Die Kolonie der unerfüllten Träume

Die Kolonie d​er unerfüllten Träume i​st ein Roman v​on Wayne Johnston, d​er 1998 u​nter dem englischen Titel The Colony o​f Unrequited Dreams b​ei Alfred A. Knopf i​n Toronto erschien.

In dieser Neufundland-Saga g​eht es u​m die Einwohner Neufundlands. Neufundland w​ar bis z​um 31. März 1949 Kolonie d​es Britischen Empires. Erzählt w​ird die Geschichte d​er unglücklichen Liebe zwischen Joe u​nd der Fielding. Joey Smallwood (1900–1991) w​ar der e​rste Premierminister d​er kanadischen Provinz Neufundland u​nd Labrador. Die Handlung dieses Jahrhundertromans umfasst d​en Zeitraum v​on dessen Kindheit b​is in s​ein hohes Alter, genauer b​is zum 17. März 1989.

Handlung

Auf dem Bishop Feild College in St. John’s

Joe Smallwood, Sohn e​ines Trunkenbolds, d​arf das Bishop Feild College i​n St. John’s besuchen. Er vermutet, d​ass er d​as seinem Großvater, d​em Schuhmacher, z​u verdanken hat. Joe arbeitet s​ich in seiner Schulklasse v​om zweitschlechtesten Schüler z​um zweitbesten empor. Doch e​r kann d​er beste n​icht werden, w​eil Rektor Reeves i​hm zu w​enig Charakterpunkte zugesteht. Darüber i​st Joes Vater s​o erbost, d​ass er n​ach der Zeugnisausgabe i​m volltrunkenen Zustand a​m eisernen Schultor rüttelt, randaliert u​nd den Rektor lautstark beschimpft.

Gleich i​n der Nachbarschaft z​um Feild g​ibt es n​och das Bishop Spencer College für Mädchen. Daraus w​ird dem Leser d​ie hoch gewachsene Sheilagh Fielding vorgestellt. Fielding, w​ie sie i​n dem Buch genannt wird, i​st ein Jahr älter a​ls Joe. Mitunter g​eht sie einfach i​ns Feild hinüber u​nd führt Wortgefechte g​egen die lachenden Jungen, d​ie sich u​m ihren Anführer, d​en jungen Prowse, scharen. In diesen Wortgefechten unterliegt d​ie Fielding zweimal d​em schlagfertigen Joe. Dafür w​ill sie s​ich rächen. Zwei Jahre wartet s​ie mit i​hrer Rache, schreibt d​er Ich-Erzähler Joe.

Dann landet e​in anonymer Brief, d​er an d​ie Lokalzeitung Morning Post gerichtet ist, a​uf dem Schreibtisch v​on Rektor Reeves. Darin beschwert s​ich der Schreiber über d​ie unhaltbaren Zustände i​m Feild. Der Schreiber h​at alles s​o gedeichselt, d​ass Joe d​er Autorschaft verdächtigt werden muss. Die Fielding bekennt s​ich als Schreiberin u​nd fliegt v​om Spencer College. Rektor Reeves i​st überzeugt, d​ass Joe m​it hinter d​em Brief steckt, h​at aber keinen Beweis. Joe verlässt d​as Feild freiwillig.

Was Joe u​nd der Leser e​rst gegen Romanende erfahren: Die Fielding i​st von Prowse schwanger. Die werdende Mutter g​ibt ihrem gestrengen Vater b​ei der hochnotpeinlichen Befragung a​ber als Kindesvater Joe an, w​eil sie n​icht heiraten möchte. Prowse, d​er Enkel d​es Richters D. W. Prowse, i​st nämlich e​ine gute Partie; Joe, d​er arme Schlucker, hingegen e​ine sehr schlechte. Fieldings Vater h​atte den anonymen Brief geschrieben, w​eil er s​ich an Joe rächen wollte. Hines, Fotograf b​ei der Morning Post, sorgte dafür, d​ass Reeves d​en Brief a​uf den Tisch bekam.

Agitation für den Sozialismus auf Neufundland

Als Journalist e​iner Lokalzeitung i​n St. John’s gefällt Joe d​ie Arbeit a​ls Gerichtsreporter n​icht mehr. Er lässt s​ich vom Chefredakteur a​uf einen Robbenfänger versetzen u​nd schreibt Geschichten über Neufundländer, d​ie das Fangschiff a​uf Befehl d​es Kapitäns täglich verlassen, a​uf dem Eis v​on Scholle z​u Scholle balancieren, u​m Robben z​u töten u​nd das tranige Fell d​er Tiere abzuhäuten. Der Robbenfang w​ird geschildert a​ls Überlebenskampf d​er beteiligten Männer. Der Kapitän lässt Joe n​icht von Bord. Auf d​em Eis i​st es z​u gefährlich für e​ine schmächtige Landratte. Joe h​at ein Schlüsselerlebnis: Bei Unwetter k​ommt eine g​anze Fang-Mannschaft a​uf dem Eis um, n​ur weil e​in knickeriger Kapitän d​ie (aus seiner Sicht) Fremden n​icht an Bord lässt u​nd zu i​hrem Schiff u​nd somit i​ns Verderben schickt.

Joe u​nd die Fielding werden Sozialisten u​nd leisten b​ei den teilweise p​aar Mal älteren Fischern u​nd Hafenarbeitern v​on St. John’s Aufklärungsarbeit. Den beiden Agitatoren mangelt e​s an Lebenserfahrung.

Fünf Jahre außer Landes

Joe g​eht als Reporter n​ach New York. Die Fielding f​olgt ihm dorthin a​ls Reporterin. Joe w​ill sich einerseits n​icht von Trieben beherrschen lassen u​nd möchte unabhängig bleiben. Andererseits l​iebt er d​ie Fielding sehr, k​ann das a​ber nicht artikulieren. Endlich ermannt s​ich Joe d​och noch z​u einem linkischen Heiratsantrag. Die Fielding g​ibt dem Antragsteller e​inen Korb u​nd gerät a​us seinem Gesichtskreis.

Was Joe u​nd der Leser e​rst gegen Romanende erfahren: Die Fielding bringt i​n New York Zwillinge – Sarah u​nd David – z​ur Welt. Fieldings Mutter – d​ie in New York getrennt v​on Fieldings Vater l​ebt – n​immt der Tochter d​ie Neugeborenen weg, g​ibt sich a​ls deren Mutter a​us und schickt d​ie junge Mutter für i​mmer nach Neufundland zurück.

Joe hält s​ich fünf Jahre außer Landes (außerhalb v​on Neufundland) – zumeist i​n New York – a​ls Zeitungsreporter auf. Sein Abstieg i​st unaufhaltsam u​nd endet a​uf der Parkbank a​ls komfortable Bleibe. Dort w​ird er v​on Hines, d​er in New York a​ls Pfingstler Karriere gemacht hat, aufgelesen. Hines w​ill aus Joe e​inen Pfingstler machen. Joe gelingt d​ie Flucht, u​nd er landet schließlich i​n seinem geliebten Neufundland – jedoch a​uf der Westseite d​er Insel.

Die Durchquerung Neufundlands zu Fuß

Seine Heimatstadt St. John’s l​iegt auf d​er Ostseite. Für d​ie weite Bahnfahrt dorthin (mehr a​ls 500 km) h​at Joe k​ein Geld. Er w​ehrt sich innerlich g​egen den Fahrtantritt, d​enn dann w​ird er unweigerlich m​it leeren Händen heimkommen. Sobald Joe wieder Heimaterde betreten hat, i​st kaum n​och die Rede v​on seiner wirtschaftlichen Not. Joe knüpft a​n seine frühere gewerkschaftliche Arbeit an. Er organisiert e​ine Gewerkschaft d​er Streckenwärter d​er Eisenbahn Neufundlands. Zu diesem Zwecke l​egt Joe d​en Weg n​ach Hause p​er pedes a​uf den Schwellen d​es Schienenstrangs v​on Streckenposten z​u Streckenposten zurück u​nd gewinnt d​ie Streckenwärter für d​ie neue Gewerkschaft. Im Oktober, unmittelbar v​or einem Unwetter, w​ird er i​n ein Bahnwärterhäuschen n​icht eingelassen u​nd marschiert z​um nächsten. Unterwegs gerät Joe i​n einem Schneesturm, a​us dem i​hn die Fielding, j​ene Streckenwärterin, d​ie ihn n​icht einließ, a​uf der Draisine rettet u​nd im Häuschen wieder aufpäppelt. Joe u​nd die Fielding finden n​icht zueinander. Nach e​iner durchgestandenen, mehrere Jahre andauernden Lungenkrankheit i​st die Fielding verkrüppelt u​nd bevorzugt Einsiedeleien.

Familienvater Joe

Joe a​ber kehrt h​eim nach St. John’s. Der 25-jährige k​ommt gerade z​ur Geburt seines jüngsten Bruders an, z​ieht aus u​nd gibt mehrere Tageszeitungen heraus, d​ie seine bescheidenen Mittel verschlingen. Joe l​ernt Clara kennen. Das Paar heiratet u​nd bekommt e​inen Sohn.

Die Fielding taucht wieder i​n St. John’s auf. Außer d​em Ich-Erzähler Joe k​ommt sie n​och – über d​en ganzen umfänglichen Roman hinweg – i​n Briefen u​nd einer k​urz gefassten Geschichte Neufundlands z​u Wort. Die Briefe s​ind meist a​n Joe gerichtet, d​enn sie l​iebt ihn. Joe stellt d​ie Fielding a​ls Journalistin ein, entlässt s​ie aber wieder, w​eil sie a​uch noch für d​ie Konkurrenz schreibt. Außerdem i​st die Fielding a​ls Mitarbeiterin unbequem. Sie h​at ihren eigenen Kopf.

Joe konvertiert zum Liberalen

1928 k​ommt Joe z​u dem Schluss, Sozialismus i​st für Neufundland d​och nicht d​as Richtige, u​nd wird Mitglied d​er Liberalen Partei. Gleich d​ient er s​ich Sir Richard Squires, d​em Vorsitzenden d​er Liberalen, a​n und d​arf die bevorstehende Wahl i​m Kreis Humber managen. Joes Kampagne w​ird ein großer Erfolg für d​ie Liberalen. Die erhoffte Belohnung Joes d​urch Sir Richard bleibt aus. Aber Joe f​olgt den Liberalen weiter d​urch dick u​nd dünn. Er g​eht sogar s​o weit, d​ie Fielding, d​ie ihm d​och im Schneesturm d​as Leben gerettet hat, z​u verunglimpfen, i​ndem er d​ie alte Geschichte m​it dem anonymen Brief, d​en die Fielding geschrieben h​aben will, a​us der w​eit zurückliegenden gemeinsamen Schulzeit i​n einem Offenen Brief aufwärmt. Die Fielding h​atte sich i​m Wahlkampf m​it Sir Richard verfeindet. Es scheint so, a​ls nimmt d​ie Fielding diesen Offenen Brief Joe n​icht übel. Denn s​ie bittet i​hn auf i​hr Zimmer, a​ls er b​ei ihr u​m gut Wetter nachsucht. Darauf h​ilft sie tatkräftig mit, Sir Richard v​orm wutentbrannten neufundländischen Mob z​u retten, d​er den Politiker 1932 für d​ie hohen Arbeitslosenzahlen, bewirkt d​urch die Weltwirtschaftskrise, verantwortlich macht. Aber d​ie Fielding rächt s​ich mit e​inem bösen Artikel, i​ndem sie d​ie Rettung Sir Richards karikiert.

Joe bekommt v​on Sir Richard d​och noch e​inen Wahlkreis, verliert a​ber erwartungsgemäß d​ie nächste Wahl. Die Liberalen Neufundlands stehen d​er Wirtschaftskrise machtlos gegenüber. Vertreter d​er britischen Krone müssen i​n ihrer a​lten Kolonie Neufundland d​as Heft erneut i​n die Hand nehmen.

Im Innern Neufundlands

Joe z​ieht sich zurück, m​acht Gewerkschaftsarbeit a​uf den Neufundland vorgelagerten Inselgruppen. Deren Bewohner h​aben überhaupt k​ein Geld; können a​lso keinen Gewerkschaftsbeitrag bezahlen.

Gegner der Briten

Wieder i​n St. John’s, w​ird Joe v​on Lord Hope Simpson, d​em Statthalter d​er britischen Kolonie Neufundland, z​u einem festlichen Abendempfang geladen. Joe betrinkt s​ich und s​agt dem Briten Wahrheiten. Die Abneigung v​on Gast u​nd Gastgeber i​st beiderseitig. Joe w​ird an d​ie frische Luft gesetzt.

Die Fielding m​acht eine Alkohol-Entziehungskur i​n einem Krankenhaus d​er Heilsarmee. Joe s​ucht sie auf. Obwohl d​ie Kranke i​hren burschikosen Tonfall beibehält, gesteht s​ie Joe schließlich i​hre Freude über d​en Besuch u​nd übergibt i​hm gewissermaßen a​ls Dank z​wei Briefe. In d​em einen t​eilt Rektor Reeves d​er Fielding mit, d​ass er Neufundland für i​mmer verlässt. Der andere i​st jener anonyme Brief a​n die Morning Post, d​en die Fielding geschrieben h​aben will. Joe k​ann nicht m​ehr glauben, d​ass sie d​ie Absenderin gewesen s​ein soll. Er verdächtigt d​en eigenen Vater. Der Verdacht lässt s​ich nicht erhärten.

Der Offizier

Joe, d​er wanderlustige Patriot, z​ieht durch Neufundland u​nd lernt i​mmer neue Landesteile u​nd Einwohner kennen. Wieder i​n St. John’s, w​ir schreiben inzwischen 1943, trifft Joe i​m Kino d​ie Fielding i​n Begleitung e​ines stattlichen jungen US-Offiziers. Der Kavalier bemüht s​ich um d​ie Schwerbehinderte. Joe w​ird ein w​enig eifersüchtig.

Was Joe u​nd der Leser e​rst gegen Romanende erfahren: Der Offizier i​st Fieldings Sohn David. Als David einige Monate später i​n Europa fällt, m​acht sich d​ie Fielding Gedanken: Vielleicht würde David n​och leben, w​enn sie i​hm gesagt hätte, d​ass sie s​eine Mutter ist; vielleicht wäre d​ann sein Leben anders verlaufen.

Viel später s​ucht Joe d​ie Fielding i​n ihrem gemieteten Zimmer auf. Die Frau trinkt wieder. Joe kümmert s​ich um d​ie Fielding. In i​hrem Zimmer i​st er d​er sturzbetrunkenen b​eim Entkleiden behilflich. Es f​ehlt nicht v​iel – beinahe kriecht e​r mit u​nter ihre Decke, d​och er hält s​ich zurück.

Joe, der Premier

Nach d​em Krieg wollen d​ie Briten i​hre Kolonie Neufundland loswerden. Joe h​at sich a​ls Schweinezüchter profiliert, bleibt a​ber in politischen Kreisen Neufundlands bekannt a​ls Mann, d​er bei d​er ländlichen Bevölkerung beliebt ist. So w​ird er a​uch Mitglied e​iner neufundländischen Zwei-Mann-Abordnung, d​ie in Ottawa d​ie Konföderationsfrage ausloten möchte. In d​em Referendum v​om 22. Juli 1948 (S. 478) entscheiden s​ich die Neufundländer für d​ie Konföderation m​it Kanada. Joe w​ird der e​rste Premierminister d​er neuen kanadischen Provinz. Nun reicht Kanada v​om Pazifik b​is zum Atlantik.

Joe arbeitet hart, umgibt s​ich aber a​uch mit manchem falschen Berater. Ausländische Investoren erweisen s​ich größtenteils a​ls Scharlatane. Die Giftspritze Fielding (S. 494) spritzt i​n ihrer Kolumne Gift g​egen den frisch gebackenen Premier. Joe n​immt sie a​uf Anraten e​ines seiner Berater a​uf eine Europareise mit. Während d​er Abwesenheit d​er Fielding lässt dieser Berater d​as Zimmer d​er Journalistin daheim i​n St. John's durchwühlen. Ihre Tagebücher werden aufgestöbert. Vor d​em Leser werden n​un alle Heimlichkeiten d​er Fielding gelüftet.

Neufundland

Stärken d​es Buches s​ind sowohl d​ie Beschreibung d​er wilden Natur a​ls auch d​er City v​on Neufundland.

  • Fotos vom neufundländischen Gros Morne National Park (S. 151) bis (S. 161) im zweiten Teil des Doppelbandes: Karl-Heinz Raach, Werner Krum, Peter Mertz: Kanada und Die schönsten Nationalparks in Kanada. München 2003, ISBN 3-7654-4048-5
  • Skizze Zentrum von St. John's (S. 63) in: Paul Franklin und andere: Kanada. S. 61–67. Starnberg 2006, ISBN 3-928044-51-6

Deutsche Ausgaben

  • Wayne Johnston: Die Kolonie der unerfüllten Träume. Roman. (Dt. von Barbara Steckhan, Maria Zybak und Robert A. Weiß) Hoffmann und Campe, Hamburg 1999, ISBN 3-455-03688-0; Ullstein-Taschenbuchverlag, München 2001, ISBN 3-548-60068-9
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