Diabetisches Koma
Das diabetische Koma (lateinisch Coma diabeticum) oder hyperglykämische Koma ist eine durch absoluten oder relativen Insulinmangel ausgelöste schwere Stoffwechselentgleisung mit Bewusstseinseinschränkungen bis zur Bewusstlosigkeit (Koma). Wirklich bewusstlos sind nach neurologischer Definition aber nur ca. 10 % der Patienten. Ein Koma ist eine lebensgefährliche Situation und bedarf sofortiger stationärer Krankenhausbehandlung. In etwa 25 % der Fälle handelt es sich um einen neu entdeckten Diabetes mellitus.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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E10.0- | Primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-1-Diabetes]: Mit Koma |
E11.0- | Nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-2-Diabetes]: Mit Koma |
E12.0- | Diabetes mellitus in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung [Malnutrition]: Mit Koma |
E13.0- | Sonstiger näher bezeichneter Diabetes mellitus: Mit Koma |
E14.0- | Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus: Mit Koma |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Auslösende Mechanismen des diabetischen Komas
- Fehlende Insulinzufuhr: Neben der Erstmanifestation eines Diabetes mellitus kann eine über mehrere Stunden bis Tage unterlassene Insulin-Injektion die Ursache sein. Aber auch eine medikamentöse orale Diabetestherapie kann im Verlauf nicht mehr ausreichend sein und zu einem diabetischen Koma führen.
- Unzureichende Insulinzufuhr: Dies kann sowohl bei einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus als auch bei fortgesetzten Fehlern in der Bedienung der Spritzen, Pens oder Insulinpumpen auftreten.
- Erhöhter Insulinbedarf: Bei ungewöhnlich hoher Kalorienaufnahme, plötzlichem Bewegungsmangel oder länger anhaltenden Stresssituationen (z. B. bei Infektion, Unfall, schwerer Erkrankung, Operation) reicht die bisherige Insulindosis nicht mehr aus.
Formen des diabetischen Komas
Beim diabetischen Koma werden zwei Formen unterschieden: die diabetische Ketoazidose (ketoazidotisches Koma) und das hyperosmolare hyperglykämische Syndrom (hyperosmolares Koma).
Ketoazidotisches Koma
Das ketoazidotische Koma ist typisch für den Typ-1-Diabetes, tritt also beim absoluten Insulinmangel auf. Da kein Insulin mehr von der Bauchspeicheldrüse produziert wird und die Zellen somit keinen Zucker über GLUT-4 Transporter aus dem Blut aufnehmen können, versucht der Körper durch Abbau von Fetten und Eiweißen Energie zu gewinnen. Es entstehen „saure“ Stoffwechselprodukte, z. B. Ketonkörper.
Der Blutzucker liegt zwischen 16,65 und 38,85 mmol/l (300–700 mg/dl). Der erhöhte Blutzuckerspiegel bedingt eine vermehrte Harnausscheidung (Polyurie), da die Glukose im Tubulussystem der Niere nicht vollständig rückresorbiert werden kann, was zu osmotischer Diurese führt. Zusätzlich kommt es zu einer Übersäuerung (Azidose) durch den entgleisten Stoffwechsel. Der Körper versucht, dies durch verstärkte Abatmung von Kohlendioxid auszugleichen. Typisch dafür ist eine häufige, regelmäßige, tiefe Atmung (Kussmaulatmung) mit Acetongeruch. Über die Polyurie kommt es zur Austrocknung, dadurch kann es zu einem prärenalen Nierenversagen kommen, die Blutsalze (Elektrolyte) erhöhen sich, insbesondere das Kalium ist stark erhöht. Typisch sind oft massive Bauchschmerzen (brettharter Bauch: Pseudoperitonitis), es kann auch zu Herzrhythmusstörungen kommen.
Hyperosmolares Koma
Das hyperosmolare Koma ist typisch für den Typ-2-Diabetes, tritt also beim relativen Insulinmangel auf. Es wird noch körpereigenes Insulin produziert, das ausreicht, um den überschießenden Fett- und Eiweißabbau zu hemmen.
Hier sind die massiv erhöhten Blutzuckerwerte (BZ > 33,3 mmol/l [600–1000 mg/dl]) das Problem. Durch den hohen Blutzucker erhöht sich die Osmolarität des Blutes. Auch hier kommt es über die Polyurie zur Austrocknung, dadurch kann es zu einem prärenalen Nierenversagen kommen, die Blutsalze (Elektrolyte) erhöhen sich, insbesondere das Kalium ist stark erhöht. Insbesondere durch die Exsikkose kommt es zur zunehmenden Apathie bis hin zum Koma.
Symptome
Geruch nach Aceton im Atem (Geruch nach faulem Apfel, auch früher in Nagellack oder Nagellackentferner enthalten) bei der ketoazidotischen Stoffwechselentgleisung, Durst und stark vermehrtes Trinken (Polydipsie), häufiges Wasserlassen (Polyurie), Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Hypotonie, Muskelreflexabschwächung können als Warnzeichen der Entwicklung eines diabetischen Komas vorausgehen.
Therapie
Neben einem Notruf und dem Anwenden der stabilen Seitenlage bleiben dem Ersthelfer nach Eintritt des Komas keine Möglichkeiten der Intervention.
Die wichtigste primäre Maßnahme ist die intravenöse Zufuhr von Flüssigkeit (Elektrolytlösung) schon durch den Rettungsdienst. Die Gabe von Insulin ist der stationären Therapie vorbehalten, da Insulin neben seiner blutzuckersenkenden Wirkung auch die Aufnahme von Kalium in die Zellen fördert. Da das Plasma-Kalium präklinisch nicht kontrolliert werden kann, besteht die Gefahr einer Hypokaliämie, wodurch die Reizschwelle für die Erregbarkeit von Zellen erhöht wird. Besonders am Herzen kann sich dies durch maligne Rhythmusstörungen bemerkbar machen. Unter engmaschiger Laborkontrolle der Nierenwerte, der Elektrolyte, des pH-Wertes und des Blutzuckers erfolgt die langsame Normalisierung der Stoffwechselwerte.
Nach Erreichen eines normalen Stoffwechsels erfolgt die Neueinstellung des Diabetes mellitus in Abhängigkeit von der Art des Diabetes (Typ-1, Typ-2) und der Ursache der Stoffwechselentgleisung.
Literatur
- J. Hensen, T. Thomas, J. Müller-Ziehm: Diabetische Ketoazidose und nicht-ketoazidotisches hyperosmolares diabetisches Koma. Arzneimitteltherapie 2006;24:432-43