Fahreignung
Fahreignung umfasst die körperliche, geistige und charakterliche Eignung von Kraftfahrzeugführern. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall der Auslegung bedarf. Nach Erteilung der Fahrerlaubnis setzt man die Fahreignung als gegeben voraus. Ist sie jedoch aus medizinischen oder anderen Gründen (individuelle Verkehrsbiographie, Verkehrsdelikte) nachweislich nicht mehr gegeben, wird die Fahrerlaubnis entzogen. Zur Neuerteilung kann, je nach Sachlage, ein Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung (MPU) oder ein verkehrsmedizinisches Gutachten gefordert werden.
Der Begriff Fahrtauglichkeit wird in der Umgangssprache häufig synonym verwendet. Fahrtüchtigkeit bezeichnet situationsbezogen die momentane Bereitschaft und Fähigkeit, ein Fahrzeug ordnungsgemäß zu steuern.
Regelungen in Deutschland
Der Begriff „Eignung“ spielt im Fahrerlaubnisrecht eine zentrale Rolle. Gemeint ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. In § 2 Abs. 4 StVG heißt es dazu: „Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat.“
Das Fahrerlaubnisrecht fordert vor Erteilung einer Fahrerlaubnis der Gruppe 1 keine generelle Überprüfung der Fahreignung von Kraftfahrzeugführern, sondern lediglich den Nachweis der Sehfähigkeit und das Bestehen der Fahrprüfung zum Nachweis der Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dokumentiert wird dies durch die Aushändigung des Führerscheins.
Nach einer Entziehung der Fahrerlaubnis auf Grund 1,6 ‰ oder zweimaliges Fahren unter Alkoholeinfluss oder Drogenkonsum, ist der Nachweis der Wiederherstellung der Fahreignung durch ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu führen (sog. MPU-Gutachten), welches der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen ist. Bei der Erstellung eines Fahreignungsgutachtens arbeiten Ärzte und Psychologen (Verkehrsmedizin und Verkehrspsychologie) interdisziplinär zusammen.
Gründe für die Anordnung
Das Straßenverkehrsgesetz nennt eine Reihe von Straftaten, bei denen in der Regel keine Fahreignung mehr besteht: (a) Trunkenheit im Verkehr (Fahren unter Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln), (b) Gefährdung des Straßenverkehrs (infolge Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel, infolge geistiger oder körperlicher Mängel oder bei grob verkehrswidrigem oder rücksichtslosem Verhalten), (c) Unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und (d) Vollrausch.
Begutachtungs-Leitlinien und Beurteilungskriterien
Detaillierte Regelungen hierzu finden sich in den „Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung“[1] der Bundesanstalt für Straßenwesen (Hrsg.), sowie den Beurteilungskriterien in der Fahreignungsbegutachtung[2] (Hrsg.: DGVP/DGVM). Alle Leitlinien und Beurteilungskriterien sind öffentlich zugänglich. Sie müssen bei der Begutachtung der Fahreignung berücksichtigt werden.
Informationsangebote
Vielen Betroffenen sind die Kriterien für das Bestehen einer MPU nicht bekannt. Die verfügbaren Informationsangebote der Begutachtungsstellen für Fahreignung werden meist nicht oder viel zu spät in Anspruch genommen. Vielfach kümmern sich die Betroffenen erst kurz vor einer MPU darum, anstatt zu Beginn der Sperrfrist. Die Sperrfrist als Maßnahme zur Sicherung und Besserung verstreicht vielfach ungenutzt.
Freiwilligkeit
Die Durchführung einer MPU erfolgt zumindest "de jure" stets freiwillig. De facto unterziehen sich die von der Entziehung der Fahrerlaubnis betroffenen Personen oft aus beruflichen bzw. familiären Gründen einer MPU zwecks Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Bei der Entscheidung werden keine sozialen Kriterien zugrunde gelegt, sondern allein das vermutete individuelle Rückfallrisiko. Es kommt nur dann zu einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis, wenn das angeordnete Gutachten bei der Fahrerlaubnisbehörde vorgelegt wird. Im Falle einer Überprüfung der Fahreignung (bei Fahrerlaubnisinhabern, etwa nach Fahrten unter Drogeneinfluss) ist die Entscheidung an Fristen gebunden. Nach der behördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis besteht kein Rechtsanspruch auf die Neuerteilung.
Eingeschränkte Fahreignung
§ 23 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) besagt unter anderem: „Ist der Bewerber nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis […] unter den erforderlichen Auflagen erteilen. Die Beschränkung kann sich insbesondere auf […] ein bestimmtes Fahrzeug mit besonderen Einrichtungen erstrecken.“ Diese Beschränkungen und Auflagen werden auf der Rückseite des EU-Führerscheins in der Spalte 12 in Form von codierten Schlüsselzahlen eingetragen. Diese Schlüsselzahlen sind europaweit prinzipiell einheitlich geregelt in der Richtlinie 2006/126/EG[3]. In der Fassung nach deutschem Recht ist das gleiche mit einigen nationalen Zusätzen in der Anlage 9 (zu § 25 Abs. 3 FeV) festgelegt und beschrieben[4].
Für den Fall, dass ein Führerscheinbesitzer nach Krankheit oder Unfall mit verbleibender körperlicher Beeinträchtigung besondere Umbauten am Fahrzeug benötigt, könnte die „Vorsorge“ nach § 2 FeV zwar in eigener Regie ohne erneute Fahrprüfung erfolgen. Kritisch wird dieses Verhalten jedoch für den körperbehinderten Fahrer, wenn es zu einem Unfall kommt und die Betroffenen Zweifel an der Befähigung zum Fahrzeugführen äußern.
Eine Meldung bei der Fahrerlaubnisstelle mit anschließendem Eintrag der Fahrzeuganpassungen in den Führerschein würde demgegenüber die Befähigung zum Fahrzeugführen und die ausreichende Vorsorge amtlich belegen. § 11 Abs. 4 S. 2 FeV besagt hierzu: „Die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr kann zur Klärung von Eignungszweifeln […] angeordnet werden […] bei Behinderungen des Bewegungsapparates, um festzustellen, ob der Behinderte das Fahrzeug mit den erforderlichen besonderen technischen Hilfsmitteln sicher führen kann.“
Dieses Gutachten kann in Form einer Fahrprobe mit dem umgerüsteten Fahrzeug in Begleitung des Prüfers der Zulassungsstelle erfolgen. Nach befriedigendem Verlauf wird der Prüfer die EU-Codenummer („Schlüsselzahlen“) für die von ihm bei der Prüfung vorgefundenen benötigten technischen Einrichtungen direkt in den bestehenden Führerschein eintragen.
Eine Reihe von „häufiger vorkommende[n] Erkrankungen und Mängel[n], die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können“ werden in Anlage 4 zum § 11 FeV (Eignung) und § 12 FeV (Sehvermögen) der Fahrerlaubnisverordnung beschrieben. Hierzu zählen Erkrankungen die mit plötzlicher Bewusstlosigkeit einhergehen wie Herzrhythmusstörungen und Epilepsie sowie Süchte in Zusammenhang mit Alkohol und Betäubungsmittel.[5]
Fahreignung von älteren Pkw-Fahrern
Durch spektakuläre Unfälle wird immer wieder eine verpflichtende Fahreignungsprüfung für ältere Pkw-Fahrer gefordert.[6][7] Die Fahreignung von Senioren hängt maßgeblich von der individuellen Leistungsfähigkeit und dem Lebensalter ab. Während die Fähigkeit des Sehens und Wahrnehmens mit zunehmendem Alter linear abnimmt, wird bei der geistigen Funktion eine „stufenweise Abnahme“ beobachtet. „Bedeutsame Unterschiede treten oft erst ab 75 Jahren auf.“ Bei den über 75-Jährigen wurde bei der Beteiligung mit dem Pkw die Hauptschuld bei drei von vier Unfällen zugewiesen.[8][9]
Die Deutsche Verkehrswacht hat sich „gegen altersdiskriminierende medizinische und psychische Tests ausgesprochen.“[10] Der Deutsche Verkehrsgerichtstag sah in seiner 40. Sitzung (2002) keinen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber.[11] Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hält eine Pflichtuntersuchung für ältere Pkw-Fahrer „nicht [für] sinnvoll“, da ältere Fahrer ihre nachlassende Leistungsfähigkeit durch ihre Fahrweise kompensieren.[12] Die Bundesanstalt für Straßenwesen empfiehlt präventive Maßnahmen u. a. durch Hausärzte, „die ihre Patienten frühzeitig über mögliche krankheitsbedingte Leistungsbeeinträchtigungen informieren sollen“.[13] Freiwillige Gesundheitschecks sollten jedoch regelmäßig durchgeführt werden; mehr als die Hälfte der Senioren würden ihren Führerschein freiwillig abgeben, wenn ein Fachmann sie nach einer Testfahrt für fahruntüchtig halten würde.[14] Der TÜV Süd empfiehlt eine Fahrprobe mit der Rückmeldung von Angehörigen oder einer Fahrschule.[15]
Eine Fahrtauglichkeitsuntersuchung besteht in Deutschland für die Fahrerlaubnisklassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1, D1E ab dem 50. Lebensjahr und danach alle 5 Jahre.[16] Europäische Länder haben bereits Regelungen zur ärztlichen Untersuchung für Pkw-Fahrer getroffen, die ab 60 (Tschechien), 65 (Griechenland, Kroatien, Portugal), 70 (Niederlande, Großbritannien, Schweden, Spanien) und 75 Jahren (Schweiz) greifen.
Siehe auch
Weblinks
- Beurteilung der Kraftfahreignung bei Epilepsie. In: Deutsches Ärzteblatt. 107, Nr. 13, 2. April 2010, S. 217–223. doi:10.3238/arztebl.2010.0217.
Einzelnachweise
- Archivlink (Memento des Originals vom 23. September 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- 3. Auflage der Beurteilungskriterien zur Fahreignung (in Vorbereitung)
- Richtlinie 2006/126/EG (PDF) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung)
- Verkehrsportal, FeV Anlage 9
- Anlage 4 (zu den §§ 11, 13 und 14) FeV Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen
- spiegel.de Kontrolliert die Rentner! (abgerufen am 26. Mai 2016)
- sueddeutsche.de Grüne wollen Tests für Senioren am Steuer. (abgerufen am 7. September 2020)
- uvd.de (Memento des Originals vom 26. Mai 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Fahreignung von Senioren (abgerufen am 26. Mai 2016)
- destatis.de Unfälle von Senioren im Straßenverkehr., 2014, S. 10.
- deutsche-verkehrswacht.de Senioren am Steuer – geht’s noch!? (abgerufen am 26. Mai 2016)
- deutscher-verkehrsgerichtstag.de 40. Deutscher Verkehrsgerichtstag (abgerufen am 26. Mai 2016)
- DVR-report 1/2016, S. 6.
- bast.de (Memento des Originals vom 26. Mai 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Senioren im Straßenverkehr: individuelle Unterstützung statt verpflichtender Gesundheitschecks. (abgerufen am 26. Mai 2016)
- wdr.de/ Senioren am Steuer (abgerufen am 26. Mai 2016)
- tuev-sued.de Senioren am Steuer – Eigenverantwortung ist gefragt. (abgerufen am 26. Mai 2016)
- Fahrerlaubnis-Verordnung: § 11 (9)