Charlotte Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel
Charlotte Christine Sophie (* 28. August 1694 in Wolfenbüttel; † 22. Oktoberjul. / 2. November 1715greg. in Sankt Petersburg), Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel, Zarewna von Russland.
Leben
Charlotte Christine war die dritte Tochter des Herzogs Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel und von dessen Gemahlin Christine Luise von Oettingen-Oettingen.
Im Dezember 1700 wurde Charlotte Christine von ihren Eltern an den Hof der sächsischen Kurfürstin und polnischen Titularkönigin Christiane Eberhardine zur Erziehung gegeben. Die folgenden Jahre lebte sie darum vorrangig an deren Hof in Torgau, Pretzsch sowie Dresden.
Im Jahr 1707 fasste der russische Zar Peter I. den Entschluss seinen Sohn Zarewitsch Alexei mit einer deutschen Prinzessin zu vermählen. Damit sollten die familiäre Verbindung der Romanows zum deutschen Hochadel verstärkt, dem Zarewitsch jedoch insbesondere die westeuropäische Kultur nähergebracht werden. Als Partnerin wurde Charlotte Christine auserkoren. Charlotte hatte anfangs erhebliche Bedenken dagegen, weil sie unter anderem zum orthodoxen Glauben konvertieren sollte. Das erste Kennenlernen des Zarewitsch und Charlotte Christines fand 1710 im böhmischen Kurbad Schlackenwerth statt, das Charlotte Christine im Gefolge von Christiane Eberhardine besuchte. In der Folge kam der Zarewitsch auch nach Torgau. Durch dieses persönliche Kennenlernen gab Charlotte Christine ihren Widerstand gegen eine Verbindung auf. Der Ehevertrag wurde von dem dänischen Gesandten J.Ch. von Urbich und dem braunschweigischen Geheimen Rat J.Ch. von Schleinitz ausgehandelt und am 19. April 1711 von Peter I. bestätigt.
Am 25. Oktober 1711 fand daraufhin die Eheschließung des jungen Paares in Christiane Eberhardines Residenz Schloss Hartenfels in Torgau statt. Diese übernahm dafür sämtliche Kosten; also auch die Aussteuer Charlotte Christines. Zur Feier waren die Eltern der Braut, ihr Großvater Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel und natürlich Zar Peter mit vielen russischen Fürstlichkeiten angereist. Die anschließenden Festlichkeiten dauerten vier Tage.
Nachfolgend lebte Charlotte Christine in Thorn und Elbing und litt unter den Misshelligkeiten ihres Hofstaates, weil Gelder ausblieben. Auch setzte gegen sie eine Intrige ein, in welcher sie eines Verhältnisses mit F.C. von Pöllnitz, dem Kammerherrn und Stallmeister ihres Gemahls, beschuldigt wurde. Dass ihre Eltern ihr Vorwürfe machten, veranlasste Charlotte Christine 1712 zu ihnen nach Wolfenbüttel zu reisen und sie von ihrer Unschuld zu überzeugen. Damit verärgerte sie den Zaren, mit dem sie sich aber aussöhnte, als dieser auf der Rückreise von Hannover in Wolfenbüttel Station machte. Bald darauf trat sie die Reise nach Russland an.
Das Zerwürfnis zwischen Alexej und seinem Vater Peter I., Charlotte Christines Weigerung den russisch-orthodoxen Glauben anzunehmen und Alexejs Trunksucht verschlechterte bald das Verhältnis zwischen den Eheleuten.
1714 gebar sie ihre Tochter Natalja († 1728), und starb Anfang November 1715, einige Tage nach der Geburt des späteren Zaren Peter II., an Kindbettfieber. Seinen Sohn Alexei klagte Zar Peter wegen Verschwörung an und ließ ihn brutal foltern, weil er nicht auf die Thronfolge verzichten wollte. An den Folgen der Folter verstarb er.[1]
Als erstes Mitglied des Zarenhauses wurde Charlotte Christine in der damals noch unvollendeten Peter- und Paul-Kathedrale in Sankt Petersburg beigesetzt.
Literarisches Nachleben
50 Jahre nach ihrem Tod tauchten Gerüchte auf, Charlotte sei damals nicht gestorben, habe später als Frau eines französischen Offiziers in Amerika gelebt und ihren Lebensabend, finanziell unterstützt von ihrer Nichte Kaiserin Maria Theresia von Österreich, in Europa verbracht.
Dieses Schicksal wurde vom Schriftsteller Heinrich Zschokke in einer Novelle thematisiert. Die Schauspielerin und Schriftstellerin Charlotte Birch-Pfeiffer verarbeitete das Leben Charlotte Christines später in einem Opernlibretto, zu dem Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha die Musik komponierte.
Literatur
- Johann Christian Lünig. Theatrum Ceremoniale oder Historisch-Politischer Schauplatz aller Ceremonien. 2. Teil. Ceremoniell bei dem zu Torgau zelebrierten Beilager des Zarischen Kronprinzen, Herrn Alexej Petrowitz, de anno 1711, S. 479.
- Wladimir Guerrier. Die Kronprinzessin Charlotte von Rußland/Schwiegertochter Peters des Großen nach ihren noch ungedruckten Briefen 1707–1715, Bonn 1875.
- Manfred von Boetticher: Braunschweigische Fürsten in Russland in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Göttingen 1998
- Ferdinand Spehr: Charlotte Christine Sophie. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 4, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 103.
- Charlotte Birch-Pfeiffer: Santa Chiara oder die Auferstandene. Romantische Oper in drei Aufzügen, Reclam, Leipzig 1900.
- Je.W. Ptschelow: Monarchen von Russland (Монархи России), Olma-Press, Moskau 2003, Seite 428.
Einzelnachweise
- N.N.: Alexei. In: Meyers Kleines Konversations-Lexikon. Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig u. Wien 1893, S. 44.