Edmund Kretschmer
Carl Franz Edmund Kretschmer (* 31. August 1830 in Ostritz, Lausitz; † 13. September 1908 in Dresden) war ein deutscher Organist und Komponist.
Leben
Der Vater, Franz Kretschmer, Rektor der Stadtschule in Ostritz, war selbst ein begabter Musiker. Seinen ersten Unterricht erhielt Edmund naturgemäß vom Vater, der ihn baldmöglichst bei den von ihm veranstalteten Aufführungen als Violinist und wegen seiner klangvollen Altstimme auch als Chor- und Solosänger einsetzte. Ab 1846 studierte er in Dresden Kompositionslehre bei Ernst Julius Otto und bei dem „Orgelkönig“ Johann Gottlieb Schneider d. J. das Orgelspiel. Er arbeitete erst als Lehrer, bevor er 1854 Organist der Katholischen Hofkirche wurde.
Schon in jungen Jahren hatte er das Glück, von namhaften Künstlern und Künstlerinnen gefördert zu werden, wie Anton Mitterwurzer oder Nina und Henriette Sontag. Zunächst war er als Lehrer tätig. Unter Richard Wagner sang er 1849 in einer Aufführung der 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven.[1] 1854 wurde er zum Hifsorganisten und 1863 zum Hoforganisten an der katholischen Hofkirche in Dresden ernannt. 1872 übernahm er hier die Leitung der „Königlichen Kapellknaben“ und 1880 das Amt des Chordirigenten. König Albert von Sachsen zeichnete ihn mit mehreren Orden aus und verlieh ihm den Titel eines „Hofkirchenkomponisten“ und eines Professors. Er war zudem Ehrenliedermeister bzw. Ehrendirigent der Gesangvereine „Erato“ und „Philharmonie“ in Dresden, Ehrenmitglied der Gesangvereine in Königsberg, Reichenberg, Schluckenau, Gablonz, Warnsdorf, Schönlinde und Leipzig, die er teilweise selbst gründete, sowie des deutschen Gesangvereins in Hoboken. Seine Schaffenszeit fällt unter die Zeitspanne der Direktionen von sechs Hofkapellmeistern an der Dresdener Oper, nämlich Carl Gottlieb Reißiger, Karl August Krebs, Julius Rietz, Franz Wüllner, Ernst von Schuch und Adolph Hagen (1883–1913). Außerdem unterrichtete er zahlreiche Schüler und Schülerinnen, von denen einige[2] über Deutschland hinaus bekannt wurden.
Kretschmer komponierte Lieder – darunter insbesondere auch Kinderlieder –, Hymnen, Motetten, Orchestermärsche, Gesangsquartette, Stücke für Männerchor und Orchester, vier Messen und Offertorien sowie vier Opern. 1865 wurde seine Komposition Die Geisterschlacht für Männerchor und Orchester, nach einer Dichtung von Hermann Waldow, beim ersten deutschen Sängerbundfest in Dresden uraufgeführt und mit einem Preis ausgezeichnet; 1868 erhielt er bei einem internationalen Wettbewerb in Brüssel den ersten Preis für eine Messe. In der Folge entstand seine erste Oper Die Folkunger mit Text von Salomon Hermann Mosenthal, die am 21. März 1874 an der Hofoper Dresden in Anwesenheit des Königs unter großem Beifall uraufgeführt wurde. Ebenso positiv wurden auch seine zweite Oper, Heinrich der Löwe, für die er auch den Text geschrieben hatte, uraufgeführt am 8. Dezember 1877 in Leipzig, sowie die dritte, Der Flüchtling, 1880 beendet, uraufgeführt am 1. April 1881 in Ulm, aufgenommen.
Edmund Kretschmer war mit der Sängerin Jenny Schröter, Tochter eines Kammermusikers und Schülerin von Wilhelmine Schröder-Devrient, verheiratet. Für sie komponierte er sein Frühlingslied (Opus 3). Er starb 1908 als Hofrat, sein Grab befindet sich auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden. Noch zu Lebzeiten wurde er Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Ostritz, in der heute eine Straße seinen Namen trägt.
Werke
- Die Folkunger, Oper in 5 Akten; Text: Salomon Hermann Mosenthal; Uraufführung am 21. März 1874 an der Hofoper Dresden. Klavier-Auszug: Kistner, Leipzig 1876; Das Vorspiel, Der Eriksgang und Krönungsmarsch, Vorspiele zum 3. und 4. Akt, Partitur: Kistner, Leipzig 1876
- Heinrich der Löwe, Oper in 4 Akten; Text: Edmund Kretschmer; 8. Dezember 1877 in Leipzig. Vollständiger Klavier-Auszug: Kistner, Leipzig 1877; Vorspiel und Triumphmarsch für grosses Orchester: Partitur, Kistner, Leipzig 1877
- Der Flüchtling, Oper in 3 Akten; Text: Anna Löhn; begonnen 1870, vollendet 1880; Uraufführung 1. April 1881 in Ulm
- Schön Rotraut, Komische Oper in 4 Akten; Text: Johanna Baltz; Uraufführung 1887 in Dresden
- op. 1 − Drei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (1890): Was kümmerts mich (Text: Friedrich Oser), Dein Auge, Diebstahl (Text: Robert Reinick)
- op. 2: − Drei Lieder: Winterabend (Text: Heinrich Heine), Ich möcht’ auf’s Herz die Hand dir legen, Du siehst mich an und kennst mich nicht (Text: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)
- op. 3 − Frühlingslied, Lied für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (1870)
- op. 4 − Die Geisterschlacht, Text: Hermann Waldow; in Musik gesetzt für Männergesang und Orchester (1865)
- op. 7 – Wenn ich dir in die Augen seh’ (Text: Heinrich Heine); zwei Lieder
- op. 8 − Du bist wie eine stille Sternennacht, Lied für eine Singstimme mit Begleitung des Piano-Forte (1880)
- op. 9 – Novelletten, 4 Klavierstücke (1868)
- op. 10 – Der Himmel hat eine Thräne geweint, Lied für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (ersch. 1868)
- op. 11 – Gebt mir vom Becher nur den Schaum, Lied für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (ersch. 1870)
- op. 12 – Die Pilgerfahrt nach dem gelobten Lande, für Männerchor, Solostimmen und Orchester (Bote und Bock, 1869)
- op. 14 – Nachts am See (Text: Edmund Kretschmer): Lied für eine tiefe Stimme mit Begleitung des Pianoforte (1870)
- op. 15 – Veni Creator Spiritus, Text: Hans Huber, Justorum Animae, Alma Redemptoris Mater, Pange Lingua, Vier Hymnen für vierstimmigen gemischten Chor
- op. 16 – Was die Mutter spricht, Text: Edmund Kretschmer
- op. 17 – Laudate Dominum, Oster-Motette, zwei Motetten: für achtstimmigen gemischten Chor (1876)
- op. 18 – 4 Hymnen für gemischten Chor (1870)
- op. 19 – Ich fahr allein im leichten Kahne, Am Bache (Text: B. Eduard Schulz, pseud. E. Ferrand), Lied der Nacht (Text: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben), Jedes Blümlein, dass ich finde (Text: Carl Laue) vier Lieder
- op. 20 – Ave Maria: Lied für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte oder des Harmonium oder der Orgel (1875)
- op. 22 – Messe vocale N°. 3, avec accomp. d’orgue oblige. Partitur und Stimmen: Schott, Paris
- op. 23 – Missa in honorem Sancti Francisci Seraphici, ad quatuor voces inaequales, organe comitante ad libitum. Schott, Bruxelles (1878?)
- op. 24 – Liebe im Kleinen, Text: Friedrich Rückert
- op. 25 – Nachtgesang (Text: Emanuel Geibel), Draussen im Wald", "In grüner Welt, Ruhe, drei Gesänge für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (1877)
- op. 26 – Musikalische Dorfgeschichten für Orchester in 6 Sätzen: Morgengruß, Rosmarin am Wege, Auf der Wiese, Am Weiher, Buntes Treiben, Abendruhe. Partitur: Ries, Dresden
- op. 27 – Festgesang
- op. 28 – Melodie, Concertstück für Orchester. Partitur: Kistner, Leipzig 1880
- op. (?) – Messe in As-dur; aufgeführt am 30. Juli 1881 in der Dresdener Hofkirche
- op. 31 – Huldigungsmarsch für Orchester. Partitur: Kistner, Leipzig 1881
- op. 32 – Dramatisches Tongedicht in g-Moll, für großes Orchester (1882). Partitur: Kistner, Leipzig.
- op. 33 – Quatuor antiphonae Beatae Maria Virginis ad 4 et 5 voces
- op. 34 – Veilchenlied, Text: Johanna Baltz, Die schönen Augen der Frühlingsnacht, Text: Heinrich Heine, Lied aus Sevilla, Text: Günther Walling (1839–1896), Mainacht, Text: Julius Karl Reinhold Sturm, Schlummerlied, fünf Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (1885)
- op. 38 – Vier Männerchöre
- op. 39 – Dem Kaiser, Festmarsch für grosses Orchester.Orchesterpartitur: . Forberg, Leipzig, um 1875
- op. 40 – Sextett in vier Sätzen für Flöte, 2 Violinen, Viola, Violoncello und Contrabass (1888)
- op. 43 – Zwölf fugierte Präludien für die Orgel (ersch. 1892)
- op. 44 – Fabrice-Marsch, feierlicher Marsch für grosses Orchester. Partitur: Breitkopf & Hartel, Leipzig 1894
- op. 45 – Fünf Chöre für Männergesang: Rot-Grün-Gold, Am Rhein, Die graue Schänke, In der Lenznacht, Die Sterne
- op. 50 – Missa a 8 voci in c-Moll, für gemischten Chor a cappella (1896)
- op. 54 – Hochzeitsmusik, Suite in 3 Sätzen für Orchester: Festzug, Brautgruss, Reigen. Orchesterpartitur: Forberg, Leipzig 1896
- op. 62 – Ländlicher Tanz, Liebe und trübe Gedanken, für Orchester
- op. 64 – Jugendzeit, goldne Zeit!, für Klavier, 1903
- op. 65 – Andante gracioso für Klavier
- Sieg im Gesang, Dichtung in 6 Scenen für Männerchor, Solostimmen und Orchester. Text: Edmund Kretschmer. Klavierauszug: Kistner, Leipzig
- Orpheus in der Kinderstube, 50 Scherz- und Gelegenheitslieder für Singstimme und Klavier, erschienen 1865
- Lebens-Frühling, 8 Kinderlieder für Singstimme und Klavier, 1870
- Laudate Dominum in hymnis, Messe (Avec accomp. d’orgue). Schott, Paris 1868 (Concours international de musique religieuse)
Literatur (Auswahl)
- Adolph Kohut: Das Dresdner Hoftheater in der Gegenwart. E. Pierson’s Verlag. Dresden & Leipzig 1888, S. 486 ff., (Digitalisat).
- Otto Schmid: Edmund Kretschmer. Sein Leben, Schaffen und Wirken. Hönsch & Tiesler, Dresden 1890.
- Adolf Kohut: Edmund Kretschmer. Ein Gedenkblatt zu seinem 70. Geburtstage, in: Deutscher Hausschatz, 26. Jahrgang, 1899/1900, S. 855–856. Mit Foto.
- S. G. Mosenthal, Edmund Kretschmer: Die Folkunger. Große Oper in vier Akten. Musik von Edmund Kretschmer. Für das Königl. Hoftheater in Dresden gedruckt. Kistner, Leipzig (1910).
- Catalogue of the Alan A. Brown Collection of Music in the Public Library of the City of Boston. Published by the Trustees, Boston 1912.
- Michael Heinemann: Was Messen auszeichnet. Edmund Kretschmers Beitrag zu einem Preisausschreiben für Kirchenmusik. In: Die Dresdner Kirchenmusik im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Matthias Herrmann, Laaber 1998, S. 171–180 (Musik in Dresden 3), ISBN 3-89007-331-X.
Weblinks
- Siegfried Raschke: Kretschmer, Edmund Carl Franz. In: Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (Hrsg.): Sächsische Biografie.
- Edmund Kretschmer Bilder in der Sammlung Manskopf der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
- https://www.klassika.info/history/2017-11-25.html
- Werke von und über Edmund Kretschmer in der Deutschen Digitalen Bibliothek
Einzelnachweise
- Edmund Kretschmer. Kotte Autographs, abgerufen am 5. März 2020.
- u. a. der Musikwissenschaftler Anton Franz Schmid (1787–1857)