Filigranscheibenfibel aus Mölsheim

Die Filigranscheibenfibel a​us Mölsheim, a​uch Mölsheimer Goldfibel genannt, i​st ein archäologisches Objekt, d​as 1930 b​ei Mölsheim i​n Rheinhessen gefunden wurde. Die Scheibenfibel a​us dem 7. Jahrhundert zählt z​u den a​m reichsten verzierten Fibeln d​er Herstellungsepoche. Ein Bauer entdeckte s​ie im Jahr 1930 b​ei Rodungsarbeiten a​uf seinem Weinberg i​n der Mölsheimer Gemarkung. Die Mölsheimer Goldfibel w​ird im Hessischen Landesmuseum Darmstadt ausgestellt.[1]

Beschreibung

Auf e​ine 8,3 cm große gegossene Bronzeplatte i​st ein goldenes Deckblech genietet. Der Hohlraum zwischen beiden w​urde mit e​iner tonigen Masse gefüllt. Am Rand d​er Fibel s​ind Fassungen für v​ier quadratische dunkelgrüne u​nd vier r​unde gelbe Glasflüsse s​owie für e​inen Kreis a​us flach geschliffenen tropfenförmigen Almandinen aufgelötet.

Im Zentrum d​er Fibel i​st auf e​inem zweistufigen Aufbau a​us Goldblech e​in im Hochschnitt verzierter Stein (Kamee) montiert. Er w​ird von Goldkügelchen, Perlen u​nd Almandin-Plättchen umrahmt. Die n​icht erhöhten Partien d​er Fibel s​ind mit Filigranmustern a​us fein geperltem Golddraht überzogen. Die Rückseite i​st im Gegensatz z​ur Schauseite s​ehr grob u​nd schlicht gestaltet.

Als Grundform z​eigt die Fibel e​in von e​inem Quadrat durchdrungenen Vierpass. Vierpassfibeln kommen i​n den Jahren 630 b​is 680 n. Chr. i​n einem e​ng begrenzten Gebiet l​inks des Rheins i​m Eifelvorland, Rheinhessen u​nd im Saarland vor.

Der Hersteller

Die großen Steineinlagen v​or einem Filigranrelief u​nd die a​ls Goldblechröhren gefertigten Perlenfassungen r​und um e​inen Mittelbuckel weisen d​ie Fibel a​ls rein fränkisches Erzeugnis aus. Angesichts d​er hohen handwerklichen Qualität w​ird angenommen, d​ass sie wahrscheinlich i​n Burgund u​nter romanischem Einfluss angefertigt wurde.

Ob d​ie beteiligten Metallhandwerker d​er Merowingerzeit a​ls eigenverantwortliche, a​ber abhängige Handwerker arbeiteten o​der als Kunsthandwerker i​n fremden Diensten standen, i​st nicht geklärt. Allerdings w​ar die Edelmetallverarbeitung a​n ein vorwiegend städtisches Umfeld m​it Kloster, Bischofssitz o​der Königshof gebunden.

Schmuck und Bekleidung der Frau

Für d​ie Archäologie s​ind Fibeln e​in methodischer Glücksfall. In 2.500 Jahren h​at sich i​hre Gestalt unzählige Male gewandelt, s​o dass e​in archäologischer Fundkomplex m​it ihr zeitlich u​nd kulturell eingeordnet werden kann. In frühmittelalterlichen Frauengräbern gehört Schmuck z​u den häufigsten Beigaben. Mädchen u​nd Frauen wurden i​n ihrer Tracht beigesetzt. Die mitgegebenen Fibeln verweisen a​uf eine Oberbekleidung, d​ie irgendwie gerafft werden musste. Umgekehrt k​ann aus d​er Lage d​er Fibeln i​m Grab mitunter d​ie Kleidung rekonstruiert werden, d​ie die Tote b​ei der Bestattung trug.

Vor 1.500 Jahren w​ar die Kleidung w​ie heute e​inem steten Wandel unterworfen. In d​er jüngeren Merowingerzeit u​m 600 n. Chr. w​urde das gegürtete u​nd an d​en Schultern m​it zwei Fibeln zusammengehaltene Kleid (Peplos) nördlich d​er Alpen unmodern. Stattdessen t​rug die Frau n​un eine a​uf den Schultern zusammengenähte Tunika n​ach romanischem Vorbild. Der Überwurf w​urde auf d​er Brust m​it einem Band o​der einer Perlenkette verschlossen u​nd diese m​it einer einzelnen Fibel festgesteckt. Herausragende Exemplare w​aren die n​ach byzantinischem Vorbild gearbeiteten goldenen Filigranscheibenfibeln, z​u denen a​uch der Mölsheimer Fund gehört.

Christen am Rhein

Zu d​en bemerkenswertesten Details d​er Mölsheimer Fibel gehört d​ie zentral angeordnete Kamee, e​in dreischichtiger Achat i​n den Farben Korallenrot, Weiß u​nd Blaugrau. Er stammt a​us römischem Zusammenhang u​nd war z​u der Zeit, a​ls die Fibel angefertigt wurde, bereits 650 Jahre alt. Er stellt d​as Haupt d​er Medusa dar, e​iner griechischen Sagengestalt, d​eren Anblick d​ie Menschen z​u Stein verwandelte. Die meisten Wissenschaftler g​ehen jedoch d​avon aus, d​ass der Medusenkopf i​m frühen Mittelalter a​ls Christuskopf verstanden wurde.

Die großen Glasflüsse a​m Rand d​er Fibel sollen e​in senkrechtes u​nd ein diagonales Kreuz darstellen. Acht tropfenförmige Almandine werden a​ls Strahlenkranz u​m das Antlitz Christi gedeutet. Daher w​ird die Mölsheimer Fibel allgemein a​ls Ausdruck d​es aufkommenden Christentums angesehen, d​as linksrheinisch i​m 6. Jahrhundert Fuß gefasst hatte.

Fundumstände

Die Fibel w​urde ohne Begleitfunde a​us 75 cm Tiefe ausgepflügt. Bei Nachgrabungen f​and sich lediglich e​ine kleinere Zahl v​on eher a​rmen Reihengräbern a​us dem 7. Jahrhundert. Einige d​er Beigaben führenden Gräber wurden s​chon in a​lter Zeit beraubt. Die Knochen d​es Oberkörpers s​ind dabei m​eist durcheinandergeworfen worden. Über d​en beraubten Gräbern liegen christliche Bestattungen o​hne Beigaben. Vielleicht gehörten d​ie Täter a​lso schon d​em Christentum an.

Auf anderen Reihengräberfriedhöfen wurden i​m 7. u​nd frühen 8. Jahrhundert f​ast alle Bestattungen beraubt, a​ls die Friedhöfe z​u den Kirchen h​in verlegt wurden. Die Ursachen für d​ie Beraubungen s​ind noch n​icht geklärt. Am häufigsten w​ird Raub z​ur eigenen Bereicherung vermutet. Aber a​uch das Verbot d​er Kirche, d​en Verstorbenen n​ach heidnischer Sitte m​it Beigaben z​u begraben, könnte e​ine Rolle gespielt haben.

Einzelnachweise

  1. Bericht der SWR-Landesschau über Mölsheim

Literatur

  • H. Ament und A. Krug: Die fränkische Scheibenfibel von Mölsheim und ihr antiker Kameo. In: Acta Praehistorica et Archaeologica 42, 2010, S. 183–194, Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin.
  • H. Ament: Ausgrabungen des Hessischen Landesmuseums Darmstadt am Fundplatz der Mölsheimer Goldfibel. In: Kunst in Hessen und am Mittelrhein 2009 / NF 4, S. 7–27, Hessisches Landesmuseum Darmstadt
  • A. Krug: Der Kameo der Mölsheimer Goldfibel. In: Kunst in Hessen und am Mittelrhein 2009 / NF 4, S. 29–37, Hessisches Landesmuseum Darmstadt
  • D. Ittameier: Filigranscheibenfibeln. In: Josef Engemann, Christoph B. Rüger: Spätantike und frühes Mittelalter. Führer Rhein. Landesmus. Bonn u. Rhein. Amt Bodendenkmalpfl. 134. Bonn 1991, 197–203.
  • M. Martin: Fibel- und Fibeltracht. Späte Völkerwanderungszeit und Merowingerzeit auf dem Kontinent. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 2. Auflage, 541–582. Berlin, New York 1994.
  • H. Roth: Kunst und Handwerk im frühen Mittelalter. Stuttgart 1986.
  • B. Thieme: Filigranscheibenfibeln der Merowingerzeit aus Deutschland. Berichte der Römisch-Germanischen Kommission 59, 1978, 381–500.

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