David Nelting
Hans Christian David Nelting (* 15. August 1971 in Aachen) ist ein deutscher Romanist und Literaturwissenschaftler. Seit 2008 ist er Professor an der Ruhr-Universität Bochum.[1] Er lebt mit seiner Familie in Bochum.
Leben
David Nelting wuchs in der belgischen Gemeinde Raeren auf und besuchte dort die Grundschule. Anschließend ging er auf die katholische Jungenschule Collège Patronné (Pater-Damian-Sekundarschule), wo er 1989 das Abitur ablegte.
Von 1989 bis 1994 studierte er an der RWTH Aachen Romanische Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Romanische Sprachwissenschaft. 1994 erhielt er den Magisterabschluss. Für die Magisterarbeit wurde er 1995 mit dem Friedrich-Wilhelm-Preis der RWTH ausgezeichnet. Im darauffolgenden Jahr wurde er bei Hans Felten mit einer Arbeit zu Alain Robbe-Grillet und dem Nouveau Roman zum Dr. phil. promoviert. Bis 1999 war er Wissenschaftliche Hilfskraft bei Felten und übernahm Lehraufträge an den Universitäten Marburg und Chemnitz. Ab 1999 war er Wissenschaftlicher Assistent an der TU Chemnitz bei, ab 2001 an der LMU München. In München war Gerhard Regn sein akademischer Lehrer, der auch die Habilitationsschrift begleitete. 2005 habilitierte David Nelting sich im Fach Romanische Philologie an der LMU, die daraus folgende Habilitationsschrift trägt den Titel Frühneuzeitliche Pluralisierung im Spiegel italienischer Bukolik und ist die erste deutsche Monographie zur Bukolik[2]. Sie beschäftigt sich mit einer Vielzahl an Autoren (u. a. Theokrit, Iacopo Sannazaro, Torquato Tasso, Battista Guarini, Giovan Battista Marino) und zeigt die Nutzbarkeit des fiktionalen Systems der Bukolik für die Generierung von Autorität im außerfiktionalen Bereich. An unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel Liebeskonzepten, höfischem Verhalten oder poetischen Modellen wird die frühneuzeitliche imitatio erläutert und wie der (rinascimentale) Wettstreit um Autorität und die frühneuzeitliche Pluralisierung von Wahrheitssystemen über die Grenzen der Fiktion hinaus Auswirkungen haben.
Anschließend an die Habilitation wurde David Nelting Wissenschaftlicher Mitarbeiter in München im Forschungsprojekt zur „Autorschaft in der italienischen Frühen Neuzeit“[3], in dem ähnliche Problemfelder um Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit diskutiert und grundsätzliche epistemische Erkenntnisse zur europäischen Vorreiterrolle des Autors in der italienischen Dichtung am Übergang von Mittelalter und Renaissance formuliert wurden.
Sein weiterer Weg führte ihn 2007 nach Bochum, wo er im Alter von 36 Jahren den Ruf auf eine Professur für „Romanische Philologie, insbesondere italienische Literatur“[4] annahm. Seit 2015 ist er Mitherausgeber des Romanistischen Jahrbuches. Außerdem übt er Gutachtertätigkeiten für die Leopoldina-Nationale Akademie der Wissenschaften, für die DFG, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung und die Fritz Thyssen Stiftung aus.
In Bochum ist er Mitglied im Rotary Club und im rotarischen Jahr 2020/2021 bekleidete er das Amt des Präsidenten.[5]
Seiner Heimat an der deutsch-belgischen Grenze ist David Nelting bis heute verbunden, was sich auch in der literarischen Beschäftigung mit Belgien (z. B. den Comics von Hergé) niederschlägt. In der Lehre engagiert er sich vor allem im italienisch- und französischsprachigen Bereich, wobei er auch kulturelle Themen behandelt, wie zum Beispiel Belgien, die italienische Resistenza und den italienischen Film des 20. Jahrhunderts.
Aktuelle Forschungsprojekte
Die Forschung zur Autorschaft in der Frühen Neuzeit führt David Nelting in Bochum fort, vertieft die Studien zu Dante und richtet den Blick vermehrt auch auf den französischsprachigen Bereich. Aus dem 2012 bei der Fritz Thyssen Stiftung eingeworbenen Projekt zum Thema „Singularisierung – Sodalisierung. Poetische Selbstautorisierung in der italienischen und französischen Literatur der Frühen Neuzeit“[6] gehen Publikationen[7] zu Dante, Francesco Petrarca, Pietro Bembo, Pietro Aretino, Joachim Du Bellay, Giovan Battista Marino und weiteren Autoren hervor und schließlich 2021 der Sammelband Poetische Selbstautorisierung in der Frühen Neuzeit. Denkvoraussetzungen und Modelle[8], der auch Texte aus benachbarten Disziplinen enthält. Es wird ein Panorama der wichtigsten rinascimentalen Autoren eröffnet und vor dem Hintergrund der Konzepte der ‚Singularisierung und Sodalisierung‘ untersucht, wobei literarische Strategien aufgedeckt werden, die zeigen, wie die Autorin ihre Autorität immer sowohl gemeinschaftlich aus einem echten oder fiktiven Kollektiv ziehen als auch sich als außergewöhnliche Autorfiguren herausstellen.
An den Forschungsschwerpunkt zur Frühen Neuzeit schließen weitere Projekte an, die die Autoritätsthematik auf neue Fragestellungen erweitern und in die späte Renaissance und den Barock führen: Eines der Projekte ist ein Teilprojekt unter dem DFG-geförderten Dachkonzept „Diskursivierungen von Neuem: Tradition und Novation in Bildern und Texten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit“[9] der Forschungsgruppe 2305 unter der Leitung von Bernhard Huß. Es trägt den Titel „Canto l’arme pietose. Hybridisierungen von ‚alt‘ und ‚neu‘ in Epos und Epostheorie des Secondo Cinquecento“[10] und beschäftigt seit 2016 mit Torquato Tasso. Dessen ‚alte‘ und ‚neue‘ Bezugssysteme (z. B. posttridentinisch konfessionellen Diskursen, humanistischen Predigtlehren, romanzo cavalleresco oder der Liebeslyrik) werden unter dem Begriff der Hybridisierung als gleichgestellt gelesen.[11]
2019 schließt ein Fortsetzungsprojekt mit dem Titel „formar modelli nuovi. Marinos Poetik des ‚Neuen‘ und die Struktur des literarischen Barock in Italien“ an[12][13]. Im Mittelpunkt steht hier der neapolitanische Barockdichter Giovan Battista Marino. Hier ist das Amalgam theoretischer Rahmen und kommt vor allem für die Untersuchung von Marinos Epos L’Adone zum Einsatz: Auch hier geht es darum, das Spannungsverhältnis zwischen der gleichzeitigen Aneignung und Aberkennung der humanistischen Diskursregeln zu reflektieren. In beiden Teilprojekten sollen kulturelle Dynamiken als ‚Verschränkungen‘ gedacht werden und nicht in starren dichotomischen Oppositionen von ‚alt‘ und ‚neu‘[14][15].
Ein neues Projekt soll sich mit dem französischen Realismus befassen.
Forschungsinteressen
Insgesamt beschäftigt sich David Nelting vor allem mit Autoren des klassischen Kanons der italienischen und französischen Literatur; regelmäßig publiziert er vor allem zu Autoren des 13.–17. Jhdts., aber auch zum 19. und 20. Jahrhundert, frühere Publikationen beschäftigen sich auch mit zeitgenössischer Literatur und dem Mittelalter sowie mit spanischen Autoren. David Nelting verbindet in seiner Forschung große Fragen (zur Autorschaft, zu Übergänglichkeiten zwischen (epochal) dichotomisch gedachten Konzepten oder zum Status von Fiktion und Fakt in literarischen Texten) mit akkurater philologischer Arbeit am Text.
Publikationen
- Autorité et constitution d’autorité poétique dans la première modernité: Pétrarque et Joachim Du Bellay, in: Savoirs en Prisme (revue en ligne) 3 (2014).[16]
- „Autorità poetica e performatività metafittizia: la messinscena del personaggio di Fileno nell’opera di Giovan Battista Marino“, in: Josep Solervicens (Hg.): Metaficció: Renaixement & Barroc (Poètiques, 5), Punctum, Barcelona 2018, S. 27–56.
- „Un sogno cheto perché gli rivelasse alto decreto… On the Poetic and Epistemic Significance of the Dream in Torquato Tasso’s Gerusalemme liberata“, in: Dietrich Scholler / Xuan Jing (Hg.), Traumwissen und Traumpoetik von Dante bis Descartes, Göttingen 2020, S. 155–177.
- (mit Rosemary Snelling, Hgg.): Poetische Selbstautorisierung in der Frühen Neuzeit. Denkvoraussetzungen und Modelle, Berlin: De Gruyter 2021.
Einzelnachweise
- Ruhr-Universität Bochum: Prof. Dr. David Nelting. Abgerufen am 6. August 2021.
- Frühneuzeitliche Pluralisierung im Spiegel italienischer Bukolik. Abgerufen am 24. Juli 2021.
- Fritz Thyssen-Forschungsprojekt "Literarische Autorschaft in der Frühen Neuzeit" (Regn) - Institut für Italienische Philologie - LMU München. Abgerufen am 24. Juli 2021.
- Ruhr-Universität Bochum. Abgerufen am 24. Juli 2021.
- Rotary Club. Abgerufen am 24. Juli 2021.
- Singularisierung – Sodalisierung. Poetische Selbstautorisierung in der italienischen und französischen Literatur der Frühen Neuzeit : Geförderte Vorhaben : Förderung : Fritz Thyssen Stiftung. Abgerufen am 24. Juli 2021.
- Homepage: Publikationen. Abgerufen am 9. August 2021.
- Poetische Selbstautorisierung in der Frühen Neuzeit. De Gruyter, 2020, ISBN 978-3-11-068660-9, doi:10.1515/9783110686609/html (degruyter.com [abgerufen am 24. Juli 2021]).
- Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Abgerufen am 24. Juli 2021 (deutsch).
- Diskursivierungen von Neuem. Tradition und Novation in Texten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. 24. Juni 2016, abgerufen am 24. Juli 2021.
- Hybridisierung von 'alt' und 'neu' in Epos und Epostheorie. Abgerufen am 30. Juli 2021.
- Diskursivierungen von Neuem. Tradition und Novation in Texten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. 24. Juni 2016, abgerufen am 24. Juli 2021.
- TP 05. 29. Juni 2016, abgerufen am 30. Juli 2021.
- Ruhr-Universität Bochum. Abgerufen am 24. Juli 2021.
- formar modelli nuovi. Abgerufen am 24. Juli 2021.
- Autorité et constitution d’autorité poétique dans la première modernité: Pétrarque et Joachim Du Bellay. Abgerufen am 7. August 2021.