Elise Averdieck
Elise Averdieck (* 26. Februar 1808 in Hamburg; † 4. November 1907 ebenda) war eine deutsche Schriftstellerin, Schulleiterin sowie die Gründerin des Kranken- und Diakonissenmutterhauses Bethesda in Hamburg.
Leben
Elise Averdieck hatte zwölf Geschwister, zu deren Unterstützung sie nach der Schulzeit zu Hause blieb, um ihnen im Haushalt zu helfen. Im Jahr 1837 eröffnete sie in der Vorstadt St. Georg eine Vorschule für Knaben und übernahm in der St. Georger Sonntagsschule des Pfarrers Johann Wilhelm Rautenberg die Mädchenabteilung, nachdem sie den Rationalismus in ihrem Weltbild gegen den christlichen Gottglauben eingetauscht hat.
Im Jahr 1849 traf Elise Averdieck mit dem Hermannsburger Erweckungsprediger Ludwig Harms zusammen, dessen Predigt sie zutiefst beeindruckte. Im Rückblick auf ihre erste Begegnung schrieb sie später, das habe der „liebe Gott ganz allein getan“. Die Theologin Inke Wegener schrieb, mit Bezug auf die 1908 von Averdiecks Nichte Hannah Gleiß zusammengefassten Lebenserinnerungen Averdiecks[1], in ihrer Dissertation zu Averdiecks Zeit in Hermannsburg: „Sie habe in Hermannsburg Eindrücke empfangen, die für ihr ganzes Leben wichtig und entscheidend geworden seien.“[2]
Elise Averdieck arbeitete mit in dem von Amalie Sieveking gegründeten Frauenverein für Armen- und Krankenpflege. Im Herbst 1856 gab sie ihre Schule auf und eröffnete mit zwei Freundinnen in einem gemieteten Haus das Krankenhaus „Bethesda“. Da das Haus zu klein wurde, kaufte sie im Juni 1859 zwei Häuser, die sie zu einem Kranken- und Diakonissenmutterhaus ausbaute, das 1860 dem Kaiserswerther Verband deutscher Diakonissen-Mutterhäuser angeschlossen wurde. Im Jahr 1869 ermöglichte sie die Gründung einer Diakonissenanstalt in Braunschweig. Im Herbst 1881 legte sie ihr Amt nieder.
Ehrungen
Im Hamburger Stadtteil Borgfelde und in Rotenburg (Wümme) wurden Straßen nach ihr benannt. Ebenfalls in Hamburg bestand seit 1909 eine christliche Elise-Averdieck-Schule, die 1939 verstaatlicht und 1987 mit dem Gymnasium Hartzloh zum heutigen Margaretha-Rothe-Gymnasium fusioniert wurde.[3]
In der ev.-luth. Diakonissenanstalt Marienstift in Braunschweig ist ein Wohnhaus nach ihr benannt.[4] Seit 2020 trägt zudem der Platz vor dem Marienstift den Namen Elise-Averdieck-Platz.[5]
Aufgrund ihres sozial-karitativen Engagements wurde Elise Averdieck seit 1990 in der Reihe der zwölf neuzeitlichen Apostel und Apostelinnen der Apostelkirche (Hamburg-Eimsbüttel) aufgenommen. Im Altarraum der Kirche erinnern Porträts von Persönlichkeiten der neueren Geschichte an deren beispielhaftes Wirken im Dienste der Menschheit.[6]
Werke
Elise Averdieck schrieb Romane, darunter auch vielgelesene Kinderbücher:
- Der Hamburger Brand, 1842
- Ansgar oder: Was vor 1000 Jahren geschah. Den Kleinen erzählt, Kittler, Hamburg 1865
- Kinderleben. I: Karl und Marie, 1850, 2. Auflage 1887
- Kinderleben. II: Roland und Elisabeth, 1851
- Kinderleben. III: Lottchen und ihre Kinder, 1870, 2. Auflage 1877
- Kinderleben. IV: Tante auf Reisen, 1883
- Erlebnisse aus alter und neuer Zeit, 1880
- Bethesda. Rückblicke, 1887
- Mein, 1890
- Schulmeisters Spitz und seine Bekannten, 1894
- Geburtstagsfest, 1898
- Ferien in Süderhaff, 1903
- Lebenserinnerungen, zusammengestellt von Hanna Gleiß
- Teil 1, 1908
- Teil 2: Elise Averdieck als Diakonissenmutter, 1912
Literatur
- Friedrich Wilhelm Bautz: Averdieck, Elise. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 308.
- Hildegard Gilbert: Elise Averdieck. Bielefeld und Leipzig 1926 (= Führende Frauen Heft 7).
- Hanna Gleiß: Elise Averdieck. Aus dem Leben einer Hundertjährigen. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg 1926 (veränd. Neuaufl. 1953).
- Iris Groschek: Averdieck, Elise. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Band 3. Wallstein, Göttingen 2006, ISBN 3-8353-0081-4, S. 22–23.
- Helene Grube: Lehrerin, Schriftstellerin und Krankenpflegerin. Ein Gedenkblatt an Elise Averdieck, Die Lehrerin in Schule und Haus 24, 1907/1908, S. 250–252
- Käte Hardeland: Elise Averdieck: aus dem Leben einer Hundertjährigen. Brunnen-Verlag, Gießen 1958 (=Zeugen des gegenwärtigen Gottes, Nr. 126).
- Elisabeth Heimpel: Averdieck, Elise. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 470 (Digitalisat).
- Hilde Kathrein: „Meine Seele will Freiheit“. Frauen setzen sich durch. 30 Frauenschicksale. Salzer, Heilbronn 1992.
- Jutta Krienke: „Liebste Freundin! Ich will dir gleich schreiben …“ Zur Ausbildung des unmittelbaren Erzählens am Beispiel der Verwendung des Briefes in der Kinderliteratur des 19. Jahrhunderts (Anna Stein, Elise Averdieck, Ottilie Wildermuth, Tony Schumacher). Lang, Frankfurt am Main 2001.
- Averdieck, E. v.. In: Sophie Pataky (Hrsg.): Lexikon deutscher Frauen der Feder. Band 1. Verlag Carl Pataky, Berlin 1898, S. 27 (Digitalisat). (irrtümliche Ansetzung „v. Averdieck“ wurde im Artikel „Kühner“ korrigiert)
- Kühner, Ps. E. Averdieck. In: Sophie Pataky (Hrsg.): Lexikon deutscher Frauen der Feder. Band 1. Verlag Carl Pataky, Berlin 1898, S. 464 (Digitalisat).
- Sophie Schweikhardt: Elise Averdieck. Diakonisse und Lehrerin. Evangelischer Missionsverlag, Stuttgart 1956 (= Unsere geistlichen Ahnen Heft 31).
- Inke Wegener: Zwischen Mut und Demut: Die weibliche Diakonie am Beispiel Elise Averdiecks. V&R unipress, Göttingen 2004, ISBN 3-89971-121-1. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
Weblinks
- Literatur von und über Elise Averdieck im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Elise Averdieck. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten).
Einzelnachweise
- Elise Averdieck: Lebenserinnerungen. Hrsg.: zusammengestellt von Hannah Gleiß. Teil 1. Hamburg 1908, S. 267.
- Inke Wegener: Zwischen Mut und Demut, S. 333.
- Staatsarchiv Hamburg: 362-2/22 Elise-Averdieck-Gymnasium, 1908-1995 (Bestand). Abgerufen am 10. November 2018.
- Elise-Averdieck-Haus
- Platz vor dem Marienstift in Braunschweig erhält neuen Namen. In: Braunschweiger Zeitung. 20. Februar 2020, abgerufen am 23. Juni 2021.
- Die anderen elf sind Oscar Romero 1895–1981, Anna Paulsen 1895–1981, Dorothy Day 1897–1980, Simone Weill 1909–1943, Ernst Barlach 1870–1938, Albert Schweitzer 1875–1965, Mathilda Wrede 1864–1928, Sophie Scholl 1921–1943, Hermann Stöhr 1898–1940, Martin Luther King 1920–1968 und Dietrich Bonhoeffer 1906–1945.