Florjan Lipuš
Florjan Lipuš (* 4. Mai 1937 in Lobnig bei Bad Eisenkappel, Kärnten) ist ein österreichischer Schriftsteller, der auf Slowenisch publiziert.
Leben
Florjan Lipuš wurde 1937 als Sohn zweier Kärntner Slowenen im südlichen Teil Kärntens geboren. Sein Vater hatte während des Zweiten Weltkriegs in der deutschen Wehrmacht zu dienen. Florjan verlor als Sechsjähriger seine Mutter. Nachdem diese eine als Partisanen verkleidete Gruppe von Gestapo-Männern bewirtet hatte, wurde sie verhaftet, in das KZ Ravensbrück deportiert und dort ermordet.
Nach dem Krieg besuchte Lipuš das kirchliche Gymnasium in Tanzenberg, auf das von 1958 bis 1962 ein Studium am philosophisch-theologischen Seminar in Klagenfurt folgte, das er jedoch nicht abschloss. Von 1966 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1999 war er als Lehrer an verschiedenen Kärntner Volksschulen tätig.
Florian Lipuš ist Vater der österreichischen Lyrikerin Cvetka Lipuš, des Musikers Gabriel Lipuš und des Fotografen Marko Lipuš.
Literarisches Schaffen
Florjan Lipuš gehört mit Gustav Januš zu den bedeutendsten Vertretern der Autoren aus den Reihen der Kärntner Slowenen, die ihre Werke ausschließlich in Slowenisch verfassen.
Im Jahr 1960 gründete er in Klagenfurt gemeinsam mit Karel Smolle und Erich Prunč die Literaturzeitschrift mladje (Jungwald), deren Chefredakteur er bis 1981 blieb. In den Anfangsjahren der Zeitschrift publizierte er teilweise unter dem Pseudonym Boro Kostanek.
Bekannt wurde Lipuš vor allem durch seinen 1972 in Slowenien erschienenen Roman Zmote dijaka Tjaža, der 1980 / 1981 von Peter Handke und Helga Mračnikar als Der Zögling Tjaž ins Deutsche übersetzt wurde. Handke rühmte die „Wortspielkunst“ des Kollegen sowie „Wucht und Schmerz“ seiner Texte.[1] Die deutsche Übersetzung wurde am 31. März 1981 in Wien im damaligen Museum des 20. Jahrhunderts in Anwesenheit des Autors, der beiden Übersetzer und Bundeskanzler Bruno Kreiskys präsentiert.[2]
Im Jahr 1985 wurde Lipuš von der Slowenischen Akademie der Wissenschaft und Künste als korrespondierendes Mitglied aufgenommen. Für seinen 2003 erschienenen Roman Boštjanov let (dt. Boštjans Flug) erhielt er 2004 den bedeutendsten Literaturpreis Sloweniens, den Prešeren-Preis.
Im Wieser Verlag, Klagenfurt, erschien eine 2007 mit der Regenprozession vorerst abgeschlossene Werkausgabe Lipuš’. Als kongenialer Übersetzer seiner Literatur ins Deutsche hat sich Johann Strutz profiliert, dem für seine Arbeiten der Österreichische Staatspreis für Übersetzer zugesprochen wurde.
In jedem Roman steht ein literarisch verfremdeter Sachtext im Zentrum des Geschehens, um den Skizzen zu den Themen Eros, Pathos und Thanatos kreisen. Nur ein Reflektierender steigt aus diesem traditionsgebundenen System aus, um durch seine persönliche Reifung im Geist auf und davon zu fliegen.
Werke (Auswahl)
- Skizzen im Vorübergehen (Črtice mimogrede, 1964, Skizzen)
- Der Zögling Tjaž (Zmote dijaka Tjaža, 1972; dt. 1981, Übs. Peter Handke u. Helga Mračnikar; Roman)
- Die Beseitigung meines Dorfes (Odstranitev moje vasi, 1983; dt. 1997, Übs. Fabjan Hafner; Roman)
- Die Verweigerung der Wehmut (Jalov pelin, 1985; dt. Übersetzung 1989, Übs. Fabjan Hafner; Roman)
- Verdächtiger Umgang mit dem Chaos (Stesnitev. Neogibni, a sumljivi opravki z zmedo. 1995; dt. Übersetzung 1997, Übs. Johann Strutz; Roman)
- Herzflecken (Srčne pege, 1991; dt. 1999/2000, Übs. Johann Strutz; Roman)
- Boštjans Flug (Boštjanov let, 2003; dt. 2005, Übs. Johann Strutz; Roman)
- Die Regenprozession und andere Prosa (Prošnji dan, 1987; dt. Wieser Verlag, Klagenfurt 2007, Übs. Johann Strutz; Roman u. Kurzprosa/Skizzen)[1]
- Seelenruhig (Mirne duše), deutsch von Johann Strutz, mit einem Nachwort von Fabjan Hafner. Jung und Jung, Salzburg 2017, ISBN 978-3-99027-099-8.
- Schotter (Gramoz), deutsch von Johann Strutz, Jung und Jung, Salzburg 2019, ISBN 978-3-99027-229-9.
Auszeichnungen
- 1995 Literaturpreis des Landes Kärnten
- 2004 Prešeren-Preis des Staates Slowenien
- 2005 Österreichischer Würdigungspreis für Literatur
- 2011 Petrarca-Preis, gestiftet von Hubert Burda, gemeinsam mit John Burnside
- 2013 Franz-Nabl-Preis der Stadt Graz
- 2018 Großer Österreichischer Staatspreis[3], überreicht am 1. Oktober 2018
Literatur
- Luise Maria Ruhdorfer: Lipušs Identitätenkarussell. Eine Untersuchung über den Umgang mit Eros, Pathos und Thanatos. Re Di Roma Verlag, Remscheid 2010, ISBN 978-3-86870-173-9
Weblinks
Nachweise
- Deutschlandradio Kultur: „Wuchtige Prosa aus dem Gebirge“, 22. Januar 2008
- Großoffensive für Minderheiten in: Arbeiter-Zeitung, Wien, 2. April 1981, S. 13
- orf.at: Autor Florjan Lipus erhält Großen Staatspreis. Artikel vom 5. Juli 2018, abgerufen am 5. Juli 2018