Erwin Helmchen
Erwin Helmchen (* 10. Mai 1907 in Cottbus; † 8. Juni 1981 in Kiel) war ein deutscher Fußballspieler.
Laufbahn
Vereine, bis 1945
Bei den Blau-Weißen vom FV Brandenburg Cottbus erlernte der Nachwuchsspieler Erwin Helmchen die Grundlagen des Fußballspiels. In der Bezirksklasse Niederlausitz feierte der junge Angreifer 1927 und 1928 mit seinem Verein die ersten Titelgewinne im Seniorenbereich. Er nahm mit dem FV Brandenburg an den Endrunden der südostdeutschen Meisterschaft teil, wo aber die Vertreter aus Mittelschlesien – die Breslauer Vereine – eine dominierende Rolle ausübten. Im Jahre 1928 schloss er sich dem PSV Chemnitz an und zog nach Westsachsen in das „sächsische Manchester“.
Der schussgewaltige Stürmer – er erzielte in seinen ersten fünf Runden beim PSV 213 Tore[1] in den regionalen Meisterschaftsrunden – hatte es in den Anfangsjahren mit dem lokalen Konkurrenten Chemnitzer BC zu tun. Erst zum Ende des Verbandes Mitteldeutscher Ballspiel-Vereine – in den Jahren 1931 bis 1933 – konnte Helmchen mit den Grün-Weißen in die Endrunden um die mitteldeutsche Meisterschaft einziehen. Im zweiten Anlauf, 1932, gewann der Torjäger mit seinen Mannschaftskameraden durch einen 3:2-Sieg gegen den Dresdner SC die mitteldeutsche Meisterschaft. Zur Meisterschaft in Chemnitz hatte Helmchen 51 Tore[1] beigesteuert und insgesamt werden für die Saison 1931/32 für ihn 126 Tore[2] notiert. In der Endrunde um die deutsche Meisterschaft scheiterte er mit seinen Mitspielern Erich Haase, Willy Munkelt und Erich Mädler nach einer 2:3-Niederlage in Leipzig am 22. Mai 1932 an dem späteren Deutschen Meister FC Bayern München. 1933 revanchierte sich der DSC im Finale um die mitteldeutsche Meisterschaft mit einem 3:1-Erfolg gegen den PSV.
Die Ära der Gauliga Sachsen eröffnete Helmchen mit seinem Verein in der Debütsaison 1933/34 hinter dem Dresdner SC und dem VfB Leipzig auf dem dritten Rang. Am 13. Mai 1934[3] wurde das neue Stadion auf der „Planitzwiese“, später bekannt als Stadion an der Gellertstraße, mit einem 5:1 vor 25.000 Zuschauern gegen die SpVgg Fürth eröffnet. Bereits am 16. Juni folgte vor 20.000 Zuschauern ein Freundschaftsspiel gegen den spanischen Meister von 1932 Madrid CF, wie Real Madrid damals noch hieß, mit „Wundertorwart“ Ricardo Zamora, das der PSV mit drei Helmchen-Treffern 5:2 gewann. In den Runden 1934/35 und 1935/36 gewann der Torschütze vom Dienst – er zeichnete sich nicht durch außergewöhnliche Schnelligkeit und finessenreiche Balltechnik aus, sondern er kam auf seine außergewöhnliche Trefferquote durch seine urwüchsige Schusskraft, die er in jeder Lage einsetzte – mit dem PSV Chemnitz zwei Meistertitel in der Gauliga Sachsen, jeweils vor dem Dresdner SC. In den Endrunden um die deutsche Fußballmeisterschaft bestätigte er eindrucksvoll seine Torjägerqualitäten. 1935 setzte sich Chemnitz in den Gruppenspielen gegen Hertha BSC, Vorwärts-Rasensport Gleiwitz und Yorck Boyen Insterburg durch und scheiterte erst am 2. Juni in Düsseldorf im Halbfinale mit 2:3 Toren am späteren Endspielsieger FC Schalke 04. Beide Treffer gegen den Titelverteidiger aus Schalke erzielte der auf Halbrechts stürmende Erwin Helmchen. In der Endrunde 1936 trafen die Sachsen bereits in den Gruppenspielen auf Schalke. Im Hinspiel am 26. April setzte sich der PSV vor 40.000 Zuschauer im Dortmunder Stadion Rote Erde mit 3:2 Toren durch, zwei Treffer zum Sieg steuerte Helmchen bei. Im abschließenden Gruppenspiel am 17. Mai drehten die Mannen um Kuzorra und Szepan den Spieß um und setzten sich vor 55.000 Zuschauern im Dresdner Ostragehege mit 2:1 Toren durch. Punktgleich, aber mit dem schlechteren Torverhältnis, war damit für Helmchen und seine Mannschaftskollegen die Endrunde beendet. Mit insgesamt zehn Toren unterstrich Helmchen in der Endrunde erneut seine überdurchschnittlichen Abschlussqualitäten.
Der Torjäger wurde in der Runde 1936/37 mit seiner Mannschaft Vizemeister und belegte 1938 und 1941 jeweils den dritten Rang in Sachsen, aber zu einem weiteren Einzug in die Endrunde um die deutsche Meisterschaft reichte es nicht mehr. Zwar gehörten in den Kriegsrunden 1940/41 und 1941/42 auch die DFB-Auswahlspieler Walter Rose und Ernst Willimowski der Helmchen-Elf an, aber der Dresdner SC und der Planitzer SC waren in diesen Jahren zu stark für die Chemnitzer.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, bis 1956
Der Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg begann auch in Chemnitz nach Auflösung der vormaligen Sportvereine mit locker organisierten Sportgemeinschaften, die zunächst nur auf lokaler Ebene Wettkämpfe austragen durften. Die SG Chemnitz Nord beteiligte sich ab 1946 an der Fußball-Bezirksstaffel Chemnitz, in der sie 1947 den ersten und 1948 den dritten Platz belegte. Als in der Saison 1948/49 der Fußballbezirk in zwei Staffeln spielte, gewann die SG Nord zwar ihre Staffel, unterlag aber in drei notwendig gewordenen Endspielen um die Chemnitzer Meisterschaft der SG Einheit Meerane. Der 41-jährige Helmchen zeichnete sich dabei neben seiner Spielertrainerfunktion immer noch als Torschütze aus – 67 Tore[1] in drei Runden – und wurde auch am 23. Januar 1949 beim Auswahlspiel Sachsen gegen Berlin von Sachsen-Trainer Helmut Schön als Mittelstürmer aufgeboten. Die letzten Tore schoss der Senior in der Herbstrunde 1949/50 in der Landesklasse Sachsen für die jetzt in BSG Fewa Chemnitz umgewandelte SG Nord, um sich dann – nach dem Gewinn der inoffiziellen Herbstmeisterschaft – nach Schleswig-Holstein zu verändern. Zunächst war er bei Eintracht Rendsburg und ab Februar 1950 beim VfB Lübeck in der Fußball-Oberliga Nord als Spielertrainer tätig. Im reifen Fußballeralter von fast 43 Jahren – sieben Tage vor seinem Geburtstag – absolvierte Helmchen am 3. Mai 1950 beim Nachholspiel gegen den FC St. Pauli seinen zweiten Oberligaeinsatz für Lübeck. Gegen die Mitwirkung von Helmchen als Spieler protestierte Göttingen 05, da er nach dem gültigen Statut nicht spielberechtigt gewesen wäre. Der Protest erledigte sich durch den Abstieg des VfB. In der folgenden Saison 1950/51 – Helmchen gewann mit den Grün-Weißen vom Stadion an der Lohmühle in der Landesliga von Schleswig-Holstein die Meisterschaft, scheiterte aber in der Aufstiegsrunde zur Oberliga – gab es erneut Streit, nunmehr um die (Grundsatz-)Frage, ob er als bezahlter Trainer in der Amateurliga selbst mitspielen dürfe. Ein diesbezüglicher Protest des Lokalrivalen Phönix wurde abgewiesen. 1951/52 gewann er erneut die Landesligameisterschaft mit dem VfB, aber auch im zweiten Anlauf glückte die Rückkehr in die Oberliga Nord nicht.
Nach seinem beruflichen Wechsel 1952 nach Kiel – Helmchen war dort in der Abteilung Gerätebeschaffung beim Innenministerium beschäftigt – trainierte er bis 1956 den Landesligisten SV Friedrichsort.
Auswahlberufungen
Ab dem Spieljahr 1928/29 überzeugte der Serien-Torschütze auch im Bundespokal-Wettbewerb der Verbandsmannschaften in der Elf von Mitteldeutschland. Am 13. Oktober 1929 überwand er Torhüter Hans Jakob beim 5:2-Erfolg in Magdeburg gegen Süddeutschland mit vier Toren. Als die Mitteldeutschen am 12. Oktober 1930 im heimischen Chemnitz den Titelverteidiger aus Norddeutschland mit 5:4 Toren nach Verlängerung aus dem Wettbewerb schossen, erzielte Helmchen als Halbrechts zwei Treffer. Mit der Gau-Auswahl von Sachsen gewann er 1935/36 den Reichsbundpokal. Im ersten Finalspiel am 1. März 1936 hielt er mit seinen zwei Treffern seine Mannschaft im Rennen, das Spiel gegen den Südwesten endete 2:2-Unentschieden nach Verlängerung. Im Wiederholungsspiel setzte sich Sachsen überlegen mit 9:0 Toren durch. Helmchen erzielte wiederum zwei Treffer und Mittelstürmer Erich Hänel vom BC Hartha gelangen gar fünf Tore. Mit insgesamt neun Toren holte sich Helmchen die Torschützenkrone in dieser Serie.
Er stand mit Sachsen noch in zwei weiteren Endspielen, 1937 und 1940. Beide Finals wurden aber verloren. Mit 33 Jahren führte er am 30. Juni 1940 das Sachsen-Team als Kapitän in Augsburg gegen Bayern auf das Feld, die Mannschaft um Mittelläufer Ludwig Goldbrunner setzte sich aber mit einem 3:1-Erfolg durch. Auch im Spieljahr 1939/40 wurde er mit neun Toren Torschützenkönig. Insgesamt erzielte er von 1933 bis 1942 in 21 Gau-Auswahl-Wettbewerbsspielen 26 Tore und führt damit überlegen die Rangliste an. Helmchen spielte über 100 Mal in der Stadt- und in der Sachsenauswahl.
Durch seine Trefferquoten in der leistungsstarken Gauliga Sachsen, in den überzeugenden Endrunden 1935 und 1936 um die deutsche Meisterschaft – 16 Spiele insgesamt von 1932 bis 1936 mit 29 Toren – und seinen Erfolgen mit Sachsen im Reichsbundpokal, ist seine Nichtberücksichtigung für die deutsche Fußballnationalmannschaft durch die Reichstrainer Otto Nerz und Sepp Herberger nicht nachvollziehbar. Er wurde zu einigen DFB-Lehrgängen berufen und gehörte am 24. Mai 1931 bei der deutschen 0:6-Pleite gegen Österreich dem Kader an. Im Jahr 1937 kamen dann noch zwei Einsätze in Testspielen hinzu: Am 22. Mai in Stuttgart gegen Manchester City[4] und vor dem Länderspiel am 24. Oktober in Berlin gegen Norwegen im Spiel gegen den Gau Brandenburg,[5] wo er beim 3:2-Erfolg zwei Tore erzielte.
Helmchen wird als Deutschlands ewiger Rekordtorjäger[6] geführt. Im Verlaufe seiner Karriere erzielte er allein in Ligaspielen auf erst- und zweitklassiger Ebene nachgewiesene 596 Tore[1], hinzu kamen unzählige in Freundschaftsspielen, DM-Endrunden- und Pokalspielen oder mit der Gau-Auswahl. Knieriem schreibt Helmchen etwa 900 Tore in Pflichtspielen zu (850 ermittelt).
Tod und Gedenken
Erwin Helmchen wohnte bis zu seinem Tod am 8. Juni 1981 mit seiner Frau Erna in einem Siedlungsreihenhaus in Kiel-Elmschenhagen, wo er auch begraben ist.
Sein Wunsch, „an der Gellertstraße“ ruhen zu wollen, wurde ihm symbolisch am 8. September 2001 erfüllt. An diesem Tag trafen Holstein Kiel und der Chemnitzer FC in der Regionalliga Nord zu ihrem ersten Punktspiel aufeinander. Der CFC-Fanclub „Clubsurfer“ rief daraufhin die Aktion „Rasen für Erwin“ aus, in welcher ein Stückchen Grasnarbe vom Chemnitzer Fußballrasen abgestochen und in Kiel mit einer kleinen Andacht auf Helmchens Grab niedergelegt wurde.
Literatur
- Gerhard Claus: 100 Jahre Chemnitzer Fussball. Bilder, Geschichten, Tabellen. Chemnitzer Verlag, Chemnitz 1999, ISBN 3-928678-58-2.
- Gau-Auswahl-Wettbewerbe 1933–1942. In: Libero IFFHS, Nr. D 17, 1998, III. Quartal.
- Lorenz Knieriem: Torjäger. Eine Typologie des Vollstreckers. AGON Sportverlag, Kassel 2005, ISBN 3-89784-264-5.
- Hardy Grüne, Lorenz Knieriem: Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs. Band 8: Spielerlexikon 1890–1963. AGON Sportverlag, Kassel 2006, ISBN 3-89784-148-7.
Einzelnachweise
- Lorenz Knieriem, Torjäger, S. 160.
- Lorenz Knieriem, Torjäger, S. 167.
- Werner Skrentny (Hrsg.), Das große Buch der deutschen Fußballstadien, Verlag Die Werkstatt, 2001, S. 79.
- Raphael Keppel, Deutschlands Fußball-Länderspiele, Dokumentation von 1908 bis 1989, S. 118.
- Raphael Keppel, Deutschlands Fußball-Länderspiele, Dokumentation von 1908–1989, S. 122.
- Lorenz Knieriem, Torjäger, S. 32–35.