Der Mann im Futteral
Der Mann im Futteral (russisch Человек в футляре, Tschelowek w futljare), auch Der Mensch im Futteral, ist eine Erzählung des russischen Schriftstellers Anton Tschechow, die im Juliheft 1898 der Moskauer Zeitschrift Russkaja Mysl erschien. Arthur Luthers Übersetzung kam 1926 auf den deutschsprachigen Markt.[1]
Zyklus
Der Mann im Futteral ist die erste Binnenerzählung aus der Kleinen Trilogie[2]. Die restlichen Binnenerzählungen heißen Die Stachelbeeren und Von der Liebe.[3]
In der Rahmenerzählung gehen der alte Tierarzt Iwan Iwanytsch Tschimscha-Glimalaiski und der Gymnasiallehrer Burkin in der Flur des Dorfes Mironossizkoje[4] auf die Jagd. Zunächst – am ersten der drei Abende – erzählt der Lehrer dem Arzt die Geschichte von dem Mann im Futteral. Am darauffolgenden Tag kommen die beiden Jäger in ein Regenwetter und können bei dem um die vierzig Jahre alten Gutsbesitzer Aljochin übernachten. Bei der Gelegenheit erzählt der Arzt am zweiten Abend dem Lehrer und dem Gutsbesitzer die Geschichte von den Stachelbeeren. Der Leser ahnt schon: Am letzten Abend erzählt Aljochin seinen zwei Gästen die Geschichte Von der Liebe.
Inhalt
Der Erzähler Burkin hatte mit seinem Kollegen, dem reichlich 40-jährigen Griechischlehrer Belikow, im selben Haus Tür an Tür gelebt. Sogar bei schönem Wetter ging der Junggeselle Belikow – klein und geduckt – in wattiertem Paletot, Galoschen, mit Regenschirm und hochgeklapptem Kragen in die Schule. Beinahe jeder seiner Gebrauchsgegenstände steckte in einem Futteral – der Schirm, die Taschenuhr, das Taschenmesser. Belikow liebte die griechische Sprache, ergötzte sich am Klang des Wortes Anthropos[5]. Hervorragendes Charaktermerkmal Belikows war seine übertriebene Sittenstrenge. Fünfzehn Jahre lang hatte dieser Lehrer das Gymnasium in seiner Gewalt gehabt. Sogar der Direktor hatte vor ihm Angst gehabt. Dabei hatte Belikow Kameradschaft mit seinen Kollegen auf eigene Weise gepflegt. Ab und zu hatte er den einen oder anderen Lehrer in dessen Wohnung aufgesucht, sich hingesetzt und minutenlang geschwiegen. Belikows Tod kam so: Als Michail Sawwitsch Kowalenko als neuer Lehrer für Geschichte und Geographie ans Gymnasium kam, folgte diesem stämmigen Ukrainer seine stattliche Schwester Warenka. Letztere war lediglich zweier Gefühlsregungen fähig – lachen oder weinen. Da hatte die Frau des Direktors eine Idee: Belikow sollte mit der ledigen Warenka – immerhin war sie die Tochter eines Staatsrats und besaß daheim in der Ukraine ein Gehöft – verheiratet werden. Es ließ sich auch alles gut an. Selbst der Erzähler steuerte sein Scherflein bei. Sogar Belikow machte mit; faselte mit der Dame über den wundervollen Klang des Wortes Anthropos. Warenka ging lachend darauf ein. Allerdings konnte der Geographielehrer, der mit seiner Schwester die Wohnung teilte, den Kollegen Belikow überhaupt nicht leiden. Der kräftige Ukrainer warf also Belikow während dessen kameradschaftlichen Hausbesuches – Warenka war gerade einmal abwesend – die Treppe hinunter. Nach dem nervenaufreibenden oben erwähnten Schweigen des Besuchers war es einer Lappalie wegen doch noch zum letztendlich recht handfesten Krach gekommen.
Einen Monat nach dem Rausschmiss stirbt Belikow im Bett. An der Beerdigung nimmt das Lehrerkollegium und sein Anhang teil. Warenka weint, als der Sarg mit dem Toten in die Grube fährt. Einen Trost hat die Trauergemeinde. Es scheint, als sei der Verstorbene zufrieden. Er liegt in seinem Sarg wie in einem Futteral.
Verfilmung
- Am 25. Mai 1939 hatte in der damaligen Sowjetunion der Film Der Mensch im Futteral[6] von Isidor Annenski seine Premiere. Nikolai Chmeljow[7] spielte den Belikow, Michail Scharow den Kowalenko und Olga Androwskaja[8] seine Schwester Warenka.
Deutschsprachige Ausgaben
- Der Mensch im Futteral und andere Erzählungen. Übersetzung Ottomar Schwechheimer und Walter Richter-Ruhland. Habbel Verlag, Regensburg 1949. 125 Seiten
- Der Mensch im Futteral. Erzählungen. Übersetzt von Kay Borowsky. Nachwort von Ludolf Müller. Reclam, Stuttgart 1978, 334 Seiten, ISBN 3-15-009901-3
Verwendete Ausgabe
- Der Mensch im Futteral. Deutsch von Gerhard Dick. S. 336–351 in Wolf Düwel (Hrsg.): Anton Tschechow: Die Dame mit dem Hündchen. Meistererzählungen. (enthält noch: Die Gattin. Anna am Halse. Weißstirnchen. Der Mord. Ariadna. Das Haus mit dem Zwischenstock. Mein Leben. Die Bauern. Der Petschenege. In der Heimat. Auf dem Wagen. Bei Bekannten. Die Stachelbeeren. Von der Liebe. Jonytsch. Ein Fall aus der Praxis. Herzchen. Das Neue Landhaus. Auf der Dienstreise. Zur Weihnachtszeit. In der Schlucht. Der Bischof. Die Braut). 612 Seiten. Rütten & Loening, Berlin 1967 (1. Aufl.)
Weblinks
- Der Text
- Человек в футляре (Чехов) (russisch)
- online bei litmir.info (russisch)
- online bei Lib.ru/Klassiker (russisch)
Einzelnachweise
- Düwel in der Nachbemerkung der verwendeten Ausgabe, S. 592–593
- russ. Die Kleine Trilogie (Memento des Originals vom 20. März 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. in der Russischen Staatsbibliothek
- Düwel in der Nachbemerkung der verwendeten Ausgabe, S. 593, 12. Z.v.o.
- russ. Мироносицкое
- Anthropos
- Der Mensch im Futteral in der IMDb, siehe auch russ. Человек в футляре (фильм)
- russ. Хмелёв, Николай Павлович
- russ. Андровская, Ольга Николаевна