Entchristlichung
Unter Entchristlichung (oder Dechristianisierung) versteht man einen Verlust an normativer Wirkungskraft des Christentums in Bereichen, wo dessen Wertvorstellungen zuvor eine – oft nicht hinterfragte – Grundlage bildeten. Dabei kann es um eine Verweltlichung und Säkularisierung gehen, aber auch um eine Ersetzung durch nicht-christliche Weltanschauungen und Religionen. Im Unterschied zum Begriff der Entchristianisierung ist Entchristlichung nicht allein auf eine bestimmte historische Periode wie die Französische Revolution bezogen, sondern bezeichnet ein allgemeines Phänomen.
Dieser Artikel wurde aufgrund von akuten inhaltlichen oder formalen Mängeln auf der Qualitätssicherungsseite des Portals Christentum eingetragen.
Bitte hilf mit, die Mängel dieses Artikels zu beseitigen, und beteilige dich bitte an der Diskussion. |
Begriffsgeschichte
Die erste Verwendung des Begriffs Entchristlichung geht vermutlich auf den Historiographen Jules Michelet (1798–1874) zurück, der von der „Entchristlichung der lateinischen Wurzeln“ sprach.
Unter anderem durch Friedrich Wilhelm Graf und Hartmut Lehmann wird die früher auch durch Historiker häufig gebrauchte Gleichung Entkirchlichung = Entchristlichung = Säkularisierung als oberflächlich und einseitig abgelehnt. Es handelt sich weder um deckungsgleiche Begriffe, noch sind sie für sich genommen neutral.
Der Begriff findet sich literarisch erst wieder gehäuft seit Ende der 1970er Jahre als spezifizierende soziologisch-historische Beschreibung des meist mit dem Zeitraum 1750 bis 1900 angegebenen Säkularisierungsprozesses in Europa. Indem die christlichen Traditionen für das existenzielle Selbstverständnis wie für die gesamtkulturelle Gestaltung ihre Bedeutung und Allgemeinverbindlichkeit verlieren, führt der Säkularisierungsprozess nach Ansicht von Erwin Fahlbusch zur „Entchristlichung“ beziehungsweise „Entkirchlichung“; die ihn begleitende Rationalisierung aller Lebensbereiche bringt die „Entzauberung der Welt“ mit sich.
Literatur
- Claus Bernet: Die Toleranz der Dechristianisierung und Desakralisierung. Über die Verbindung von Staat und Religion in der Architektur der Frühen Neuzeit und Moderne. In: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, 63/1 (2011), S. 1–22.
- Friedrich Wilhelm Graf: Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur. Beck, München 2004, ISBN 978-3-406-54808-6.
- Anselm Günthör: Wird Europa gottlos? Entchristlichung und Wiederverchristlichung. Fe-Medien, Kisslegg 2003, ISBN 978-3-928929-52-3.
- Rolf Kramer: Die postmoderne Gesellschaft und der religiöse Pluralismus. Eine sozialethische Analyse und Beurteilung. 2004.
- Rainer Marbach: Säkularisierung und sozialer Wandel im 19. Jahrhundert. Die Stellung von Geistlichen zu Entkirchlichung und Entchristlichung in einem Bezirk der hannoverschen Landeskirche. Göttingen 1978.
- Demosthenes Savramis: Entchristlichung und Sexualisierung – zwei Vorurteile. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1969.
- Hans Georg Schenk: Die Entchristlichung Europas „1750–1900“. 1977.
- Gerhard Schmidtchen, Wilhelm F. Kasch (Hrsg.): Entchristlichung und religiöse Desozialisation (Tagung am 6. u. 7. Okt. 1977 in Bayreuth). Paderborn 1978.
Weblinks
- Hans-Bernhard Wuermeling: Modernisierung bedeutet nicht Entchristlichung. Der Fall Buttiglione. In: Die Tagespost. 26. Februar 2005, abgerufen am 1. November 2019.