Demokratieförderung
Unter Demokratieförderung (engl.: democracy promotion oder democracy building) versteht man Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit, durch die Demokratisierungsprozesse angestoßen, gestärkt oder auch stabilisiert werden sollen (siehe auch Demokratisierung). Der Begriff wird oft im Zusammenhang mit der Transformation der sozialistischen Staaten des ehemaligen Ostblocks Anfang der 1990er Jahre und im Zusammenhang mit der Entwicklung von Demokratien in der Dritten Welt verwendet.
Demokratieförderung im weiteren Sinne
Demokratieförderung im weiteren Sinne versucht, solche Bedingungen zu schaffen und zu verbessern, durch die Prozesse der Demokratisierung erst möglich werden. Es gibt hierzu unterschiedliche Ansätze.
- In Anlehnung an die Modernisierungstheorie wird davon ausgegangen, dass sich durch sozio-ökonomische Entwicklung die Kräfteverhältnisse in einer Gesellschaft verschieben – wodurch es dann zu einem Wertewandel kommt.
- Der Ansatz, Menschenrechte, Minderheitenrechte und Emanzipationsbewegungen zu fördern, hat hingegen das Ziel, das Individuum zu stärken und so Herrschaft zu begrenzen.
- Ähnlich wird auch bei der Konfliktbearbeitung vorgegangen. Hier geht es jedoch auch darum, erst einmal einen stabilen, friedlichen Rahmen zu schaffen, der dann die Voraussetzung für Demokratisierung bietet.
Demokratieförderung im engeren Sinne
Zur Demokratieförderung im engeren Sinne gehören politische Eingriffe, durch welche pro-demokratische Kräfte und demokratische Institutionen gestärkt werden. Unterscheiden kann man hier zwischen indirekten und direkten Ansätzen.
- Zu den indirekten Ansätzen gehört es, gute Regierungsführung (Good Governance) zu unterstützen und pro-demokratische Kräfte in Parteien, Gewerkschaften, Medien und der Zivilgesellschaft zu fördern.
- Eine direkte Form von Demokratieförderung ist es hingegen, gezielt einzugreifen, um ein autoritäres Regimes durch ein demokratisches Regime zu ersetzen. Hierbei spricht man von „regime change“.
Demokratieförderung in Deutschland
Das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erklärt:
„Um Demokratisierungsprozesse und den Aufbau von Rechtsstaaten zu fördern, hat Deutschland mit zahlreichen Partnerländern eine Entwicklungszusammenarbeit mit dem Schwerpunkt ‚Demokratie, Zivilgesellschaft, öffentliche Verwaltung (Governance)‘ vereinbart. Das BMZ engagiert sich insbesondere für den Schutz der Menschenrechte, die politische Teilhabe aller Bevölkerungsschichten und die Medienfreiheit.[2]“
Ähnliche Ansätze verfolgen auch regierungsnahe Institutionen wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)[3] sowie die Parteinahen Stiftungen. Die grünnahe Heinrich-Böll-Stiftung hat sich Demokratieförderung als besonderen Arbeitsschwerpunkt gesetzt, wozu in ihrem Verständnis auch die Geschlechterdemokratie und die Förderung der Anerkennung vielfältiger sexueller Orientierungen und Geschlechtsidentitäten gehört.[4]
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey forderte nach den Ausschreitungen in Chemnitz 2018 angesichts der fremdenfeindlichen Demonstrationen ein Gesetz zur Demokratieförderung. Ein solches Gesetz müsse „unmissverständlich klar machen, dass es auch die Aufgabe des Staates sei, die demokratische Bildung junger Menschen auf allen Ebenen zu organisieren“. Vor allem bei der politischen Bildung junger Menschen gebe es Nachholbedarf.[5]
Demokratieförderung durch die EU
Für die Europäische Union ist Demokratieförderung ein Anliegen von großer Bedeutung. Grundlage hierfür sind die Artikel 2 und 21 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) sowie Artikel 205 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
Im Einzelnen erklärt die EU:
„Die weltweite Förderung der Demokratie ist eine vorrangige Aufgabe für die Europäische Union. Als Reaktion auf die politischen Veränderungen der jüngsten Zeit hat die EU neue Strategien für die Demokratisierung entwickelt. Die Europäische Nachbarschaftspolitik wurde angepasst und basiert nun auf dem Prinzip „mehr für mehr“ und der Förderung von „tiefgehender Demokratie“. Als einziges direkt gewähltes Organ der EU setzt sich das Europäische Parlament in besonderem Maße für die Demokratieförderung ein.[6]“
Ziele und Instrumente
Die Ziele der Demokratieförderung konzentrieren sich auf drei Themengebiete:
- Freie Wahlen
- Demokratische Institutionen
- Zivilgesellschaft
Damit Wahlen frei und fair sind, setzt die Demokratieförderung auf Wahlberatung, organisatorische Unterstützung sowie Wahlbeobachtung. Ein weiteres Instrument ist es, die Arbeit demokratischer Parteien durch Beratung und organisatorische Unterstützung zu fördern.
Demokratieförderung kann außerdem auch darin bestehen, durch juristische Beratung demokratische Verfassungsprozesse zu unterstützen sowie durch institutionelle, personelle oder auch finanzielle Hilfen dazu beizutragen, dass sich eine unabhängige Justiz entwickelt.
Der Aufbau einer Zivilgesellschaft wird durch die Förderung von NGOs, der politischen Bildung der Bevölkerung, der Förderung freier Medien und freier Gewerkschaften gefördert.[7]
Literatur
- Andrea Gawrich: Demokratieförderung von Europarat und OSZE. Ein Beitrag zur europäischen Integration. Springer, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-531-19827-9
- Heinrich-Böll-Stiftung: Import/Export Demokratie: 20 Jahre Demokratieförderung in Ost-, Südosteuropa und dem Kaukasus, Berlin 2010, ISBN 978-3-86928-023-3
- Annette Jünemann, Michèle Knodt (Hrsg.): Externe Demokratieförderung durch die Europäische Union. Nomos, Baden-Baden 2007, ISBN 9783832927943
- Wolfgang Merkel: Strategien der Demokratieförderung. Konzept und Kritik. In Joachim Raschke, Ralf Tils: Strategie in der Politikwissenschaft. Konturen eines neuen Forschungsfelds. VS Verlag, Wiesbaden 2010, S. 169.
Siehe auch
Weblinks
- Paula J. Campay and Thomas Carothers, Democracy Promotion, Foreign Affairs, May/June 2003
- Materialien zum Thema Demokratieförderung, Materialsammlung und Dossier der Heinrich-Böll-Stiftung (deutsch und englisch)
Einzelnachweise
- CPI 2019
- BMZ - Glossar
- GIZ: Demokratieförderung. Für einen konstruktiven Dialog zwischen Staat und Bürger
- Heinrich-Böll-Stiftung: Demokratie Dort heißt es u. a.: „Die Stärkung der Zivilgesellschaft und demokratisch legitimierte Parlamente sind unser Anliegen. Wir wollen die politischen und sozialen Rechte von Frauen stärken und setzen uns gegen die Diskriminierung und Kriminalisierung von Menschen ein, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht den Mehrheitsnormen entspricht, kurz: LSBTI.“
- Franziska Giffey will Gesetz zur Förderung der Demokratie. In: Zeit online. 5. September 2018, abgerufen am 21. September 2018.
- Europäisches Parlament: Demokratieförderung und Wahlbeobachtung
- Matthias Freise: Externe Demokratieförderung in postsozialistischen Transformationsstaaten, S. 39