Ferraris-Zähler
Der Ferraris-Zähler, benannt nach Galileo Ferraris, oder Induktionszähler ist ein elektromechanisches Messgerät für elektrische Energie, umgangssprachlich Stromzähler, welcher zur Anzeige der konsumierten, selten auch der eingespeisten, elektrischen Energie bei ein- oder mehrphasiger Wechselspannung im Bereich von Niederspannungsnetzen verwendet wird. Er besteht aus einer speziellen Form von Asynchronmotor, dem Ferrarisläufer, der die Form einer kreisförmigen Aluminiumscheibe hat, in Verbindung mit einem mechanischen Zählwerk.
Aufbau
Der Ferrarisläufer ist eine drehbar gelagerte Aluminiumscheibe, die durch die Wechselfelder zweier Erregerspulen läuft. Die eine Spule ist als Strompfad mit ganz wenigen Windungen, die andere als Spannungspfad mit sehr vielen Windungen und hoher Impedanz ausgeführt. Der durch die Verbraucher fließende elektrische Strom fließt auch durch die Spule im Strompfad, die elektrische Spannung (Netzspannung) liegt an der Spule im Spannungspfad. Das durch die Magnetfelder auf die Scheibe ausgeübte Drehmoment ist zu jedem Augenblick dem Produkt aus Strom und Spannung proportional. Bei Mehrphasensystemen ist für jeden Außenleiter eine eigene Spule im Strom- und Spannungspfad notwendig, deren Felder sich addieren.
Die Kerne der Spulen des Strom- bzw. des Spannungspfades sind an der Aluminiumscheibe so angeordnet, dass sie zusammen ein magnetisches Drehfeld erzeugen, welches die Scheibe über in ihr induzierte Wirbelströme wie bei einem Asynchronmotor antreibt. Durch die geometrische Anordnung der Spulen und den Umstand, dass der Phasenwinkel im Spannungspfad aufgrund der Induktivität um 90° verschoben ist, ist das Drehmoment zu jedem Zeitpunkt proportional zum Produkt aus Stromstärke und Spannung, also zur elektrischen Wirkleistung. Zur Justage ist die korrekte Phasenverschiebung im Spannungspfad im Rahmen der Kalibrierung am Zähler einstellbar. Die Blindleistung führt dann im zeitlichen Mittel zu keinem Drehmoment und wird nicht gezählt. Weiter sind oft Kurzschlussbügel aus Widerstandsdraht vorhanden, mit denen das Drehmoment für verschiedene Leistungsstufen abgeglichen werden kann.
Der Ferraris-Zähler arbeitet nur insoweit korrekt, als die Netzfrequenz konstant ist und die Geschwindigkeit der Scheibe sehr viel kleiner als die des Wanderfeldes ist. Weiterhin muss es ein drehzahlproportionales Bremsmoment geben, sodass sich das Integral der Momentanleistung (Drehmoment) über die Zeit als Zahl der Umdrehungen pro Energiebetrag ergibt. Das Bremsmoment wird durch eine Wirbelstrombremse mit einem Permanentmagneten erreicht, durch dessen Feld sich die Scheibe ebenfalls bewegt. Die Reibung durch das Zählwerk und die Lager muss durch ein Hilfsdrehmoment ausgeglichen werden, damit die Drehzahl der Scheibe proportional zum antreibenden Moment des Wanderfeldes beziehungsweise zur elektrischen Wirkleistung ist. Hierfür wird z. B. die Spannungsspule durch eine Metallschraube oder einen Kupferbügel unsymmetrisch gemacht, sodass ein selbstständiges Wanderfeld entsteht. Um sicherzugehen, dass der Zähler steht, wenn keine Wirkleistung bezogen wird, trägt die Achse der Zählscheibe eine Hemmfahne, welche von einem Gegenstück auf den ruhenden Teilen angezogen wird, sodass die Scheibe zum Stillstand kommt, wenn eine bestimmte Mindestleistung unterschritten wird.[1][2] Bis die Ruhestellung erreicht ist, kann die Scheibe sowohl vorwärts als auch rückwärts laufen, obwohl kein Strom verbraucht wird. Wenn im Leerlauf die (meist rote) Markierung auf der Scheibe mittig im Sichtfenster des Zählers zu sehen ist, muss die Scheibe stoppen – ansonsten gilt der Zähler als defekt.[3]
Der Ferrarisläufer treibt über einen Schneckentrieb ein Rollenzählwerk, das die Anzahl der Scheiben-Umdrehungen als Energie (Kilowattstunden) anzeigt.
Bei Rückeinspeisung elektrischer Energie in das Netz läuft ein Ferraris-Zähler normalerweise rückwärts, sofern keine mechanischen Sperren vorhanden sind.
Ferraris-Zähler sind lageempfindlich und können nur bei horizontaler Lage der Aluminiumscheibe korrekt betrieben werden.
Für höhere Ströme wird die Stromspule über einen Stromwandler angeschlossen, für höhere Spannungen wird die Spannungsspule an einen Spannungswandler angeschlossen. Für die Messung von Blindleistung kann die Phase des Stromes durch die Spannungsspule, z. B. durch eine Hummelschaltung, um 90° gedreht werden.
Innerhalb der EU ist nach dem dritten EU-Binnenmarktpaket geregelt, dass die elektromechanischen Ferraris-Zähler bis 2020 zu 80 % aller Haushalte durch elektronische Energiezähler mit der Möglichkeit zur Fernauslesung ersetzt werden müssen.[4]
Literatur
- P. M. Pflier: Elektrizitätszähler. Tarifgeräte, Meßwandler, Schaltuhren. Ein Buch für Zählerfachleute. 1. Auflage. Springer, Berlin u. a. 1954.
Einzelnachweise
- M. Stöckl, K. H. Winterling: Elektrische Meßtechnik. 6. Auflage. Teubner, Stuttgart 1978, Seite 71.
- Peter Bastian u. a.: Fachkunde Elektrotechnik. 18. Auflage. Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten 1990, Seite 338.
- Physikalisch-Technische Bundesanstalt: 7 erste Hilferegeln bei Zählersorgen, Seite 2
- Rechtliches auf dem Portal der Wienenergie zum Thema Smart Meter abgerufen am 11. Dezember 2020