Felix Hartlaub
Felix Hartlaub (* 17. Juni 1913 in Bremen; † vermutlich Anfang Mai 1945 in Berlin) war ein deutscher Historiker und Schriftsteller.
Leben
Felix Hartlaub war der Sohn des Kunsthistorikers und Museumsdirektors Gustav Friedrich Hartlaub. 1914 zog die Familie nach Mannheim. Von 1919 bis 1921 besuchte Hartlaub eine Privatschule, danach eine Volksschule in Mannheim. Als Kind begann er schon mit dem Zeichnen, Dichten und Schreiben. Ab 1928 war er Schüler der Odenwaldschule in Heppenheim, wo er 1932 sein Abitur ablegte. Anschließend studierte er an der Handelshochschule in Mannheim und ab 1932 Romanistik und Geschichte an der Universität Heidelberg. Im Zuge der nationalsozialistischen Kulturpolitik wurde sein Vater am 20. März 1933 als sog. Kulturbolschewik entlassen; die Familie war gesellschaftlich weitgehend isoliert.
Nach der Ableistung des Arbeitsdienstes wechselte Hartlaub 1934 an die Humboldt-Universität zu Berlin, wo er Neuere Geschichte, Romanistik und Kunstgeschichte studierte. Er verliebte sich in die Mutter seines ehemaligen Schulkameraden Klaus Gysi, die 1938 als Jüdin und Kommunistin nach Frankreich fliehen musste.[1] 1939 wurde er mit einer historischen Arbeit zum Doktor der Philosophie promoviert.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Hartlaub zur Wehrmacht eingezogen. Von September 1939 bis November 1940 gehörte er einer Sperrballon-Einheit an. Gute Beziehungen zum Doktorvater Walter Elze verschafften ihm im Dezember 1940 eine Abkommandierung zu der Historischen Archivkommission, die in Paris erbeutete französische Akten sichtete. Von September bis November 1941 diente er erneut als Soldat, diesmal in Rumänien. Anschließend war er bis Mai 1942 als historischer Sachbearbeiter beim Oberkommando der Wehrmacht in Berlin. Von Mai 1942 bis März 1945 gehörte er dem Bearbeiterstab des Kriegstagebuchs beim Oberkommando der Wehrmacht an. Hartlaub hatte während dieser Zeit Zutritt zum äußeren Sperrkreis in den Führerhauptquartieren in Winniza, Rastenburg und Berchtesgaden und erlangte Kenntnis über Interna der Kriegsführung. Im April 1945 wurde er im Rang eines Obergefreiten zu einer Infanterie-Einheit an die Front bei Berlin abkommandiert. Anfang Mai 1945 begab er sich auf den Weg nach Spandau. Seitdem gilt er als vermisst. Seine offizielle Todeserklärung erfolgte 1955, als Todesdatum wurde der 31. Dezember 1945 festgesetzt.
Hartlaub, der zu Lebzeiten nur sehr wenige seiner literarischen Arbeiten veröffentlichte, ist nach dem Zweiten Weltkrieg durch seine privaten Aufzeichnungen aus den Kriegsjahren – literarische Entwürfe, Fragmente, Beobachtungen des Lebens im faschistischen Italien, in der deutschen Reichshauptstadt und im besetzten Paris – bekannt geworden. Einen Namen gemacht hat er sich vor allem durch die plastischen und intensiven Schilderungen eines distanzierten Beobachters über den Alltag im Führerhauptquartier, die in ihrem knappen Stil bereits auf die Kahlschlagliteratur der Nachkriegszeit hindeuten. Seine Aufzeichnungen, die von ihm vermutlich als Skizzen für später auszuarbeitende erzählerische Werke gedacht waren, wurden 1955 in unvollständiger und bearbeiteter Form von seiner Schwester Geno Hartlaub herausgegeben. Eine vollständige Ausgabe der Aufzeichnungen erschien erst 2002.
Schriften
- Don Juan d’Austria und die Schlacht bei Lepanto. Junker & Dünnhaupt, Berlin 1940 (Dissertation).
- Neuausgabe, herausgegeben von Wolfram Pyta und Wolfgang Schwiedrzik: Edition Mnemosyne, Neckargemünd 2017, ISBN 978-3-934012-30-1.
- Geno Hartlaub (Hrsg.): Von unten gesehen. Koehler, Stuttgart 1950.
- Parthenope oder Das Abenteuer in Neapel. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1951.
- Geno Hartlaub (Hrsg.): Das Gesamtwerk. S. Fischer, Frankfurt/Main 1955.
- Erna Krauss (Hrsg.), Gustav Hartlaub (Hrsg.): Felix Hartlaub in seinen Briefen. Wunderlich, Tübingen 1958.
- Lieselotte Ewenz (Hrsg.): „In den eigenen Umriss gebannt“. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2002, ISBN 3-518-41332-5 (Bd. 1: Texte; Bd. 2: Kommentar); 3., revidierte Aufl. 2007, ISBN 978-3-518-41838-3.
- Kriegsaufzeichnungen aus Paris. Mit Zeichnungen des Autors, Nachwort von Durs Grünbein, Suhrkamp, Berlin 2011, ISBN 978-3-518-22462-5.
- Italienische Reise. Mit Zeichnungen des Autors, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Nikola Herweg und Harald Tausch. Suhrkamp, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-22473-1.
- Platon und der Staat. Mit einer Vorbemerkung von Karl Corino. In: Sinn und Form 1/2014, S. 48–62.
- Aus Hitlers Berlin – 1934 bis 1938. Mit Zeichnungen des Autors, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Nikola Herweg und Harald Tausch. Suhrkamp, Berlin 2014, ISBN 978-3-518-22489-2.
- „In Neapel war ich sehr von der eigentlichen Ohnmacht der Kunst vor dem Leben überzeugt“. Briefe an die Familie aus Italien 1933, hrsg. und eingeleitet von Nikola Herweg und Harald Tausch. In: Sinn und Form 3/2017, S. 293–317.
- Neapolitaner Aufzeichnungen, hrsg. und transkribiert von Nikola Herweg und Harald Tausch. In: Sinn und Form 4/2017, S. 467–477.
Ausstellungskataloge
- Felix Hartlaub, Die Zeichnungen. Frankfurt 1993.
- Inge Herold (Hrsg.), Ulrike Lorenz (Hrsg.): Felix Hartlaub – Gezeichnete Welten. Das Wunderhorn, Heidelberg 2012, anlässlich der Ausstellung Felix Hartlaub. Gezeichnete Welten in der Kunsthalle Mannheim vom 11. November 2012 bis 27. Januar 2013.
Literatur
- Christian-Hartwig Wilke: Die letzten Aufzeichnungen Felix Hartlaubs. Gehlen, Bad Homburg v. d. H. 1967.
- Christian Wilke: Hartlaub, Felix. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 718 f. (Digitalisat).
- Monika Marose: Das Eigentliche ist unsichtbar. Essen 2000.
- Monika Marose: Unter der Tarnkappe. Felix Hartlaub. Eine Biographie. Transit, Berlin 2005, ISBN 978-3-88747-205-4.
- Nikola Herweg: Felix Hartlaub (1913–1945) und seine Schwester und Nachlassverwalterin Geno Hartlaub (1915–2007). In: Volkmar Hansen (Hrsg.), Ulrike Horstenkamp (Hrsg.), Gabriele Weidle (Hrsg.): Special delivery. Von Künstlernachlässen und ihren Verwaltern. AsKI, Bonn 2011.
- Karl Corino: "Felix war ein Meister der Tarnung". Gespräch mit Geno Hartlaub (1986). In: Sinn und Form 1/2014, S. 63–73.
- Harald Tausch: Subversiver Humor als lakonische Antwort auf die Realität des absolut Bösen. Felix Hartlaubs Schreibverfahren im Dritten Reich. In: Gerald Hartung (Hrsg.), Markus Kleinert (Hrsg.): Humor und Religiosität in der Moderne. Springer VS, Berlin 2017, S. 195–230.
- Nikola Herweg (Hrsg.), Harald Tausch (Hrsg.): Das Werk von Felix Hartlaub. Einflüsse, Kontexte, Rezeption. Wallstein, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8353-3400-7.
- Jannis Wagner: Doppelbelichtungen. Sprache und Wirklichkeit in Felix Hartlaubs Schreiben zwischen Kriegsgeschichte im Oberkommando der Wehrmacht und geheimer Literatur. In: Lettre International Nr. 124, Frühjahr 2019 S. 68–74, (mit Fotos).
- Matthias Weichelt: Der verschwundene Zeuge – Das kurze Leben des Felix Hartlaub. Suhrkamp, Berlin 2020, ISBN 978-3-518-47079-4.
Weblinks
- Literatur von und über Felix Hartlaub im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Felix Hartlaub bei perlentaucher.de
- Rezension der 3., rev. Aufl. In den eigenen Umriss gebannt. NZZ, 9. Feb. 2008
- Seibt, Gustav: Seeschlacht als geistige Tatsache
Einzelnachweise
- Matthias Weichelt: Felix Hartlaub: Innensicht des Stauffenberg-Attentats. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 25. Juli 2020]).