Diffraktogramm
Ein Diffraktogramm (aus lat. Diffraktion: »Beugung« und griech. ...grámma: »Geschriebenes«, »Buchstabe«) ist die graphische Aufzeichnung eines Beugungsexperiments, beispielsweise eines mit Elektronen-, Neutronen- oder Röntgenbeugung.
Aufbau
In einem (eindimensionalen) Diffraktogramm werden die gemessenen Strahlungsintensitäten gegen den Winkel zwischen Strahlungsquelle, Probe und Detektor (2θ-Winkel) aufgetragen.
Für Aufnahmen einer polykristallinen Probe mit einem Pulverdiffraktometer wird in der Regel monochromatische Cu-Kα-Strahlung verwendet. Während der Messung wird der vorgegebene Winkelbereich, meist für 2θ = 10° - 90°, in definierten Schritten abgefahren. Wegen der rein zufälligen Orientierung der einzelnen Kristalle in der Probe, erfüllen genügend Kristalle unter einem bestimmten Bragg-Winkel θ die Bragg-Gleichung, d. h. die Röntgenstrahlung wird an einer bestimmten Gitterebene im Kristallgitter reflektiert und der Reflex kann als Peak im Diffraktogramm beobachtet werden. Die Intensität der Reflexe ist primär von den Atomen auf der Gitterebene abhängig. Die Intensität kann jedoch auch durch destruktive Interferenzen mit Wellen geschwächt werden, die an anderen Gitterebenen gestreut wurden. Die Intensitäten können auch aufgrund von Textureffekten variieren, falls die einzelnen Kristalle innerhalb der Probe eine Vorzugsorientierungen aufweisen, zum Beispiel bedingt durch einen nadeligen Kristallhabitus.
Während bei einfachen und hochsymmetrischen Verbindungen, wie im Beispiel des rechts dargestellten Diffraktogramms des kubischen Natriumbromids (NaBr), relativ wenig Reflexe beobachtbar sind, weisen kompliziertere Verbindungen mit niedrigerer Symmetrie (triklin oder monoklin) eine deutlich größere Anzahl an Reflexen auf (siehe Beispiel weiter unten).
Jede kristalline Verbindung weist anhand der Lage und Intensität der Reflexe ein charakteristisches Diffraktogramm auf und kann dadurch eindeutig identifiziert werden. Neben gemessenen Diffraktogrammen können diese auch simuliert werden, sofern Daten zu den Gitterparametern und Atomlagen der Verbindung aus Messungen von Einkristallen (Kristallstrukturanalyse) vorliegen.
Intensitätenverteilung bei Röntgen-Pulverdiffraktogrammen und bei Neutronenbeugung
In einem Röntgen-Pulverdiffraktogramm ist eine Intensitätsabnahme der Reflexe hin zu größeren Beugungswinkeln zu beobachten. Dies liegt daran, dass die Atomformfaktoren bei größeren Beugungswinkel kleiner werden und daher ist auch ihr Anteil an der Gesamtintensität bei größeren Winkeln geringer.[1] Diese Intensitätsabnahme tritt bei Neutronenbeugung nicht auf, da die Atomformfaktoren durch die Streulängen (b-Werte) der Atomkerne ersetzt werden. Diese sind wegen der geringen Ausdehnung der Atomkerne nahezu konstant und um einen Mittelwert verteilt.
Geometrie
Ein Empfänger, der sich entlang einer Linie bewegt, erzeugt ein eindimensionales Beugungsdiagramm. Ein zweidimensionaler Empfänger, typischerweise eine Photoplatte, bildet die Beugungsmaxima als Kreise ab. Zeigen die Pulver eine Vorzugsorientierung, treten einzelne Beugungspunkte hervor. Ein Einkristall erzeugt ausschließlich diskrete Beugungspunkte.
Anwendung von Röntgen-Pulverdiffraktogrammen
Die Erstellung und Auswertung von Diffraktogrammen findet außer in der Kristallographie heute auch auf vielen anderen Gebieten, wie zum Beispiel der Festkörperchemie und Festkörperphysik oder den Materialwissenschaften, und zu unterschiedlichen Zwecken Anwendung.
Präparation
Kristalline Pulver werden zur Aufnahme eines Röntgenpulverdiffraktogramms in der Regel zwischen zwei Klebestreifen (die keine Reflexe verursachen) etwa fingernageldick präpariert. Eingespannt in einen Probenträger wird die Probe dann im Diffraktometer untersucht. Auch die Nutzung von Glas-Kapillaren anstelle von Klebestreifen ist möglich und ermöglicht in der Regel bessere Diffraktogramme.
Probleme und Lösungen
Bei der Röntgenpulverbeugung können verschiedene Präparations- und Messschwierigkeiten auftreten.
Partikelgröße und Lagestatistik
Alleine aufgrund der Lagestatistik (nach Smith (1992)) sind in einer phasenreinen Probe von Kristalliten mit 1 μm Korndurchmesser ca. 38.000 Kristallite in Reflexionsstellung. Verzehnfacht sich der Korndurchmesser – ist der mittlere Korndurchmesser somit 10 μm – sind lediglich 760 Kristallite in Reflexionsstellung. Die gemessenen Intensitäten sind somit stark von der Partikelstatistik bestimmt, sie variieren weiterhin stark bei Textureffekten (z. B. bei Plättchen oder Nadeln), die sich auch durch sorgfältige Präparation nicht immer vermeiden lassen.[2]
Für eine optimale Präparation sollte die Probe einen Korndurchmesser von 1–10 μm aufweisen. Sind die Kristallite zur Messung dieser Probe zu groß, wird keine kontinuierliche Linie aufgenommen, sondern eine Schar von Einzelpunkten. Bemerkbar machen sich zu große Kristalle allerdings bereits durch unregelmäßige Reflexe. Bei zu kleinen Kristalliten tritt eine Signalverbreiterung auf, besteht eine Probe aus Nanoteilchen ist diese in der Regel röntgenamorph.[2]
Sind die Kristallite zu groß, müssen sie zerkleinert werden, was durch Mörsern oder Mahlen geschehen kann. Problematisch kann dieser Vorgang durch den angewandten Druck und die Erhöhung der Temperatur werden, da es dadurch zu Phasenumwandlungen oder chemischen Reaktionen kommen kann. Dies kann z. B. durch Kühlung mit Flüssigem Stickstoff vermieden werden, ein weiterer Vorteil bei dieser Methode ist das Erhöhen der Sprödigkeit durch die Kälte. Der Einfachheit halber kann auch ein leicht verdampfendes Lösungsmittel gewählt werden, das nicht mit der Probe reagiert.[2]
Textureffekte
Zu Textureffekten kommt es durch eine Vorzugsorientierung der kristallinen Teilchen. Wenn die Kristallite in einer Pulverprobe anisotrop sind, also z. B. platten- oder nadelartige Formen haben, kann es sehr schwierig sein, sie dazu zu bringen, eine, für die Diffraktometrie wichtige, zufällige Orientierungen anzunehmen. So liegen z. B. nadelförmige Kristallite nicht zufällig verteilt, sondern in einer bevorzugten Ausrichtung (Vorzugsorientierung), vor. Nadelförmige Kristallite werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Seite legen und einen Kristalliten senkrecht auf den anderen stehend vorzufinden ist unwahrscheinlich (wie beim Fallenlassen von Mikadostäbchen). Textureffekte sind ein großes Problem der qualitativen und quantitativen Phasenanalyse. Eine Rotation der Probe im Röntgendiffraktometer verbessert nur die Partikelstatistik, Vorzugsorientierungen können durch das Oszillieren der Probe in eine zusätzliche Raumrichtung (engl. wobbled scan) reduziert werden.[3]
Textur führt zu stark verminderten Reflexintensitäten oder fehlenden Reflexen im Vergleich zu einem berechneten Pulverdiffraktogramm.[3]
Bei Glimmern sind z. B. die 00l-Reflexe um den Faktor 5–10 gegenüber den anderen Reflexen verstärkt. Erwünscht ist dieser Effekt hier nur, weil dies zur Analyse von Tonmineralen benutzt werden kann, daher wird der Textureffekt hier bei der Präparation absichtlich noch verstärkt.[4]
Untergrund
Der Untergrund eines Röntgenpulverdiffraktogramms seinerseits ist unter anderem stark abhängig von der Güte der Strahlungsquelle: Je weniger fremde Wellenlängenanteile in der monochromatischen Strahlung sind, desto niedriger ist der Untergrund. Bestenfalls sollte somit mit Synchrotronstrahlung gemessen werden, wenigstens aber mit einer hochwertigen Röntgenröhre unter Zuhilfenahme eines Monochromatorkristall (z. B. Germanium(111)). Auch Gaspartikel im Strahlengang erhöhen die Untergrundanteile in den Pulverdaten, Evakuieren ist daher angeraten. Auch der Probenträger (die Blende) sorgt für Untergrund; Blenden aus z. B. Quarz haben einen sehr niedrigen Untergrund. Zu guter Letzt muss hier die Compton-Streuung erwähnt werden. Durch unelastische Streuung der Strahlung an der Probe kann sich die Wellenlänge der Strahlung vergrößern, dieser Effekt tritt vor allem auf, wenn Fluoreszenz möglich ist (z. B. für Eisen-Atome, wenn CuKα-Strahlung verwendet wird).[2]
Asymmetrische Reflexe
Zu asymmetrischen Reflexen kann es durch axiale Divergenz oder Transparenz der Probe kommen. Die axialie Divergenz lässt sich durch die Verwendung von sog. Soller slits (eine spezielle Blende aus gestapelten Lamellen) verhindern, eine Verminderung der Probentransparenz kann durch unterschiedliche Präparationen erreicht werden.[2][3]
Auswertung
Kristallinität, Partikelgröße und Stress
Mit Hilfe eines Diffraktogramms kann eine Aussage zur Kristallinität einer Probe getroffen werden. Eine hohe Produktkristallinität spiegelt sich in einem guten Signal-Rausch-Verhältnis und einer geringen Halbwertsbreite der Reflexe wieder. Schlecht kristallisierte Proben zeigen im Diffraktogramm stark verbreiterte Reflexe und einen sehr unruhigen Verlauf der Kurve. Verbreiterte Reflexe können auch durch eine kleine Partikelgröße (z. B. durch starkes Mörsern der Probe) oder Gitterverspannungen auftreten. Gitterverspannungen, also unterschiedliche d-Werte, führen zu unterschiedlichen Reflexlagen (welche nicht aufgelöst werden können) und damit zu breiteren Reflexen. Wirkt Stress auf den Kristall, so verschieben sich die Reflexe je nach Art des Stress' zu höheren oder kleineren Beugungswinkeln, weil die Elementarzelle größer oder kleiner wird.
Phasenreinheit
Anhand eines Diffraktogramms lässt sich auch die Phasenreinheit eines kristallinen Pulvers untersuchen, d. h. ob die Probe nur aus einer kristallinen (phasenrein) oder mehreren (mehrphasig) Verbindungen besteht. In phasenreinen Pulvern können alle Reflexe beobachtet und der Verbindung zugeordnet werden, in mehrphasigen lassen sich zumindest ein Teil der Reflexe eindeutig einer Verbindung zuordnen, manche Reflexe verschiedener Verbindungen können sich auch überlagern. Die Überprüfung der Phasenreinheit erfolgt in der Praxis meist durch Gegenüberstellung eines gemessenen und eines berechneten Pulverdiffraktogramms (siehe Beispiel rechts). Im Vergleich zum berechneten Pulverdiffraktogramm dürfen nie mehr als die erwarteten Reflexe vorhanden sein, damit eine Probe als phasenrein betrachtet werden kann, es können aber weniger sein (Textureffekt).
Zusätzliche, nicht erlaubte Reflexe können durch verschiedene Methoden, wie z. B. der Suche mit der SearchMatch-Funktion von WinXPOW oder der Vergleich mit den Pulverdaten der Edukte des Produktes identifiziert werden.
Bei phasenreinen, kristallinen Produkten, bei denen keine Einkristallstrukturanalyse möglich ist, besteht die Möglichkeit die Zellparameter und die Raumgruppe mittels Indizierung aus den Röntgenpulverdaten zu ermitteln. Dies kann z. B. mit dem Programm Topas Academic geschehen.
Gitterparameter
Anhand der Lage der Reflexe können nach der Bragg-Gleichung die Netzebenenabstände der in der Probe enthaltenen Kristalle und somit die verschiedenen kristallinen Phasen, denen sie angehören, bestimmt werden. Zumindest bei einfachen hochsymmetrischen Verbindungen können aus dem Diffraktogramm so auch die Gitterparameter der Elementarzelle der Kristallstruktur bestimmt werden. Mit Hilfe der Rietveld-Methode können im Idealfall auch die einzelnen Atomlagen bestimmt werden, obwohl im Experiment die Beugungsintensität weniger Atomlagen für eine Messung zu gering ist.
Literatur
- R. Allmann (1994): Röntgen-Pulver-Diffraktometrie, Verlag Sven von Loga, ISBN 3-87361-029-9
- L. Smart, E. Moore (1995): Einführung in die Festkörperchemie, Vieweg Verlag, Braunschweig, ISBN 3-528-06773-X
- A. R. West (2000): Grundlagen der Festkörperchemie. Wiley-VCH, Weinheim, ISBN 3527281037
Einzelnachweise
- Massa, Werner: Kristallstrukturbestimmung. 4. Auflage. Teubner, Wiesbaden 2005, ISBN 978-3-8351-0113-5, S. 48 f.
- Allmann, Rudolf: Röntgen-Pulverdiffraktometrie : Rechnergestützte Auswertung, Phasenanalyse und Strukturbestimmung. 2., korrigierte und erweiterte Auflage. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2003, ISBN 978-3-540-43967-7.
- Detlef Beckers: QPA instrumentation, sample and validation aspects. PANalytical B.V., 2015, abgerufen am 14. September 2018 (englisch).
- Allmann, Rudolf: Röntgenpulverdiffraktometrie : rechnergestützte Auswertung, Phasenanalyse und Strukturbestimmung. 2., korrigierte und erw. Auflage. Springer, Berlin 2003, ISBN 3-540-43967-6.