Eisenbahnunfall von Versailles

Der Eisenbahnunfall von Versailles vom 8. Mai 1842 bei Meudon gehört zu den schwersten Katastrophen im Eisenbahnverkehr des 19. Jahrhunderts. Nach einem Achsbruch an der Vorspannlokomotive eines Personenzuges schoben sich die zweite Lokomotive und die folgenden Personenwagen über den geborstenen Kessel und fingen Feuer. Mindestens 50 Menschen starben.

Zugunglück von Versailles
Zeitgenössische Darstellung des Unfalls von A. Provost

Ausgangslage

Die Eisenbahnstrecke von Paris nach Versailles wurde 1840 als erster Abschnitt der Bahnstrecke Paris–Brest der Compagnie du chemin de fer de Paris, Meudon, Sèvres et Versailles eröffnet.

Zu Ehren König Louis-Philippe wurde am 8. Mai 1842 im Garten des Schlosses Versailles ein öffentliches Fest gegeben. Zahlreiche Besucher, auch aus Paris, kamen nach Versailles. In Erwartung des Rückreiseverkehrs hatte die Bahngesellschaft alle ihre Kapazitäten aufgeboten: Der Zug, der um halb sechs vom Bahnhof Versailles Rive Gauche (Versailles – Linkes Ufer) abfahren sollte, wurde aus 17 Wagen gebildet[1], wovon drei Wagen die erste Klasse, die anderen die zweite und dritte Klasse führten. Von letzterer waren zwei Wagen offen. Alle Wagen waren Abteilwagen ohne Verbindung der einzelnen Abteile untereinander und – das war damals Standard – weitestgehend aus Holz gebaut. Insgesamt war der Zug etwa 120 Meter lang und transportierte ungefähr 770 Reisende und Personal.[2] Da die Bahnverwaltungen dem Umgang der Reisenden mit der neuen Technik misstrauten, wurden damals die Türen aller Wagen verschlossen, damit niemand während der Fahrt „aussteigen“ oder herausfallen konnte.

Der Zug verkehrte aufgrund seiner Länge mit Vorspann. An der Zugspitze fuhr eine kleine britische A 1-Lokomotive von Matthieu-Murray, ihr folgte die größere l'Éclair-Lokomotive.[3] Der Zug erreichte bei Meudon eine Geschwindigkeit von etwa 40 km/h.

Unfallhergang

Unmittelbar nach dem Passieren der Straße Pavé des Gardes, die – damals noch vor Meudon (sie liegt heute innerhalb der Stadt) – die Eisenbahnlinie kreuzt, erlitt die führende Lokomotive einen Bruch einer Achswelle, entgleiste und rutschte in einen Graben. Der Tender schob sich auf, ebenso die folgende zweite Lokomotive, die umstürzte. Über die beiden Lokomotiven schoben sich dann die drei folgenden Personenwagen, zwei weitere schoben sich ineinander. Der Kessel der Lokomotive explodierte und entzündete sowohl den verteilten Koks aus den Schlepptendern der beiden Lokomotiven als auch die darüber- und hineingeschobenen Wagen. Das Feuer verbreitete sich aufgrund der Holzbauweise der Wagen schnell. Wegen der verschlossenen Wagentüren konnten sich viele Reisende nicht befreien und verbrannten.

Folgen

Unmittelbare Folgen

Mindestens 50 Menschen starben. Die genaue Zahl der Toten konnte nie ermittelt werden, da die Zuordnung der zerrissenen und verkohlten Körperteile aufgrund der großen Hitze schwierig war. Viele Opfer waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Über 100 weitere Reisende wurden verletzt. Andere Quellen beschreiben das Unglück als deutlich schwerer, mit bis zu über 200 Toten.[4]

Admiral Dumont d’Urville

Die Zuordnung der Leiche des Admirals Jules Dumont d’Urville, eines bekannten Entdeckungsreisenden, gelang nur durch ein paar Kleidungsdetails sowie einen Vergleich mit einem Schädelabdruck, den ein Arzt aus Interesse für Phrenologie von ihm einmal angefertigt hatte. Diese Identifizierung gilt als eine der ersten durch Methoden der modernen Rechtsmedizin.

Zum Gedenken an die Toten wurde an der Unfallstelle eine Kapelle errichtet.

Technische Untersuchung

Die technische Untersuchung des Unfalls wurde von William John Macquorn Rankine durchgeführt, der Haarrisse in der gebrochenen Achse entdeckte, die diese insgesamt durchzogen. Ein solcher Defekt ist heute als Schwingbruch, eine Form der Materialermüdung, bekannt. Aufgrund des optischen Eindrucks von der Bruchstelle lautete die damalige Erklärung „Rekristallisationsvorgänge im Metall“. Letztlich dauerte es mehrere Jahre, bis Rankines Untersuchungsergebnis in vollem Umfang anerkannt wurde.[5]

Achsbrüche waren in den ersten 50 Jahren des Eisenbahnbetriebs nicht ungewöhnlich. Erst August Wöhler entwickelte in den 1870er Jahren in langwierigen Testreihen das Konzept der Betriebs- und Dauerfestigkeit, mit dem die Materialermüdung berechenbar wurde. Dadurch ließen sich Dauerbrüche vermeiden.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Smith: Fatigue; Louis Armand: Histoire des chemins de fer en France. 1963, S. 42.
  2. Seguin: Du pont de Tournon.
  3. Seguin: Du pont de Tournon; Smith: Fatigue.
  4. Pierre Mercier: L’opinion publique après le déraillement de Meudon en 1842. In: Fédération des sociétés historiques et archéologiques de Paris et Ile-de-France (Hrsg.): Paris et Ile-de-France – Mémoires Bd. 44 (1993).
  5. Smith: Fatigue.

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