FAVAG-Skandal
Als FAVAG-Skandal (auch FAVAG-Konkurs oder FAVAG-Bankrott) wird der Zusammenbruch der Frankfurter Allgemeinen Versicherungs-AG (FAVAG) im August des Jahres 1929 bezeichnet. In der Folge wurde die Gesellschaft von der Allianz übernommen, mehrere leitende Angestellte und Vorstandsmitglieder der FAVAG wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Die deutschen Versicherungsunternehmen wurden durch das Versicherungsaufsichtsgesetz, ergänzt durch das „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmen vom 30. März 1931“ und weitere Verordnungen, neuen Rechnungslegungsvorschriften und der Notwendigkeit einer externen Revision unterworfen.
Hintergrund
Die FAVAG wurde 1865 als Glasversicherung in Frankfurt gegründet. 1892 übernahm Paul Dumcke die Versicherung, die ab 1898 eine Reiseunfallversicherung anbot.[1] Unter der Leitung von Dumcke wuchs die Versicherung und 1913 wurde etwa die Hälfte des Umsatzes der Allianz erreicht.
Dumcke setzte im Laufe der Zeit unter Beteiligung des Finanzvorstands Philipp Becker das Geld für hochspekulative Geschäfte ein. Er schuf ein Netzwerk aus 64 Firmen, die ihre riskanten Geschäfte über Versicherungen bei der FAVAG absicherten. Gerüchten über dubiose Kreditgeschäfte veranlassten den Frankfurter Wirtschaftsjournalisten Artur Lauinger ab 1928 zu Nachforschungen. 1929 veröffentlichte er verschiedene Artikel über die Geschäfte von Dumcke und Becker und informierte die Behörden. Nach dem Tod von Dumcke im Februar 1929 führte das neue Management eine interne Revision der Finanzlage der Gesellschaft durch.
Zusammenbruch
Die Ergebnisse der Sonderprüfung führten dazu, dass am 15. August 1929 der Handel der Aktie an der Börse eingestellt wurde. Die Gesellschaft meldete Konkurs an. Lauinger wurde daraufhin in das „Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung“ berufen und 1932 mit der Goethe-Medaille geehrt.
Gegen die Verantwortlichen ermittelte die Staatsanwaltschaft Frankfurt. Dabei stellte sich heraus, dass Dumcke Verluste von Tochterfirmen durch die FAVAG übernommen hatte und diese in den Büchern vertuschte. Ein Bekannter des Sohnes von Dumcke erpresste die FAVAG mit seinem Wissen um diese Vorgänge und informierte die Aufsichtsbehörden mehrerer Staaten über die Vorgänge. Um die Regressansprüche der informierten Staaten begleichen zu können, beteiligte sich die Gesellschaft an hochriskanten Geschäften, die in weiteren Verlusten für die FAVAG resultierten. Der Aufsichtsratsvorsitzende Adolf Hoff bleib derweil untätig und wurde später ebenfalls angeklagt. Die Allianz und Stuttgarter Verein gründete daraufhin die „Neue Frankfurter Versicherungs-AG“, die das operative Geschäft der FAVAG übernahm. Durch den Zusammenbruch der FAVAG verloren ausländische, vor allem US-amerikanische Investoren das Vertrauen in die Stabilität der deutschen Wirtschaft.[2]
Neue Frankfurter Versicherungs-AG
Bereits mit dem Beginn der Sonderprüfung fragte der neue Vorstand bei der Allianz nach der Bildung einer Interessengemeinschaft mit dem Ziel der Bündelung des Geschäfts beider Gesellschaften nach. Da die FAVAG aber die Forderung nach einer Prüfung durch einen Treuhänder nicht erfüllte, scheiterten diese Gespräche.
Am 16. August 1929 erschien der Frankfurter Bankier Ladenburg, der dem Aufsichtsrat der FAVAG angehörte bei der Allianz in Berlin, berichtete von der Lage und fragte nach den Möglichkeiten einer Rettungsaktion. Am nächsten Morgen traten die Allianz-Vorstände Kurt Schmitt, Hans Heß, Eduard Hilgard und Rudolf Schloeßmann zusammen und entschieden sich, das Sachversicherungsgeschäft der FAVAG (nicht aber deren Finanzgeschäfte) zu übernehmen. Für diesem Asset Deal sollte eine neue Gesellschaft gegründet werden, die mit einer Garantie der Allianz abgesichert werden sollte. Der Kaufpreis der übernommenen Geschäfte sollte nachträglich von einem Gutachter bestimmt werden. Insbesondere die Unsicherheit bezüglich des Kaufpreises führte zu heftigem Widerspruch bei der Münchener Rück. Wilhelm Kißkalt brach extra seinen Urlaub ab und reiste zu den Verhandlungen in Frankfurt. Dort erkannte auch er, dass bei einer Ablehnung des Vorschlags das Versicherungsgeschäft der FAVAG an Wettbewerber verkauft werden würde. Am 19. August stimmten Vorstand und Aufsichtsrat der FAVAG wie auch die Gremien der Allianz dem Geschäft zu und am gleichen Tag wurde die Übernahme der Geschäfte durch die Neue Frankfurter Versicherungs-AG öffentlich gemacht. Das Kapital der neuen Gesellschaft von 5 Millionen Reichsmark wurde zu 62,5 % von der Allianz und zu 37,5 % von der Münchener Rück gehalten. 1935 wurde eine Betriebsgemeinschaft zwischen Allianz und Neue Frankfurter Versicherungs-AG vereinbart.[3]
Literatur
- Gerald D. Feldman: Insurance Company Collapses in the World Economic Crisis The Frankfurter Allgemeine Versicherungs-AG (Favag) and the Austrian Phönix. In: Harold James (Hrsg.): The Interwar Depression in an International Context. Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-56610-5, S. 57–76, (Digitalisat)
Einzelnachweise
- Manfred Köhler: Vor 75 Jahren fiel die Frankfurter Allgemeine Versicherung an die Allianz. In: FAZ.net, 27. August 2004.
- Eckhardt Wanner: Der FAVAG-Konkurs. Das deutsche Menetekel der Weltwirtschaftskrise. In: Die Bank. Nr. 8, 2009, S. 8.
- Peter Borscheid: 100 Jahr Allianz. 1990, ISBN 3-87261-066-X, S. 67–73.