Detlef Hartmann
Leben und Wirken
Hartmann studierte nach dem Schulbesuch im Hamburger Christianeum in Bordeaux, Freiburg, Hamburg und Berkeley. In Kalifornien beteiligte er sich an den politischen Aktivitäten in der Bay Area, die er als „sozial orientiert“ begriff, auch wenn sie sich vor allem gegen den Vietnamkrieg richteten. 1970 in die BRD zurückgekehrt, setzte er die bis heute andauernde politische Betätigung im Kontext sozialer Auseinandersetzungen fort. 1973 nahm er an der Hausbesetzung in der Hamburger Ekhofstraße (1973) teil, bei der es nicht nur auf die Gewinnung von Wohnraum ging, sondern auch gegen ein Bauvorhaben, das die Neue Heimat vorantrieb.[1]
Seit 1977 ist Hartmann als Rechtsanwalt in Hamburg und Köln tätig, in erster Linie als Strafverteidiger, auch in zahlreichen Verfahren gegen linke Aktivisten und darüber hinaus in der Vertretung der Nebenklage in NS-Kriegsverbrecherprozessen, so in den Verfahren gegen Kurt Lischka, Ernst Heinrichsohn und Herbert Hagen vor dem Landgericht Köln 1979, gegen Heinrich Boere vor dem Landgericht Aachen 2007 und gegen Siert Bruins vor dem Landgericht Hagen 2013.[2][3][4]
Hartmann arbeitete mit Mitgliedern der Proletarischen Front (PF) zusammen, einer Gruppierung aus dem operaistisch eingestellten „wir-wollen-alles“-Verbund.[1]
Durch den Strafprozess gegen Roland Otto und Karl Heinz Roth, den Hartmann verteidigte, zog er nach Köln.[5] Dort besetzte er mit den Mitgliedern der sozialrevolutionär orientierten „sozialistischen Selbsthilfe Köln“ (SSK) in der Ehrenfelder Marienstraße eine Anzahl von Häusern als Beginn eines sozialrevolutionären Projekts. Hieraus folgten nicht nur weitere Besetzungen, sondern auch Aktivitäten auf vielen anderen Gebieten: Gegen die Ausländerpolitik, Atompolitik, Militarisierung, NS-Erinnerungs- und „Bewältigungspolitik“ (Teilnahme an der Kampagne für die Edelweißpiraten), vor allem aber gegen die Politik der Stadtsanierung und Vertreibung (Marienstraßenbesetzung, dann Gruppe Wohnraum für alle) sowie gegen die noch stark nazistisch geprägte Rheinische Psychiatrie.[6] Begleitet wurden diese Aktivitäten von der Mitarbeit Hartmanns in der Zeitschrift Autonomie[7] und, mit sozialrevolutionärer Orientierung, im Folgeprojekt, den „Materialien für einen neuen Antiimperialismus“ (Materialien).[8][9] An diese Zeit schlossen sich weitere Aktivitäten Hartmanns gegen die Ausländer- und Vertreibungspolitik (Gruppe Grenzen auf), gegen Hartz IV (Gruppe Zahltag), gegen den neuen Militarismus (Gruppe Bundeswehr wegtreten),[10] Kampagne gegen SFB 700 an, die bis in die heutige Zeit reichen.
Tagesmedial und journalistisch positioniert Hartmann sich etwa in junge Welt[11] und im WDR 5[12].
Schriften (Auswahl)
Monographien
- Die Alternative: Leben als Sabotage, Tübingen 1981, ISBN 3-88266-006-6, Neuauflage Berlin, Göttingen, Gießen 1988, ISBN 3-924737-03-7
- Zusammen mit dem Redaktionskollektiv „Materialien für einen neuen Antiimperialismus“: Das Ende des sowjetischen Akkumulationsmodells, Berlin, Göttingen 1992, ISBN 3-924737-15-0
- Die Ethnisierung des Sozialen. Das Beispiel Jugoslawiens, Berlin, Göttingen 1993, ISBN 3-924737-18-5
- Strategien der Unterwerfung, Strategien der Befreiung, Berlin, Göttingen 1993, ISBN 3-924737-17-7
- „Empire“. Linkes Ticket für die Reise nach rechts. Umbrüche der Philosophiepolitik: Hardt/Negri, Sloterdijk, Foucault, Berlin, Hamburg 2002, ISBN 978-3-935936-15-6
- Mit Dirk Vogelskamp: Irak. Schwelle zum sozialen Weltkrieg, Berlin, Hamburg, Göttingen 2003, ISBN 3-935936-21-4
- Mit Gerald Geppert: Cluster: Die neue Etappe des Kapitalismus, Berlin, Hamburg 2008, ISBN 978-3-935936-62-0
- Mit John Malamatinas: Krisenlabor Griechenland, Finanzmärkte, Kämpfe und die Neuordnung Europas, Berlin, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86241-405-5.
- Krisen, Kämpfe, Kriege, Band 1, Alan Greenspans endloser „Tsunami“. Eine Angriffswelle zur Erneuerung kapitalistischer Macht, Berlin, Hamburg 2015, ISBN 978-3-86241-448-2.
- Krisen, Kämpfe, Kriege, Band 2, Innovative Barbarei gegen soziale Revolution. Kapitalismus und Massengewalt im 20. Jahrhundert, Berlin, Hamburg 2019, ISBN 978-3-86241-454-3
- mit Christopher Wimmer: Die Kommunen vor der Kommune 1870/71. Lyon – Le Creusot – Marseille – Paris, Berlin, Hamburg 2021, ISBN 978-3-86241-483-3.
Buchbeiträge, Aufsätze (Auswahl)
- Was morgens Recht war, kann abends nicht Unrecht sein oder: Warum auf Tannenbäumen keine Zitronen wachsen, Nachwort in: H. Broder, Danke schön. Bis hierher und nicht weiter, Hamburg 1980, S. 243
- Von der Integration zur Aussonderung – 30 Jahre Städtebaupolitik am Beispiel der „Neuen Heimat“, Autonomie, Materialien gegen die Fabrikgesellschaft, Neue Folge 3/1980, Hamburg, S. 16
- „Sozialtechnologie“, Stichwort in: Handbuch psychologischer Grundbegriffe, Herausgegeben von Günther Rexilius und Siegfried Grubitzsch, Reinbek bei Hamburg 1981, S. 1013.
- Überlegungen zur Planungsstrategie der Neuen Heimat, in: R. Nitsche (Hg.), Häuserkämpfe, Berlin 1981
- Diskussion mit Detlef Hartmann im Anschluss an den Artikel über sein Buch „Leben als Sabotage“ aus der Redaktion der Zeitschrift „Wechselwirkung: Technik – Naturwissenschaft – Gesellschaft“ von R. Ostermann, Die Gewalt des technologischen Klassenkampfs, Wechselwirkung, Nr. 13, Mai 1982, S. 44
- Völkermord gegen soziale Revolution. Das US-imperialistische System von Bretton Woods als Vollstrecker der nationalsozialistischen Neuen Ordnung, Autonomie, Materialien gegen die Fabrikgesellschaft, Neue Folge 14/1984, Berlin/Hamburg, S. 217
- Soziale Revolution und das Kommando der Akkumulation, www.materialien.org/worldwide/russia/hartmann_russ_revol.pdf
- Eine Mordmaschine kann man nicht reformieren (zum IWF), Schwarzer Faden 01/1988
- „Das gewaltige Werk des Nationalsozialismus“ (zu Sohn-Rethel), Konkret 3/1990, S. 44
- Welcher Krieg? Ägypten: Operationen im Szenario eines politisch-ökonomischen Aufmarsches, in: J. Später, …alles ändert sich die ganze Zeit, Freiburg 1994, S. 27
- SFB 700 – ein neokoloniales Projekt? www.materialien.org/texte/hartmann/neokolonialismus.html
- Die zwei Gesichter des Jahres 1917. Die soziale Revolution und der Alptraum des ›Roten Oktober‹ In: Christopher Wimmer (Hg.): »Where have all the rebels gone?« Perspektiven auf Klassenkampf und Gegenmacht. Münster 2020. S. 28–54
Weblinks
Einzelnachweise
- Barbara Sichtermann, Kai Sichtermann: Das ist unser Haus : eine Geschichte der Hausbesetzung. Aufbau Digital, 2017, ISBN 978-3-351-03660-7, S. 304 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Roland Kaufhold: Eine „jüdische Apo“: Die Freie jüdische Stimme (1979 – 1980). haGalil onLine, 7. Juli 2019, abgerufen am 24. Mai 2020 (Siehe Notiz zu Heft Nr. 6 der Freien Jüdischen Stimme vom Februar 1980).
- Jörg Diehl: Ex-SS-Mann soll in weitere Morde verwickelt sein. In: Der Spiegel. 28. Januar 2010, abgerufen am 24. Mai 2020.
- Jörg Diehl: "Er machte fertig, wen er zu fassen bekam". In: Der Spiegel. 31. August 2013, abgerufen am 24. Mai 2020.
- Klaus von Wrochem: Klaus der Geiger : Deutschlands bekanntester Strassenmusiker erzählt. Kiepenheuer & W., 1996, ISBN 978-3-462-02512-5, S. 193 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Autorinformationen Detlef Hartmann. Abgerufen am 12. Februar 2020.
- text_masson. Abgerufen am 12. Februar 2020.
- Texte von Detlef Hartmann. Abgerufen am 12. Februar 2020.
- Unser Autor: Detlef Hartmann • Assoziation A • Berlin/Hamburg. Abgerufen am 12. Februar 2020.
- ThB: SCHATTENBLICK. Abgerufen am 12. Februar 2020.
- Christa Schaffmann: Individualität ist nicht gewollt. In: Junge Welt. 2. März 2020, abgerufen am 24. Mai 2020.
- Joachim Lünenschloss, Hans Detlev von Kirchbach: Erlebte Geschichten mit Detlef Hartmann. (Audio) WDR 5, 24. Februar 2017, abgerufen am 24. Mai 2020.