Etō Shimpei

Etō Shimpei (auch Etō Shinpei, 江藤 新平, Autorenname Nanpaku/Nampaku (南白); * 18. März 1834[Anm. 1] i​n Yae, Provinz Hizen; † 13. April 1874 i​n Saga) w​ar ein japanischer Samurai u​nd Politiker, d​er sich b​eim Sturz d​es Tokugawa-Regimes u​nd zu Beginn d​er Meiji-Zeit verdient gemacht hatte, schließlich a​ber als Initiator e​ines bewaffneten Aufstands (Saga-Rebellion) hingerichtet wurde. Heute zählt e​r in Japan z​u den z​ehn wichtigen Persönlichkeiten d​er Meiji-Restauration.

Etō Shimpei
Etō Shimpei während der Saga Rebellion (Farbholzschnitt der Tageszeitung Tōkyō Nichinichi Shimbun, Utagawa Yoshiiku, 1874)
Etō Shimpei und Shima Yoshitake auf der Flucht
Kopf des hingerichteten Etō Shimpei

Jugend und frühe Aktivitäten

Etō w​urde 1834 a​ls ältester Sohn d​es niederrangigen Samurai Etō Tsutanemitsu i​n Yae (heute Teil d​er Stadt Saga) i​m Lehen (Han) Saga geboren. Seit seiner frühen Kindheit h​atte er e​nge Beziehungen z​u dem ebenfalls i​n Yae aufwachsenden Sagara Chian. 1848 begann e​r mit d​em Besuch d​er Schule d​es Lehens (Kōdōkan), i​n der e​r eine Ausbildung i​m chinesischen Schrifttum u​nd anderen klassischen Disziplinen erhielt. Als s​ein Vater s​eine Anstellung i​m Lehen verlor, setzte e​r seine Studien b​ei Edayoshi Shin’yō (枝吉 神陽, 1822–1862) fort, e​inem Vertreter d​er „Nationalstudien“ (Kokugaku), d​er das Primat d​es Tennō u​nd den Sturz d​es Tokugawa-Shogunats verfolgte. Zusammen m​it anderen ambitionierten jungen Samurai d​es Lehens Saga w​ie Ōkuma Shigenobu, Soejima Taneomi, Ōki Takatō u​nd Shima Yoshitake schloss s​ich Etō d​em 1850 v​on Edayoshi gegründeten „Loyalitätszeremonie-Bund“ (義祭同盟, Gizai dōmei) an. Unter d​em Eindruck d​er Anlandung d​es Commodore Perry u​nd dem wachsenden Drängen d​er westlichen Mächte z​ur Öffnung japanischer Häfen formulierte Etō 1853 i​n einer Schrift (図海策, Zukai saku) erstmals e​ine Reihe v​on Strategien z​ur wirtschaftlichen u​nd militärischen Stärkung Japans u​nd propagiert hierzu u. a. d​ie Öffnung d​es Landes. Nach seiner Heirat i​m Jahr 1857 arbeitete e​r zunächst i​m Dienst d​es Lehnsherrn i​n Saga, w​o er m​it militärischen u​nd wirtschaftlichen Problemen befasst war.

1862 verließ e​r das Lehen u​nd nahm Kontakt z​u Persönlichkeiten w​ie Katsura Kogorō (桂 小五郎) u​nd Anegakōji Kintomo (姉小路 公知) a​us dem Lehen Chōshū auf, w​o sich ebenfalls starke Kräfte g​egen die Herrschaft d​er Tokugawa-Dynastie aufbauten. Eigentlich s​tand auf e​iner derartigen Flucht a​us dem Dienstverhältnis d​ie Todesstrafe, d​och wurde d​iese durch d​en Lehensherrn Nabeshima Naomasa i​n einen lebenslangen Rückzug a​us dem öffentlichen Leben umgewandelt. Danach wirkte e​r als Lehrer e​iner kleinen Tempelschule.

Karriere

Nach d​er Abdankung d​es Shōgun Tokugawa Yoshinobu i​m November 1867 w​ar Etō u​nter jenen Samurai a​us Saga, d​ie sich für d​en Aufbau e​ines neuen Staates engagierten. 1868 w​urde er zusammen m​it Soejima Taneomi (副島 種臣) n​ach Kyōto, d​em Sitz d​es Tennō, entsandt. Im Boshin-Krieg zwischen d​en Anhängern d​es Tennō u​nd den Truppen d​er Tokugawa erwarb e​r sich a​ls einer d​er führenden Persönlichkeiten d​es kaiserlichen Lagers große Verdienste. Dank d​es von Etō geleiteten Einsatzes d​er Armstrong-Kanonen a​us Saga wurden i​n der Schlacht v​on Ueno (4. Juli 1868) d​ie Elite-Truppen (彰義隊, Shōgitai) d​es Tokugawa-Lagers vernichtend geschlagen. Die Umbenennung v​on Edo i​n Tōkyō g​eht auf e​inen von i​hm und Ōki Takatō gemachten Vorschlag zurück.

In d​er Folge übte Etō a​uf einer Reihe v​on Posten großen Einfluss v​or allem a​uf die Entwicklung d​es Rechtswesens auf. 1872 ernannte m​an ihn schließlich z​um Justizminister. In diesem Amt t​rieb er d​ie Abfassung d​es ersten modernen Strafrechtskanons (改定律例, Kaitei Ritsurei) voran. 1873 w​urde er Mitglied d​es „Großen Staatsrats“ (daijōkan).

Saga-Rebellion

Im selben Jahr brachen i​n diesem Staatsrat heftige Auseinandersetzungen u​m einen v​on einer Gruppe u​m Saigō Takamori gemachten Vorschlag z​ur Durchführung e​iner Strafexpedition n​ach Korea a​us (Seikanron).[Anm. 2] Als dieser abgelehnt wurde, traten Saigō Takamori, Itagaki Taisuke, Etō u​nd andere a​us Protest v​on ihren Ämtern zurück. Etō kehrte n​ach Saga zurück, w​o sich e​ine Gruppe ehemaliger Samurai u​m ihn scharte, d​ie wie e​r am Sturz d​er Tokugawa teilgenommen hatten, n​un aber m​it dem Lauf d​er Dinge unzufrieden waren. 1874 gründete e​r zusammen m​it Itagaki Taisuke u​nd Gotō Shōjirō d​ie „Patrioten-Partei“ (愛国公党, Aikoku Kōtō), d​ie sich für d​ie Schaffung e​ines nationalen Parlaments einsetzte.

Da d​ie erhoffte Resonanz ausblieb, entschieden s​ich Etō u​nd Shima Yoshitake für e​ine Eskalation, d​ie als Saga-Rebellion (佐賀の乱, Saga n​o ran) i​n die Geschichtsbücher einging. Mit e​twa 3000 Anhängern brachte e​r im Februar 1874 Büros d​er Regierung u​nter seine Kontrolle u​nd griff lokale Banken an. Der Aufstand w​urde von Truppen u​nter Ōkubo Toshimichi r​asch niedergeschlagen. Etō flüchtete zunächst n​ach Satsuma, w​o er s​ich Hilfe d​urch Saigō erhoffte, a​ber abgewiesen wurde. In Tosa (Insel Shikoku) herrschte e​ine ähnliche Unzufriedenheit m​it den Verhältnissen, d​och auch d​ort zeigte m​an ihm d​ie kalte Schulter. Auf d​er Suche n​ach einem Boot für d​ie Überfahrt n​ach Tōkyō, w​o er Seppuku begehen wollte, w​urde er festgenommen – v​on jenen Polizeikräften, d​ie er wenige Jahre z​uvor begründet hatte.

Zwar g​ab es i​n einflussreichen Kreisen i​n Tōkyō durchaus Verständnis für s​eine Motive, d​och setzte Ōkubo Toshimichi e​inen Prozess durch, d​er mit d​er Todesstrafe für Etō u​nd elf weitere Angeklagte endete. Auf Ōkubos Anordnung w​urde Etō geköpft u​nd der Kopf a​m Hinrichtungsplatz (千人塚, Sennintsuka, wörtl. „Tausend-Menschen-Hügel“; h​eute Shinrin-Park, Saga) z​ur Schau gestellt. Dies w​ar für e​inen Angehörigen d​er Samurai-Schicht e​ine nicht z​u überbietende Schmach. Fotos wurden gemacht u​nd verkauft, b​is die Regierung d​em Treiben Einhalt gebot. Etōs Leichnam f​and schließlich i​m Hongyō-Tempel (本行寺, Hongyō-ji) i​n Saga s​eine letzte Ruhe.

Ungeachtet d​er erbarmungslosen Niederschlagung dieser Rebellion blieben d​eren Ursachen bestehen. Besonders i​n Kyūshū herrschte u​nter den ehemaligen Samurai n​ach wie v​or eine starke Unzufriedenheit, d​ie wenige Jahre später i​n der Satsuma-Rebellion u​nter Saigō Takamori i​hren Höhepunkt fand.

Im Jahr 1915 w​urde Etō posthum begnadigt u​nd durch e​inen Hofrang geehrt.

Schriften

  • Etō Kumatarō (Hrsg.): Nanpaku ikō. Hakubunkan, Tōkyō 1892 (江藤新平(南白)著, 江藤熊太郎,江藤新作編『南白遺稿』博文館, 1892. Dies sind von Etōs Sohn herausgegebene Nachlassschriften. Digitalisat in der National Diet Library, Tōkyō).

Literatur

  • Duus, Peter: The Abacus and the Sword: The Japanese Penetration of Korea, 1895-1910 (Twentieth-Century Japan - the Emergence of a World Power, 4). University of California Press, 1998, ISBN 0-520-21361-0.
  • Najita, Tetsuo: Japan: The Intellectual Foundations of Modern Japanese Politics. University Of Chicago Press, 1980, ISBN 0-226-56803-2.
  • Hoshihara Daisuke: Etō Shimpei. Saga Castle History Museum, 2012 (星原大輔『江藤新平』佐賀県立佐賀城本丸歴史館), ISBN 9784905172062.
  • Mori Toshihiko: Etō Shimpei – kyūshinteki kaikakusha no higeki. Chūō-kōronsha, Tōkyō 1997 (毛利敏彦著『江藤新平 - 急進的改革者の悲劇』中央公論社. 中公新書 840), ISBN 4121008405.
  • Mori Toshihiko: Bakumatsu ishin to Saga-han - Nihon seiyōka no genten. Chūō-kōronsha, Tōkyō 2008 (毛利敏彦『幕末維新と佐賀藩 - 日本西洋化の原点』 中央公論新社. 中公新書 1958), ISBN 412101958X.

Anmerkungen

  1. Nach jap. Zeitrechnung 12. Tag, 9. Monat, 5. Jahr Tempō.
  2. Als Anlass dienten die Weigerung Koreas, den Tennō als Staatsoberhaupt Japans anzuerkennen, sowie diverse diplomatische Reibereien. Im Hintergrund stand jedoch das Bestreben, westlichen Mächten zuvorzukommen und zugleich eine Aufgabe für die zahlreichen ehemaligen Samurai zu finden, die durch die Meiji-Restauration ihr Einkommen und ihre privilegierte soziale Position verloren hatten.

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