903 bis April 1905 war er zunächst Volontär, dann Oberarzt und Privatdozent an der Medizinischen Klinik der Königlichen Universität zu Greifswald.[2][5]
Ab dem 1. April 1905 hatte er eine Stelle als Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik vom Universitätsklinikum Gießen inne. Ohne weitere Prüfungsauflagen verlieh ihm die Hessische Ludwigs-Universität am 22. Juli 1905 erneut die Venia legendi für Innere Medizin. Am 22. Februar 1908 erhielt er ein außerplanmäßiges Extraordinariat.[2] Er leitete das Balneologisch-Medizinische Institut der Universität Gießen in Bad Nauheim.[6]
Verfolgung und Enteignung
Während in Gießen jüdische Studenten nie mehr als 2 % der Studentenschaft ausmachten, hatte 1933 jeder fünfte Lehrstuhlinhaber jüdische Wurzeln. Unter ihnen waren Margarete Bieber, Fritz Moritz Heichelheim, George Jaffé, Ludwig Schlesinger, Richard Laqueur, Leo Rosenberg und Paul Mombert. Die drei jüdischen Medizinprofessoren waren Julius Geppert, Alfred Storch und Franz Soetbeer.[7] Obwohl Soetbeer evangelischer Konfession war, wurde ihm am 20. Juli 1933 gemäß § 6 und § 7 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Lehrbefugnis entzogen und der Zutritt zur Klinik verwehrt; denn als Sohn einer (ebenfalls getauften) Jüdin galt er als Halbjude.[2] Seine Arztpraxis wurde boykottiert. Im Frühjahr 1938 musste er deshalb sein Haus in der Frankfurter Straße 49 weit unter Wert an das Hessische Hochbauamt verkaufen. Es wurde der Verwaltung der Universitätskliniken zur Verfügung gestellt. Soetbeer zog in die Alicenstraße. Zehn Jahre später, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde er am 26. März 1943 von der Geheimen Staatspolizei verhaftet und in den Keller ihres Hauses in der Neuen Bäue verbracht.[7][8] Aus Verzweiflung nahm er sich am 27. März 1943 das Leben.[9]
Vor Soetbeers Haus in der Alicenstraße wurde im September 2010 ein Stolperstein verlegt.
- Soetbeers 2. Haus
- Stolperstein
- „Arisierung“ von Soetbeers Bibliothek
Literatur
- Erwin Knauß: Die jüdische Bevölkerung Gießens, 1933–1945. Selbstverlag der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen Wiesbaden 4. Aufl. 1987. ISBN 978-3-921434-08-6. GoogleBooks
- Volker Roelcke, Sigrid Oehler-Klein, Ulrike Enke: Die Medizinische Fakultät der Universität Gießen im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit: Personen und Institutionen, Umbrüche und Kontinuitäten. David Brown Book Company, 2007. ISBN 978-3515090438. GoogleBooks
Weblinks
Einzelnachweise
- Kösener Corpslisten 1930, 74/459; 1960, 26/458.
- Personalunterlagen im Universitätsarchiv der JLU, Signatur PrA Med Nr. 12
- Dissertation: Über die Körperwärme der pikilothermen Wirbeltiere.
- Habilitationsschrift: Die Secretionsarbeit der kranken Niere.
- Geschichte der Universitäts-Kinderklinik Erlangen (2005)
- Fast 100 Stolpersteine für Gießener Nazi-Opfer (Gießener-Allgemeine.de)
- Jonathan C. Friedman: The Lion and the Star (1998)
- Susanne Meinl, Jutta Zwilling: Die Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus durch die Reichsfinanzverwaltung in Hessen (2004)
- Brief von Soetbeers Tochter Gertrud Seitz geb. Soetbeer vom 26. März 1946