Der Waldteufel (Tschechow)

Der Waldteufel, a​uch Der Waldschrat (russisch Леший, Leschi), i​st eine Komödie i​n vier Akten d​es russischen Schriftstellers Anton Tschechow. 1889 geschrieben, w​urde das Stück a​m 27. Dezember desselben Jahres i​m Moskauer Privattheater d​er Marija Abramowa[1] aufgeführt. 1890 l​ag der Text i​n der Moskauer Theaterbibliothek Sergei Fedorowitsch Rassochins[2] i​m Druck vor. Die deutsche Erstaufführung f​and 1958 i​m Staatstheater Oldenburg statt. Zum 100. Geburtstag Anton Tschechows w​ar 1960 e​ine Übersetzung v​on Valerian Tornius i​m Schauspiel Leipzig erfolgreich.[3]

Anton Tschechow

Die Komödie g​ing stofflich i​n den Onkel Wanja ein.

Überblick

Anton Tschechow bietet e​in Happy End i​m Doppelpack. Die 18-jährige ungebildete, begüterte Julja u​nd der 35-jährige Gutsbesitzerssohn Fjodor kriegen sich. Fjodors künftiger Schwager, d​er Technologe Leonid Stepanowitsch Sheltuchin, h​at seinen Reichtum o​hne Studienabschluss erlangt.

Außerdem werden die 20-jährige Professorentochter Sonja und Michail Lwowitsch Chrustschow ein Paar. Letzterer wird der Waldteufel genannt. Denn dieser Ökoaktivist, ein Demokrat mit abgeschlossener medizinischer Hochschulbildung, kämpft gegen die Abholzung des russischen Waldes; möchte ihn für kommende Generationen erhalten. Sonja ist die Tochter des emeritierten, an Rheuma – oder vielleicht auch Podagra – erkrankten Professors Alexander Wladimirowitsch Serebrjakow aus erster Ehe. Serebrjakow ist in zweiter Ehe mit der 27-jährigen adligen Jelena verheiratet. Das Verhältnis Sonjas zu ihrer ziemlich jungen Stiefmutter ist und bleibt herzlich. Jelena gesteht, sie liebt ihren Gatten nicht und hätte gerne einen jüngeren, gesunden Mann. Obwohl sie den bejahrten Professor einmal verlässt, kehrt sie zu ihm zurück und bleibt ihrem Angetrauten treu. Als sich Fjodor vor seiner Hinwendung zu Julja für Jelena interessiert, wird er von der Professorengattin geohrfeigt.

Die Geheimratswitwe Marja Wassiljewna Woinizkaja, Mutter d​er ersten Frau d​es Professors, h​at einen Sohn – d​en 47-jährigen Jegor Petrowitsch Woinizki, George genannt. Die Liebe d​es ehrlichen, zutiefst unzufriedenen George z​u Jelena i​st unglücklich. Der Professor, e​in Stadtmensch, k​ommt sich i​n der russischen Provinz w​ie ein Verbannter vor. Als e​r Sonjas Gut verkaufen will, fühlt s​ich George betrogen; m​ehr noch – e​r meint, d​er Professor, s​ein schlimmster Feind, h​abe sein Leben zerstört. George erschießt sich. Der Unglückliche h​atte zu Lebzeiten diesen Gutsbesitz fünfundzwanzig Jahre für e​inen „Bettellohn“ aufopferungsvoll verwaltet.

Differenzen g​ibt es i​n dem Stück genug. Zum Beispiel hält Professor Serebrjakow, d​er sich e​in Leben l​ang im Wesentlichen i​n Studierzimmern Russlands, Deutschlands u​nd Frankreichs aufgehalten hat, d​ie Bemühungen d​es Umweltschützers Chrustschow „für Blödsinn u​nd Psychopathie“[4].

Anton Tschechow, d​er das Schmähwort Waldteufel i​n doppeltem Sinne verstanden wissen will, lässt Chrustschow aussprechen: „Sie nennen m​ich den Waldteufel, m​eine Herrschaften, a​ber das trifft d​och nicht für m​ich allein zu, i​n ihnen a​llen sitzt s​o ein Waldteufel, Sie a​lle irren i​m finstern Wald u​mher und tasten s​ich durchs Leben.“[5]

Rezeption

  • In der FEB wird ausführlicher auf Reaktionen aus dem Jahr 1890 zu dem Stück eingegangen.[6] Zum Beispiel
    • S. W. Flerow-Wassiljew[7] findet am 1. Januar in den Moskowskije Wedomosti das Stück langweilig. Zudem sei die Titelfigur nicht die zentrale Gestalt der Komödie.
    • Der Journalist Nikolai Kitschejew[8] schreibt Anfang Januar in dem Wochenblatt Budilnik, sicherlich sei das Stück frisch und brillant geschrieben, doch es mangele ihm an Handlung. Ein Spiel käme mit solcher gesellschaftskritischer Prosa auf der Bühne eigentlich nicht zustande.
    • Ein anonymer Rezensent spricht im Januar in der Rubrik Theater und Musik der Nowoje wremja die problematische Vermischung oben erwähnter schwerwiegender Gesellschaftskritik mit dem locker-leichten Finden der beiden jungen Paare, gipfelnd in zwei Happy Ends, an.
    • Der Kritiker I. I. Iwanow[9] fragt im Februarheft der Zeitschrift Artist[10]: Müssen zwei ernstzunehmende Anstrengungen in einer Komödie verlacht werden beziehungsweise ist so etwas überhaupt in akzeptable Bühnenhandlung umsetzbar? Gemeint sind die lebenslange Arbeit Professor Serebrjakows im Dienste der Wissenschaft sowie der selbstlose Einsatz der Titelfigur Chrustschow gegen den um sich greifenden Raubbau am Wald.
  • Spätere Äußerungen aus selbiger oben genannter Quelle (FEB) sind zum Beispiel:
    • Alexander Semenowitsch Lasarew[11] schreibt am 18. Juli 1904 in der Charkower Zeitung Juschny krai[12], Anton Tschechow habe nach dem Misserfolg des Waldteufels Moskau verlassen.
    • Nikolai Efros[13] räumt 1924 in seinen postum erschienen Notizen über das Moskauer Künstlerische Theater ein, das Stück hätte ihn nach fünf oder sechs Aufführungen innerlich angerührt. Allerdings habe der Waldteufel die Öffentlichkeit nicht erreicht.
  • In neuerer Zeit schreibt Düwel 1964 in seinem Vorwort Anton Tschechow – Leben und Werk auf S. 65–66, das Stück sei von dem Reformer Tolstoi beeinflusst entstanden und somit in der realistischen Aussage abgeschwächt. Zudem hätte die Literaturkritik gegen Ende des 19. Jahrhunderts Tschechows damalige Pionierarbeit auf dramatischem Gebiet nicht erkannt und das Stück als „äußerst lang und ermüdend“ (siehe oben) abgetan.

Literatur

Verwendete Ausgabe

  • Der Waldteufel. Komödie in vier Akten. Aus dem Russischen übersetzt von Gudrun Düwel. S. 245–342 in: Wolf Düwel (Hrsg.): Anton Tschechow: Der Kirschgarten. Dramen. 719 Seiten. Rütten & Loening, Berlin 1964 (1. Aufl.)

Sekundärliteratur

  • Wolf Düwel: Anton Tschechow – Leben und Werk. S. 5–71 in: Gerhard Dick (Hrsg.): Anton Tschechow: Vom Regen in die Traufe. Kurzgeschichten. Aus dem Russischen übersetzt von Ada Knipper und Gerhard Dick. Mit einem Vorwort von Wolf Düwel. 630 Seiten. Rütten & Loening, Berlin 1964 (1. Aufl.)

Einzelnachweise

  1. russ. Marija Morizowna Abramowa (1865–1892)
  2. russ. Sergei Fedorowitsch Rassochin (1850–1929)
  3. Nachbemerkung in der verwendeten Ausgabe, S. 655–656
  4. Verwendete Ausgabe, S. 313, 13. Z.v.o.
  5. Verwendete Ausgabe, S. 332, 1. Z.v.o.
  6. Anmerkung unter Der Waldteufel (russisch) in der FEB, S. 379–394
  7. russ. Sergei Wassiljewitsch Flerow
  8. russ. Nikolai Petrowitsch Kitschejew
  9. russ. I. I. Iwanow
  10. russ. Artist
  11. russ. A. S. Lasarew (Grusinski)
  12. russ. Juschny krai, etwa: Südliches Grenzland
  13. russ. Nikolai Jefimowitsch Efros
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