Enzyklopädie (Wissensordnung)

Seit d​er Rezeption v​on Bildung u​nd Wissenschaft d​er griechischen Antike i​n der römischen Literatur (ca. 200 v. Chr.) g​ibt es Versuche, d​as jeweils vorhandene Wissen d​er Menschheit i​n einer geordneten Gesamtdarstellung z​u präsentieren. Eine solche universale Systematik w​urde erstmals v​on den Humanisten u​m 1490 a​ls Enzyklopädie bezeichnet. Die e​rste bekannte gedruckte Einteilung, d​ie damit betitelt wurde, i​st die Encyclopedia v​on Johannes Aventinus, d​ie 1517 i​n Ingolstadt erschien.

Der e​rste Entwurf d​er systematischen Darstellung (der „Disposition“) zumindest e​ines Teiles d​es Wissens stammt v​on Plinius d. Ä. i​n seiner Naturalis historia a​us dem 1. Jahrhundert. Die w​ohl bekanntesten Entwürfe s​ind der Baum d​es Wissens a​us dem Mittelalter u​nd das System d​er Kenntnisse d​er Encyclopédie v​on 1751. Der w​ohl zurzeit (2007) jüngste i​st der Kreis d​er Bildung (Circle o​f Learning) i​n der Propaedia d​er 15. Auflage d​er Encyclopædia Britannica v​on 1994 (Bd. 32). In d​em Zeitraum v​on ca. 2000 Jahren entstanden e​ine große Zahl v​on teilweise s​ehr unterschiedlichen Dispositionen.

Typologie

Ordnung der Dinge (Ordo rerum)

Begriffliche Klassifikation

Rangfolge

Disposition n​ach dem Rang (Adel) i​n der Seinsordnung. Typische Vertreter:

Einteilung der Wissenschaften

Chronologie

Die Bibel

  • Die ganze Bibel als Raster zur Ausbreitung des Wissens. Typischer Vertreter: Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733): Jobi Physica Sacra oder Hiobs Naturwissenschaft, vergliechen mit der heutigen, Physica sacra. Natur=Wissenschafft derer in Heil. Schrifft vorkommenden Natürlichen Sachen
  • Disposition anhand des Sechstagewerks. Typische Vertreter: Ambrosius (um 340–397): Exameron; Gregor von Montesacro, Vinzenz von Beauvais († 1264): Speculum naturale; Johann Arndt (1555–1621): Wahres Christentum (1605)
  • Disposition entlang der Heilsgeschichte. Typischer Vertreter: Vinzenz von Beauvais (um 1200–1264)
  • Disposition nach dem Dekalog. Typischer Vertreter: Andreas Hondorf (ca. 1530–1572): Promptuarium Exemplorum

Geografie

  • Disposition als Weltkarte oder entlang einer Reisebeschreibung. Typischer Vertreter: Sir John Mandeville († 1372)
  • Disposition im Rahmen eines utopischen Entwurfs oder einer Robinsonade: Entwürfe von vollkommenen Wissensspeichern. Typische Vertreter: Francis Bacon (1561–1626): Instauratio magna – Entwurf einer Methode zur Entdeckung aller Entdeckungen; Nova Atlantis (Haus Salomonis); Tommaso Campanella (1568–1639): La Città del Sole (1602/3; 1623) – Entwurf einer utopischen Stadt als Abbild des Kosmos; Joachim Heinrich Campe (1746–1818): Robinson der Jüngere, zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung der Kinder (1779/80); Johann David Wyss (1743–1818): Der Schweizerische Robinson oder der schiffbrüchige Schweizer-Prediger und seine Familie. Ein lehrreiches Buch für Kinder und Kinder-Freunde zu Stadt und Land

Weitere Dispositionen

  • Disposition entsprechend dem Katechismus
    • Antoine d’Averoult: Fleurs des exemples (1603)
  • Disposition nach Lebenswelten
  • In eine Allegorie eingekleidetes enzyklopädisches Wissen
  • Disposition anhand eines idealen Falls aus dem darzustellenden Sachgebiet
    • Bartolus de Saxoferrato (1313–1357, Autorschaft zweifelhaft): Processus Sathanæ contra genus humanum
    • Jacobus de Theramo (1350/51–1417): Litigatio Christi cum Belial sive Consolatio peccatorum
    • Ulrich Tengler (1447–1511): Laienspiegel
    • Jakob Ayrer der Jüngere (1569–1625): Historischer Processus juris (1597)
  • Zirkulare Disposition

Literatur

Allgemeines

  • Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. 1966 (dt. zuletzt Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003)
  • Christel Meier: Enzyklopädischer Ordo und sozialer Gebrauchsraum: Modelle der Funktionalität einer universalen Literaturform. In: Die Enzyklopädie im Wandel vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit, hrsg. von Christel Meier, München 1996, S. 511–532
  • Paul Michel: Darbietungsweisen des Materials in Enzyklopädien. In: Populäre Enzyklopädien: Von der Auswahl, Ordnung und Vermittlung des Wissens (Gedenkschrift für Rudolf Schenda). Zürich: Chronos-Verlag, 2002, S. 35–83
  • Steffen Siegel: Tabula. Figuren der Ordnung um 1600, Berlin: Akademie-Verlag 2009. ISBN 978-3-05-004563-4
  • Helmut Zedelmaier: Bibliotheca universalis und bibliotheca selecta : das Problem der Ordnung des gelehrten Wissens in der frühen Neuzeit. Köln [u. a.]: Böhlau 1992 (Archiv für Kulturgeschichte: Beiheft; 33)
  • Theo Stammen, Wolfgang E. J. Weber (Hrsg.): Wissenssicherung, Wissensordnung und Wissensverarbeitung : das europäische Modell der Enzyklopädien. (Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg : Colloquia Augustana ; Band 18). Berlin: Akademie Verlag, 2004. ISBN 3-05-003776-8.

Zu einzelnen Werken

  • Vögel, Herfried: Sekundäre Ordnungen des Wissens im "Buch der Natur" des Konrad von Megenberg. In: Franz M. Eybl u. a. (Hrsg.): Enzyklopädien der Frühen Neuzeit, Tübingen: Niemeyer 1995, S. 43–63

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Franz Josef Worstbrock: Arnoldus Saxo. In: Verfasserlexikon, I, Sp. 485–488.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.