Elektronisches Rezept
Das elektronische Rezept (auch E-Rezept) stellt das digitale Pendant zur (klassischen) papierbasierten Verschreibung von Arznei- und Heilmitteln dar. Die Informationen zum Rezept werden dabei vom Verschreibenden auf ein Trägermedium oder ein zentrales Informationssystem geschrieben und können in Folge von Partnern im Gesundheitssystem ausgelesen und weiterverarbeitet werden.
Das elektronische Rezept wird oft im Kontext elektronische Patientenakte diskutiert, insbesondere da diese oft die Infrastruktur für das elektronische Rezept bildet.
Konzepte
Zentraler Ansatz
Hier arbeiten alle beteiligten Parteien mit zentral gespeicherten Datensätzen.
Dezentraler Ansatz
Hier wird ein Trägermedium zur Datenspeicherung unabhängig von einer Verbindung zum zentralen Datenspeicher eingesetzt.
Generelle Bewertung
Übertragungsfehler
Beim klassischen Rezept sind folgende Übertragungsfehler möglich:
- handschriftliche Rezepte: falsch interpretierte oder nicht lesbare Verschreibung
- maschinengeschriebene Rezepte: falsch interpretiert oder nicht lesbar durch Überlagerungen von Druck, Vorlage, Stempel und Unterschriften, Mangelnde Druckqualität
- Beschädigung des Papierrezepts durch mechanische Beanspruchung (Faltung, falscher Transport etc.)
Das elektronische Rezept vermeidet diese Fehlerquellen und erhöht damit die Prozessqualität.
Betrugsprävention
Papierbasierte Rezepte können mit vertretbaren Mitteln gefälscht werden, so z. B.:
- Änderung des Inhalts der Verschreibung (Mittel und Mengen)
- unberechtigte Änderung der Zuzahlungsbefreiung
Eine digitale Verschreibung bietet hier diverse Möglichkeiten zur Betrugsprävention, wie etwa Datenverschlüsselung und digitale Zertifikate.
Verlässlichkeit
Die Verlässlichkeit des elektronischen Rezepts ist primär von der jeweiligen Lösungsarchitektur und deren Umsetzung abhängig und damit insbesondere im Kontext der jeweiligen Situation in den einzelnen Gesundheitssystemen unterschiedlicher Länder zu betrachten.
Generell lässt sich sagen, dass über die elektronische Datenverarbeitung ein hoher Grad an Verlässlichkeit erzeugt werden kann, insbesondere da in diesem Fall eine Vielzahl von Medienbrüchen und Prozessschritten vereinfacht werden.
Geschwindigkeit
Das elektronische Rezept bietet eine Vielzahl von Potentialen zur Geschwindigkeitsverbesserung der Prozesse zwischen den Gesundheitspartnern:
- Entfall der Zeit für Papierausdruck und händische Unterschrift
- Möglichkeiten zur direkten, elektronischen Arzneimittelbestellung direkt beim Verschreibungsprozess
- Onlinebestellung mit unmittelbarer elektronischer Zusendung des Rezepts
- Schnellere Abrechnungsprozesse mit den Krankenkassen durch direkte elektronische Belegeinreichung
- Rezeptversand in Minuten anstatt der Mindestlaufzeit eines Posttages
Flexibilität
Aufgrund der hohen Prozessgeschwindigkeit und der elektronischen Abwicklung bieten sich folgende neue Möglichkeiten:
- kurzfristige Aktualisierung von Rezepten
- Rezeptnachbestellung und -zustellung auf dem digitalen Weg möglich
Kosten
- hohe Investitionskosten für Krankenversicherungen, Ärzte, Apotheken und weitere Partner im Gesundheitswesen
- Einsparungen in der Abrechnung mit den Krankenversicherungen
- Entfall von Portokosten für Rezeptanforderung, -versand, und Leistungsabrechnung
- Kosten des Rezeptbetrugs entfallen theoretisch
- Einsparungen durch schlankere Prozesse bei allen beteiligten Partnern
- Kosten für Archivierung der Papierbelege entfallen
Risiken und Kritik
- Missbrauch der gespeicherten Rezeptdaten
- Einzelne Apotheker und Ärzte bemängeln, dass Prozesskosteneinsparungen nur den Krankenkassen zugutekommen (Quelle fehlt)
- generelle Kritik am Trägermedium elektronische Patientenakte
- Intransparenz: Patienten können nicht lesen, was ihnen verschrieben wurde
- Datenschutzbedenken – weiterer Schritt zum gläsernen Patienten
- Zentrale Lösungsansätze bedingen eine ausreichend performante und verlässliche Internetverbindung, die heute nicht flächendeckend gewährleistet werden kann
- In der Praxis werden Fälle nicht vermeidbar sein, in denen nach wie vor auf den Gebrauch von Papier-Rezepten zurückgegriffen werden muss. Solche Fälle sind der Verlust der Karte, die Zerstörung oder Beschädigung der Karte, der Ausfall der Computeranlage beim Arzt oder beim Apotheker, die Notfallsituation oder der Hausbesuch sowie zahlreiche andere Ausnahmesituationen. Diese Notwendigkeit der Papierformulare kann zu mehr Bürokratie führen, allein deswegen, weil zwei Systeme, ein elektronisches und ein herkömmliches, vorgehalten werden müssen.
Situation in Deutschland
Erstellung und Weiterleitung von Datenprofilen mit Hilfe von Informationstechnologien (Netze). Speziell spricht man vom elektronischen (E-Rezept), wenn es sich um die ärztliche Verordnung handelt.
Die bisherigen Verordnungen werden formulargebunden (Muster 16) dem Patienten übergeben und damit ein mehrstufiger Kommunikationsprozess (Arzt-Apotheke-Apothekenrechenzentrum-Krankenkassenrechenzentrum-Krankenkasse) gestartet. Dabei kommt es zwar zu einem Medienbruch (Papier, Datensatz), der aber durch den Zwang zur Digitalisierung der Rezeptdaten (§ 300ff SGB V) und die Kopplung der Zahlungspflicht der Krankenkassen an korrekte Datenlieferungen relativiert wird. Derzeit werden Daten mit einer äußerst geringen Fehlerrate an die gesetzlichen Krankenkassen geliefert, dies wird sich durch das elektronische Rezept nochmals verbessern. Die erwartete Kostenersparnis wird nicht durch das elektronische Rezept, sondern durch die Nutzanwendungen Arzneimitteldokumentation, Notfallausweis und Gesundheitsakte bestimmt.
Zeitmehraufwand durch E-Rezepte
Ein erhebliches Problem des E-Rezepts stellt die elektronische Signatur dar. Mit dieser muss der verschreibende Arzt kenntlich machen, dass das Rezept echt ist. Hierzu ist die Verwendung des elektronischen Arztausweises in Verbindung mit der Eingabe einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) vorgesehen. Der zeitliche Aufwand, für jedes Rezept eine elektronische Signatur vornehmen zu müssen, wird den Praxisalltag erheblich zeitlich belasten. Es ist absehbar, dass sich Schummelmechanismen einschleichen, etwa in der Form, dass der elektronische Arztausweis und die PIN frei verfügbar in der Praxisanmeldung liegen. Solche Praktiken widersprechen dem Gedanken der elektronischen Signatur.
Technisch-organisatorisches Konzept
Das E-Rezept soll mit der elektronischen Gesundheitskarte eingeführt werden, weil dadurch die Anspruchsberechtigung einer Verordnung nachweisbar ist.
Zwei Konzepte werden diskutiert:
- Rezept im netzbasierten Informationsverbund (Serverlösung)
- Rezept auf Gesundheitskarte
Die Verordnungsdaten stellen schutzwürdige Daten dar und sind kryptografisch zu verschlüsseln. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist die digitale Signatur seitens des Arztes notwendig.
Für bestimmte Fälle wird derzeit noch der genaue Umgang mit dem E-Rezept auf der Gesundheitskarte definiert. Wie kann bspw. die Medizin über Dritte aus der Apotheke abgeholt werden, ohne die Gesundheitskarte aus der Hand zu geben?[1] Hier wird ein Kürzel eingeführt, welches das problemlose Abholen durch Dritte ermöglicht.
Nach Plänen des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn von Anfang 2020 sollen Ärzte E-Rezepte ausschließlich mittels einer zentralen E-Rezept-App eingeben können. Die App soll von der Firma gematik entwickelt werden. Patienten sollen dann diese oder eine andere App nutzen können, um ein Rezept, etwa mit dem Smartphone, an eine Apotheke zu übermitteln.[2] Eine solche Standard-App, die bis 2021 entwickelt werden sollte, ist im Entwurf für das Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten (PDSG) vorgesehen.[3]
Siehe auch: CPOE, Unerwünschte Arzneimittelwirkung, Arzneimittelinformationssystem, LOINC
Stand der Umsetzung
Das elektronische Rezept basiert auf dem am 16. August 2019 in Kraft getretenen Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Zum 1. Juli 2021 startete das E-Rezept mit einer Testphase in der Fokusregion Berlin-Brandenburg.[4] Im 4. Quartal 2021 schließt sich die bundesweite Einführung an. Die E-Rezept-App der gematik steht ab dem 1. Juli 2021 im Google Play- bzw. App-Store und der Huawei AppGallery zum Download bereit.[5] Ab 2022 ist die Nutzung des E-Rezepts bundesweit für gesetzlich Versicherte und apothekenpflichtige Arzneimittel verpflichtend. Das E-Rezept wird ausschließlich digital erstellt und signiert. Der Zugang dazu erfolgt über einen DataMatrix-Code, der mit der E-Rezept-App oder als Ausdruck vorgezeigt werden könnte.[6][7] Gematik hat am 16. November 2020 in einem europaweiten Vergabeverfahren zur Einführung des E-Rezepts die IBM Deutschland GmbH mit der Entwicklung und dem Betrieb dieses Fachdienstes für das E-Rezept beauftragt.[8] Zum 1. Januar 2022 sollte der elektronische Rezeptversand (E-Rezept) bundesweit eingeführt werden. Doch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat die Pläne hierfür im Dezember 2021 vorerst gestoppt. Mindestens 30.000 E-Rezepte sollen in der laufenden Testphase abgerechnet werden. Diese Messlatte gab die Gematik am 27. Januar 2022 in einer Pressemitteilung bekannt.[9] An die Testphase schließt sich laut Gematik die flächendeckende Einführung an. Die weitere Planung werden die Gesellschafter mit der Gematik abstimmen.[10]
Situation in Österreich
Am 16. März 2020 gab der Dachverband der Sozialversicherungsträger aufgrund der COVID-19-Pandemie in Österreich vorzeitig Teile des Programmes für E-Rezepte frei, sodass sich Patienten notwendige Medikamente abseits von Corona-Erkrankungen telefonisch beim Arzt verschreiben lassen können und diese dann direkt in der Apotheke mittels E-Card abgeholt werden können. Die chefärztliche Bewilligungspflicht wurde für die meisten Medikamente vorübergehend ausgesetzt.[11] Gleichzeitig sind Arbeitsunfähigkeitsmeldungen nunmehr auch telefonisch möglich.[12] Durch diese Maßnahmen soll der direkte Patientenkontakt auch bei den niedergelassenen Ärzten drastisch reduziert werden.
Literatur
- D. Balthasar: Integration von Versicherten-Daten in telematische Strukturen des Gesundheitssystems unter der Berücksichtigung des Akzeptanzproblems. 2003, ISBN 3-8386-7443-X.
- D. Kraft: Telematik im Gesundheitswesen. (= DuD-Fachbeiträge). Deutscher Universitäts-Verlag, 2003, ISBN 3-8244-2166-6.
- Heike E. Krüger-Brand: Elektronisches Rezept. Im zweiten Anlauf soll es klappen. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 117, Heft 1–2, 6. Januar 2020, S. B 8 – B 12.
Einzelnachweise
- Ein Vorgang dazu ist unter gesundheitskunde.de (Memento vom 16. Dezember 2005 im Internet Archive) beschrieben.
- Jennifer Evans: Makelverbot ja – Monopol für die E-Rezept-App nein. In: pharmazeutische-zeitung.de. 3. Februar 2020, abgerufen am 8. Februar 2020.
- Neues Digital-Gesetz: Zehn Euro für Ärzte pro Patientenakte. In: aerzteblatt.de. 30. Januar 2020, abgerufen am 8. Februar 2020.
- Handy statt rosa Zettel: Was sich durch das neue E-Rezept für Patienten ändert. In: t-online.de. 23. Juni 2021, abgerufen am 30. Juni 2021.
- Testphase: E-Rezept. Abgerufen am 19. Mai 2021.
- Elektronisches Rezept. Abgerufen am 15. Oktober 2021 (deutsch).
- E-Rezept. Abgerufen am 22. November 2020 (deutsch).
- Fachdienst E-Rezept: Auftrag geht an IBM. Abgerufen am 1. Dezember 2020 (deutsch).
- https://www.gematik.de/presse/update-pressemitteilung-gematik-gesellschafter-beschliessen-einstimmig-naechste-schritte-fuers-e-rezept
- https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/131294/Wie-es-mit-dem-E-Rezept-weitergehen-soll
- Philip Pfleger: Coronavirus: Elektronisches Rezept – so funktioniert es – news.ORF.at. In: ORF.at. 17. März 2020, abgerufen am 18. März 2020.
- ÖGK: Leichtere Arzt-Patient-Kommunikation auf ORF vom 13. März 2020, abgerufen am 13. März 2020.