Ein Heller und ein Batzen
Ein Heller und ein Batzen ist ein deutsches Gedicht von Albert von Schlippenbach (1800–1886) aus den 1820er Jahren. Mit verschiedenen Melodien war es als Studentenlied und soldatisches Marschlied weit verbreitet. Im Zweiten Weltkrieg wurde es in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten als Ausdruck von nationalsozialistischer Hybris wahrgenommen.[1]
Entstehung und Text
Franz Kugler (1808–1858) veröffentlichte als Student in Berlin 1830 sein Skizzenbuch, das auch Lieder enthielt. Darin findet sich der Erstdruck von Schlippenbachs Gedicht mit einer Komposition von Kugler für Bass und Klavier.[2] Schlippenbach war damals Rechtsreferendar in Berlin. Das Gedicht hatte er vermutlich als Student verfasst. Das lyrische Ich ist ein junger Mann auf Wanderschaft. Die alten Münzen Heller und Batzen geben der Szene ein romantisch-altdeutsches Kolorit. Der Sänger beschreibt sich mit Selbstironie als arm, aber trinkfreudig, gefürchtet von den Wirten, aber geliebt von den Mädchen:
Wanderlied[3]
Mel. Stand ich auf hohem Berge.
Ein Heller und ein Batzen
War’n allzweibeide mein;
Der Heller ward zu Wasser,
Der Batzen ward zu Wein.
Die Mädel und die Wirthsleut’,
Die rufen beid’: o weh!
Die Wirthsleut’, wenn ich komme,
Die Mädel, wenn ich geh’.
Mein’ Stiefel sind zerrissen,
Mein’ Schuh’, die sind entzwei,
Und draußen auf der Haiden,
Da singt der Vogel frei!
Und gäb’s kein’ Landstraß’ nirgend,
Da säß’ ich still zu Haus;
Und gäb’s kein Loch im Fasse,
Da tränk’ ich gar nicht draus!
Albert Graf Schlippenbach.
Eine fünfte Strophe, die nur in neueren Ausgaben und auch dort manchmal in Klammern abgedruckt ist, spiegelt den Wandel des Liedes zum reinen Trinklied:
War das ’ne große Freude,
als mich/ihn der Herrgott schuf,
ein Kerl wie Samt und Seide,
nur schade, dass er suff.
Rezeption und Melodien
Der Schlippenbachsche Text fand rasch Verbreitung, nicht jedoch die Kuglersche Melodie mit ihrem Tonumfang von einer Tredezime, ihren anspruchsvollen Melismen und ihrem Moll-Charakter. Im Jahrbuch des Nützlichen und Unterhaltenden von 1835[3] wird dem Lied eine damals bekannte Volksmelodie zugewiesen.[4]
Gottfried Wilhelm Fink ordnete dem Text 1843 unter der Überschrift Der lustige Bruder eine Melodie zu, die er als eigene Komposition kennzeichnete.[5] Mit dieser Melodie wird noch heute die schwedische Übersetzung En slant och en riksdaler gesungen.[6]
In Franz Magnus Böhmes Volksthümliche Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert hat das Lied unter der Überschrift Leichter Wanderer eine Melodie, die Böhme „Neue Weise um 1855“ und „die jetzt [1895] allgemein in Studentenliederbücher aufgenommene“ nennt.[7] Tatsächlich findet sie sich im Allgemeinen Deutschen Kommersbuch noch Anfang des 20. Jahrhunderts, dort mit der Angabe „um 1885“.[8]
Die Melodie, mit der Ein Heller und ein Batzen heute ausschließlich gesungen wird, taucht erst im 20. Jahrhundert auf und wurde durch die Wandervogel-Bewegung populär.[9][10] Sie wird vielfach als ostpreußisch bezeichnet. In der älteren Fassung fehlen noch die übermäßigen Punktierungen in der zweiten und vierten Zeile und der „Heidi-heido-heida“-Refrain.[11]
Die „Endfassung“ mit dem übermütigen Refrain, die von deutschen Soldaten zur Selbstaufheiterung beim Marschieren gesungen wurde und die nach dem Krieg u. a. durch Heino neue Popularität bekam, findet sich z. B. in Franz Josef Breuers Neuem Soldaten-Liederbuch (Mainz 1938).[12]
Weblinks
- Ein Heller und ein Batzen (lieder-archiv.de)
- Ein Heller und ein Batzen (deutschland-lese.de)
Einzelnachweise
- einseignants.lumni.fr: „Aussi innocente que nos Cadet Roussel et autres Sur le pont d'Avignon, sans changer le moindre mot de ses paroles, Ein Helerr und ein Batzen va devenir le symbole des triomphes nazis. L'Europe toute entière va trembler en entendant ce chant joyeux qui accompagne invasions et parades comme une sorte d'indicatif de la terreur.“ („So unschuldig wie unser Cadet Roussel oder Sur le pont d’Avignon, wird Ein Heller und ein Batzen, ohne Veränderung eines einzigen Wortes, zum Symbol der Nazi-Triumphe. Ganz Europa zittert beim Hören dieses fröhlichen Liedes, das Invasionen und Paraden begleitet wie eine Ansage des Schreckens.“)
- Wanderlied in Franz Kuglers Skizzenbuch, Berlin 1830
- Text hier nach: Friedrich Wilhelm Gubitz (Hrsg.): Jahrbuch des Nützlichen und Unterhaltenden, Berlin/Königsberg i. d. Neumark 1835, S. 165
- Die Melodie bei Ludwig Erk 1843
- Gottfried Wilhelm Fink: Musikalischer Hausschatz der Deutschen: eine Sammlung von 1000 Liedern und Gesängen. Leipzig 1843, S. 24
- YouTube-Video. Die im Internet gelegentlich auftauchende Angabe, das schwedische Lied sei das Original und stamme „vermutlich aus dem 17. Jahrhundert“, geht auf eine unbelegte Behauptung des Anacreon-Verlags zurück (1).
- S. 389–390
- Nr. 257
- Heinz Rölleke (Hrsg.): Das Volksliederbuch. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1993, ISBN 3-462-02294-6, S. 314.
- Theo Mang, Sunhilt Mang (Hrsg.): Der Liederquell. Noetzel, Wilhelmshaven 2007, ISBN 978-3-7959-0850-8, S. 513–514.
- vgl. deutschland-lese.de
- Das neue Soldaten-Liederbuch. Die bekanntesten und meistgesungenen Lieder unserer Wehrmacht. Mainz (Schott) 1938, S. 33 (Digitalisat).