Evangelisches Studienwerk Villigst
Das Evangelische Studienwerk e. V. Villigst ist eines der dreizehn großen Begabtenförderungswerke in Deutschland. Es vergibt nach bestimmten Kriterien Stipendien aus öffentlichen Mitteln an begabte und gesellschaftlich engagierte Studierende und Promovierende aller Fachrichtungen. Es werden derzeit etwa 1450 Studierende für die Dauer ihres gesamten Studiums sowie etwa 250 Promovierende gefördert. Neuaufnahmen in die Förderung erfolgen zum Beginn des Sommer- und Wintersemesters. Das Studienwerk hat seinen Sitz im Haus Villigst in Schwerte.
Geschichte
1948 wurde das Evangelische Studienwerk als Begabtenförderwerk der evangelischen Kirche ins Leben gerufen. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur sollte ihm die Aufgabe zukommen, an der Herausbildung neuer, christlich-protestantisch geprägter Führungspersönlichkeiten mitzuwirken. Durch die Vernetzung sowie die fachliche und persönliche Förderung junger Menschen mit einem ausgeprägten Bewusstsein für die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung soll ein Beitrag zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik geleistet werden. Bis heute sind insgesamt mehr als 6000 Studierende durch das Evangelische Studienwerk gefördert worden.
Christlich-protestantisches Profil
Nach dem Grundverständnis des Begabtenförderungswerks beschränkt sich gelebter christlicher Glaube nicht auf den persönlichen Bereich. Vielmehr obliegt es jedem Einzelnen, gerade im gesellschaftlichen Bereich die eigene christliche Verantwortung wahrzunehmen. Die Stipendiaten und ehemaligen Stipendiaten des Evangelischen Studienwerks sollen diesem Erfordernis in ihrer gesellschaftlichen Position nachkommen, sei es in Politik, Wirtschaft, Kirche, Kultur oder Rechtspflege.
Förderprogramme
Das Begabtenförderungswerk unterscheidet verschiedene Förderprogramme, die jeweils die „Förderung im materiellen und ideellen Sinne“ umfassen.
Für die Grundförderung,[1] an der die meisten Stipendiaten teilhaben, können sich Abiturienten und Hochschulstudierende bis zum dritten Fachsemester (Zeitpunkt der Bewerbung) bewerben. Der Kontakt zum Evangelischen Studienwerk wird durch Eigenbewerbung, nicht notwendig durch Empfehlung, aufgenommen. Nach einer erfolgreichen Bewerbung nehmen die Stipendiaten ohne Probezeit für die Dauer des gesamten Studiums an der Förderung teil. Zu den Erfordernissen einer Bewerbung und zum Bewerbungsverfahren siehe unten.
Eine gesonderte Förderung bietet das Evangelische Studienwerk für Promovierende aller Fachrichtungen an.[2] Dieses Programm umfasst derzeit etwa 200 Stipendiaten. Die Förderung erfolgt zunächst für zwei Jahre, kann aber auf Antrag auf drei Jahre verlängert werden.
Das Stipendium für Geflüchtete richtet sich an Studierende mit Fluchterfahrung, die an deutschen Hochschulen studieren. Studierende aller Religionen und Glaubensrichtungen können sich bewerben, Voraussetzungen sind neben der Fluchtgeschichte Deutschkenntnisse auf dem Niveau C1 sowie eine Förderberechtigung nach §8 BAföG. Die Förderung umfasst neben finanzieller Unterstützung auch eine persönliche Begleitung und viele weitere Angebote.[3]
Ideelle und materielle Förderung
Die Förderung durch das Evangelische Studienwerk umfasst in allen Stipendienprogrammen die materielle, finanzielle und die ideelle, persönlichkeitsbildende Förderung.
Materielle Förderung
In der [Grundförderung] erhält jeder Stipendiat – gemäß den Vergaberichtlinien des Bundesministerium für Bildung und Forschung – eine monatliche Studienkostenpauschale von 300 Euro, welche unterschiedslos gewährt wird.[1] Abhängig von der persönlichen Situation und vom Einkommen der Eltern wird daneben auf Grundlage der Richtlinien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein Stipendium von bis zu 752 Euro im Monat gewährt.[4] Des Weiteren unterstützt das Evangelische Studienwerk durch die Übernahme von Reisekosten und Studiengebühren sowie durch spezielle Zuschläge die Durchführung von Auslandsstudienaufenthalten der Stipendiaten. Gefördert werden auch Sprachkurse im Ausland.
Promovierende erhalten eine monatliche Forschungspauschale von 100 Euro und ein Stipendium von bis zu 1350 Euro im Monat. Kinderbetreuungskosten werden bezuschusst, ein Elternjahr gefördert.[5]
Die Zuwendungen des Studienwerks müssen, anders als BAföG-Leistungen, nach dem Ende des Studiums nicht zurückgezahlt werden.
Ideelle Förderung
Die ideelle Förderung durch das Evangelische Studienwerk umfasst ein Seminarprogramm, die Möglichkeit zur aktiven Beteiligung in den stipendiatischen Gremien des Studienwerks und die persönliche Studienbetreuung der Stipendiaten.
Seminarprogramm
Den Schwerpunkt der ideellen Förderung durch Seminare und interdisziplinäre Veranstaltungen bildet die jährlich stattfindende so genannte Sommeruniversität. Diese umfasst mehrtägige Seminarveranstaltungen, die meist im Sitz des Studienwerks und der Evangelischen Akademie in Meißen abgehalten werden. Die Seminare finden in den Monaten August und September parallel zueinander statt. Die Sommeruni verfolgt bewusst einen interdisziplinären Ansatz und eine gezielt wissenschaftliche Herangehensweise an die behandelten Themen. Sie ist auch für Außenstehende offen, die an den Seminaren teilnehmen können. Sie wird jährlich durch den stipendiatischen Programmausschuss zu einem ausgewählten Oberthema vorbereitet.
Neben der Sommeruni finden regelmäßig Fachtagungen, Promovierendentreffen und Veranstaltungen in Kooperation mit den anderen Begabtenförderungswerken oder auch Unternehmen statt.
Beteiligung der Stipendiaten
Ein wichtiger Grundsatz des Studienwerks ist die konsequente Beteiligung der Stipendiaten in allen Bereichen des Studienwerks. Stipendiaten sind in den Auswahlkommissionen vertreten, bereiten Seminare und Fachtagungen vor und sind an den Hochschulen in Hochschulgruppen, den Konventen, aktiv. Insbesondere hat jedoch der stipendiatische Senat die Möglichkeit, das Geschehen und die Diskussionen im Studienwerk aktiv mitzubestimmen. Auch in der Geschäftsstelle, im Aufsichtsrat und im Kuratorium des Evangelischen Studienwerks sind die Stipendiaten direkt vertreten. Des Weiteren existieren verschiedene stipendiatische Arbeitsgemeinschaften, die sich schwerpunktmäßig mit einzelnen Themen auseinandersetzen sowie das stipendiatische Magazin Brühwürfel.
Betreuung
Eine persönliche Studienbetreuung ist Bestandteil der Förderung. Hierzu ist das Studienwerk an jedem Hochschulort durch Vertrauensdozenten vertreten. Im Studienwerk selbst ist jedem Hochschulort ein Studienleiter zugeordnet, die den persönlichen Kontakt zu den Stipendiaten halten.
Verpflichtungen der Stipendiaten
Stipendiaten verpflichten sich zur Teilnahme an einer Einführungsfreizeit, der Mitarbeit in der Öffentlichkeitsarbeit und der Anfertigung regelmäßiger Semester- oder Jahresberichte.
Struktur
Der eingetragene gemeinnütziger Verein wird getragen von den evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Die Stipendien werden aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gezahlt. Das Bildungsprogramm wird aus Beiträgen der Kirchen und privaten Spenden finanziert. Private Mittel fließen dem Studienwerk auch aus der Stiftung Evangelische Begabtenförderung zu. Der Sitz der Verwaltung befindet sich im Haus Villigst bei Schwerte. Die Geschicke des Evangelischen Studienwerks werden hauptsächlich von der Leitung und dem Vorstand des Studienwerks gelenkt, die mit den stipendiatischen Gremien zusammenarbeiten. Im Kuratorium sind unter anderem Vertreter der Landeskirchen und der ehemaligen Stipendiaten vertreten. An den einzelnen Hochschulorten sind die Stipendiaten in Konventen organisiert. Die ehemaligen Stipendiaten sind als so genannte Altvilligster in Regionalgruppen verbunden und durch den Fünferrat an den Entscheidungsprozessen im Studienwerk beteiligt.
Prominente Altvilligster
Zu den bekanntesten ehemaligen Stipendiaten zählen:
- Jörg Asmussen, Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank
- Arnulf Baring, Historiker[6]
- Kurt Biedenkopf, ehemaliger sächsischer Ministerpräsident
- Alfred Buß,[7] evangelischer Theologe, ehemaliger Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen
- Otto von Campenhausen, ehemaliger Präsident des Kirchenamts der EKD
- Angelika Dörfler-Dierken, evangelische Theologin und Kirchenhistorikerin
- Thomas Eller,[7] Künstler und Autor
- Martin Führ, Juraprofessor an der Hochschule Darmstadt
- Edzard Hüneke, Sänger der A-cappella-Gruppe Wise Guys
- Bernd Janowski, evangelischer Theologe und Alttestamentler
- Siglinde Kallnbach, bildende Künstlerin
- Margot Käßmann,[7] Bischöfin a. D., ehemalige Vorsitzende des Rates der EKD
- Paul Alfred Kleinert, Schriftsteller
- Hans-Jürgen Krupp, Ökonom und Politiker (SPD)
- Benjamin Lang, Komponist und Professor für Musiktheorie (Berlin)
- Ulrich Lilie, evangelischer Theologe, Diakonie-Präsident
- Kristof Magnusson,[7] Schriftsteller
- Dieter Mehl, emeritierter Professor für Anglistik
- Sumaya Farhat-Naser, palästinensische Friedensvermittlerin im Westjordanland
- Konrad Raiser, ehemaliger Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen
- Margot von Renesse,[7] Politikerin (SPD)
- Henning Scherf,[7] ehemaliger Bremer Bürgermeister
- Bernhard Schlink, Juraprofessor und Schriftsteller
- Roger Willemsen,[7] Publizist und Fernsehmoderator
- Rainer Zitelmann, Journalist und Historiker
Bewerbungs- und Auswahlverfahren
Die Bewerbung um ein Stipendium steht allen Mitgliedern einer evangelischen Landeskirche offen, die im höchstens dritten Semester an einer deutschen Hochschule studieren oder unmittelbar vor Aufnahme des Studiums stehen. Wer nicht zu einer evangelischen Landeskirche gehört, kann sich ebenfalls bewerben und formuliert dann in einem Motivationsschreiben Gedanken zu Glaube, Kirche und Religion. Dieses Schreiben wird von einem separaten Ausschuss geprüft. Nach dem Eingang der Initiativbewerbung, welche neben dem Motivationsschreiben und einem Lebenslauf auch verschiedene Gutachten von (Hochschul-)Lehrern zur fachlichen Eignung und gesellschaftlichem Engagement umfasst, werden die Bewerber zu lokalen Vorauswahlgesprächen mit Vertretern des Studienwerks eingeladen. Im Anschluss besucht ein Teil der Bewerber eine zweitägige Hauptauswahl im Haus Villigst, währenddessen anhand von Gruppendiskussionen und Einzelgesprächen über eine Aufnahme der Bewerber in die Förderung entschieden wird. Die Aufnahme erfolgt ohne Probezeit für die Dauer des gesamten Studiums.[8]
Für Promotionsstudenten ist insbesondere ein zügig durchgeführtes und überdurchschnittlich gut abgeschlossenes Studium Voraussetzung für eine Bewerbung um ein Stipendium. Anhand der schriftlichen Bewerbung, die insbesondere eine detaillierte Beschreibung des Promotionsvorhabens enthalten muss, und eines persönlichen Gesprächs, wird über die Aufnahme in die Promotionsförderung entschieden.
Villigster Forschungsforum zu Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus e. V.
Weblinks
Einzelnachweise
- Grundförderung auf villigst.de.
- Promotionsförderung auf villigst.de.
- Stipendium für Geflüchtete auf villigst.de.
- evstudienwerk.de: , abgerufen am 23. Januar 2019.
- evstudienwerk.de: , abgerufen am 23. Januar 2019.
- Arnulf Baring: Der Unbequeme. Autobiografische Notizen. Europa Verlag, Berlin 2013, S. 135.
- Manuel J. Hartung: Dichtung und Wahrheit. In: Zeit Online, 18. Oktober 2006, abgerufen am 22. August 2012.
- , abgerufen am 13. November 2019.