Der schwarze Tanner
Der schwarze Tanner ist eine 1947 von dem Schriftsteller Meinrad Inglin publizierte Geschichte, die in der Schweiz im Jahr 1941 spielt.
Handlung
Kaspar Tanner ist ein bis anhin unbescholtener Landwirt. Jenseits der Landesgrenze tobt der Zweite Weltkrieg, und die Schweizer Bevölkerung kennt die Hungersnot schon aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Auf Anordnung des Bundesrates und des Agrarbeamten Friedrich Traugott Wahlen muss möglichst viel Naturboden in Ackerland umgewandelt werden. Angesichts der schwierigen Verhältnisse werden auch die Bergbauern verpflichtet, dieser Weisung Folge zu leisten. Kaspar Tanner hält sein Wiesenland für ungeeignet, um hier Gerste oder Kartoffeln anzubauen, und wehrt sich vehement gegen die Anordnung. Behörden sind für ihn ein rotes Tuch. Weil er beginnt, mit Produkten von seinem Hof Schwarzhandel zu betreiben, erhält er den Beinamen Der schwarze Tanner. Auf jede Ermahnung reagiert er verbissen. Jegliche Geldbusse schlägt er aus. Eines Tages taucht die Polizei mit einem Haftbefehl auf und muss den Bauern verhaften. Doch auch im Gefängnis bleibt Kaspar sich selbst treu und tritt in den Hungerstreik. Als sein Zustand sich zunehmend verschlechtert, kommt die Frage der Verhältnismäßigkeit auf. Der Dorfpfarrer vermittelt, und die Behörden beschliessen, Kaspar freizulassen. «Ihr habt mich geholt, dann könnt ihr mich auch wieder heimbringen», ist die Antwort Tanners auf die Frage, warum er nicht gehe, die Tür sei offen. Unter schwierigen Bedingungen wird er nach Hause gebracht. Zuhause kann Tanner nur noch zum Miststock schlendern, und dort stirbt er. Seine Berufskollegen merkten, dass Kaspar konsequent bis in den Tod war. Sie bereuen ihre Hörigkeit gegenüber dem Staat.
Interpretation
Als einen „Freigeist extremster Ausprägung“ bezeichnete Bundesrat Hans-Rudolf Merz den Tanner in einer Rede am 12. Januar 2004. Er stellte aber auch seine negativen Charakterzüge heraus, „dass nämlich Tanner ein Fanatiker, ein Dogmatiker war, selbstsüchtig und wenig solidarisch“. In seinem Kampf gegen die Obrigkeit ähnelt er dem brandenburgischen Kaufmann Michael Kohlhaas.
Textausgaben
- Die Lawine und andere Erzählungen, Atlantis, Zürich 1947 (Erstausgabe)
- Erzählungen I, Atlantis, Zürich 1968
- Der Schwarze Tanner, Schweizerisches Jugendschriftenwerk, Zürich 1975 (Neuauflage 2006)
- Begräbnis eines Schirmflickers, mit einem Nachwort von Beatrice von Matt, Suhrkamp, Zürich und Frankfurt 1980
- Die Lawine, Der schwarze Tanner, Weihnachtsbüchlein der Buchdruckerei Stäfa, Stäfa 1982
- Der schwarze Tanner und andere Erzählungen, mit einem Nachwort von Thomas Hürlimann, Ammann, Zürich 1985
- Erzählungen Band 1, Gesammelte Werke in zehn Bänden, Ammann, Zürich 1990
- Die Schönsten Erzählungen, Ammann, Zürich 1993
Künstlerische Umsetzung
Verfilmung
1985: Der schwarze Tanner – Regie: Xavier Koller, unter anderem mit Otto Mächtlinger (Hauptrolle) und Dietmar Schönherr.
Hörspiel und Theater
Das Werk wurde von Tino Arnold als Hörnovelle in Schwyzer Mundart bearbeitet. Eine Theaterfassung von Hansjörg Schneider wurde 2007 am Landschaftstheater des Ballenberger Freilichtmuseums aufgeführt.
Weblinks
- 'Schwarzer Tanner' Rede von Bundesrat Hans-Rudolf Merz an der Delegiertenversammlung der FDP Schweiz, 12. Januar 2004