Charles de Watteville
Charles de Watteville (* 1605 in Nozeroy[1]; † 1670 in Lissabon) war ein aus der Bourgogne-Franche-Comté stammender Militärkommandant und Diplomat im Dienst des spanischen Königs Philipp IV.
Herkunft
Charles de Joux, baron de Watteville (auch: Charles Watteville de Joux, Don Carlos de Batteville oder Charles de Vatteville, der Name lehnt sich an den Ort Wattenwil an), comte de Corvierre (auch: Corviers, heute La Corbière, ab 1678 französisch), Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, entstammte einem Zweig der Berner Patrizierfamilie Wattenwyl[2], der schon lange im Dienste des Hauses Habsburg stand.
Militärische Dienste
Im Dreißigjährigen Krieg diente Charles de Watteville (spanisch: Barón de Batteville) 1623 in burgundischen Heeresteilen unter spanischer Fahne im Kampf gegen die Franzosen im Veltlin. 1638 erhielt er das Kommando über ein burgundisches Tercio (spanische Infanterieeinheit) und war im habsburgischen Herzogtum Mailand bei der Verteidigung von Trino eingesetzt, das 1643 von Marschall Turenne belagert wurde. Sodann verteidigte er 1646[3] Festungen in der Toskana und nahm 1648 im Rang eines Maréchal de camp an der Rückeroberung von Neapel teil. Er führte auch diverse Verhandlungen im Namen des spanischen Königs.
Weitere Missionen zur Schwächung der französischen Königsmacht führten ihn zu den Frondeuren nach Bordeaux. Am 16. Januar 1650 traf er auf Einladung der dortigen Heerführer Sauvebœuf und Lusignan ein und wohnte am 18. Januar wohl auch der Totenmesse zu Ehren des jüngst gefallenen Frondeur-Generals Chamberet bei. Bevor es jedoch zu weiteren Vereinbarungen kommen konnte, wurde Watteville vom Bordelaiser Parlement im selben Monat, unverrichteter Dinge, ausgewiesen, um den aktuellen Friedensvertrag der Stadt Bordeaux mit der französischen Krone einzuhalten.[4]
Beim Wiederaufflammen der Kämpfe, schickte Watteville, seit 1651 auf Empfehlung des Luis de Haro[5] Gouverneur und Capitaine-général der spanischen Grenzfestung San Sebastian in Gipuzkoa, dennoch Unterstützungen an die Frondeure. So wurde am 8. August 1652 eine etwa 1000 Mann starke irische Söldnertruppe[6] angelandet, und später eine Intervention durch die spanische Flotte in der Schlacht bei Bordeaux (1653) veranlasst.[7]
Botschafter in London
Nachdem er 1654[3] von einem Onkel mütterlicherseits die Grafschaft Corviers (La Corbière) geerbt hatte, wurde er 1660 von König Philipp IV. aus Gipuzkoa abberufen und zum permanenten Botschafter in London (Ambassador to the Court of St James’s) auserkoren, und zwar als Nachfolger seines Neffen II. Grades Jean Charles de Watteville-Conflans (1628–1698), der dort zuvor außerordentlicher Botschafter gewesen war.[8] Jean Charles war, kurz nachdem Karl II. mit seiner Thronbesteigung am 29. Mai 1660 die Englische Republik beendet hatte, als dessen ehemaliger Kampfgefährte, nach London gesandt worden.
Am 7. September 1660 wurde Charles de Watteville nach London geschickt und ersetzte dort seinen Neffen Jean-Charles, Marquis de Conflans, der nach Flandern zurückkehrte. Am 15. Februar 1661 forderte Lord High Treasurer, Thomas Wriothesley, 4. Earl of Southampton von Charles de Watteville Zoll für die Einfuhr von 20 Tonnen spanischen und französischen Weins.[9]
In dieser Zeit verschlechterten sich die anglo-hispanischen Beziehungen weiterhin aufgrund der Parteinahme des englischen Königs für Portugal und der kriegstreiberischen Politik des Lord Clarendon.[5] Clarendon nahm auch Anstoß an der Person Wattevilles und beschrieb ihn wie folgt:[10]
„[…] Ein rüder Mann, der vom Land zu stammen scheint, aber die höfischen Intrigen besser beherrscht als die meisten Spanier, und außer wenn ihn seine Leidenschaft übermannt, in seinen Verhandlungen stets bedacht und gerissen vorgeht […]“[11]
Londoner Kutschenstreit
Am 30. September 1661 kam es dann beim Einzug des neuen schwedischen Botschafters Brahe in London tatsächlich zu einer, als Londoner Kutschenstreit in die Geschichte eingegangenen, Rangelei der spanischen Delegation unter Botschafter Watteville und der französischen Delegation unter d’Estrades um den Vortritt im Zeremoniell, was in Auseinandersetzungen bewaffneter Diener und Parteigänger beider Seiten[12] mit mehreren Toten[13] ausartete.
Neue Gesandte in London wurden allgemein mit einem Umzug, an dem sich das diplomatische Corps beteiligte, zu ihrer Residenz begleitet. Watteville hatte hierfür seine Kalesche und etwa vierzig Mann bewaffnete Botschaftsdiener zur Tower Wharf an die Themse entsandt. Die Kalesche des Gesandten von Ludwig XIV., Godefroi, comte d’Estrades, war dort ebenfalls vorgefahren. Estrades hatte zudem seinen Sohn mit etwa 150 Mann Botschaftspersonal entsandt, von welchen 40 Feuerwaffen mitführten. Als der schwedische Gesandte an Land gegangen war und in der königlichen Kalesche Platz genommen hatte, versuchte die französische Kalesche, sich vor die spanische zu drängen, was Wattevilles Spanier abwehrten.[14] Die Franzosen waren zwar gut bewaffnet, doch im folgenden Handgemenge gewannen die Spanier die Oberhand, da sie vorsorglich zahlreiche Schaulustige bestochen hatten.
Das französische Botschaftspersonal attackierte nun das spanische mit Hieb- und Schusswaffen. In Selbstverteidigung töteten Spanier und „verpflichtete“ Anwohner zwei Pferde vor der französischen Kalesche, verwundeten einen Gesandten sowie Angehörige der Delegation des französischen Botschafters tödlich, zogen den französischen Kutscher vom Kutschbock und behaupteten ihren privilegierten Platz in der Parade. Daher konnten die Franzosen nur noch an nachrangiger Stelle am Einzug teilnehmen. Allgemein erkannte man die Spanier als Sieger in diesem Kleingefecht an, das mehrere Todesopfer gefordert hatte.
Als fünf Tage später Ludwig XIV. von dem Vorfall erfuhr[15], ließ er erbost den spanischen Botschafter aus Frankreich ausweisen und wies seinen Botschafter am Hof von Philipp IV. (Spanien) an, unter Androhung von Krieg Genugtuung zu verlangen, welche darin bestehen sollte, dass Watteville bestraft und zur Persona non grata an den Höfen erklärt würde. Zudem forderte Ludwig XIV. eine öffentliche Entschuldigung des Königs von Spanien und den uneingeschränkten Vorrang Frankreichs in allen Angelegenheiten und an allen Höfen Europas. Der Botschafter Frankreichs in Spanien wurde sodann abgezogen.
Daraufhin erwirkte der neue französische außerordentliche Botschafter Aubusson in Spanien von Philipp IV. die Entsendung eines spanischen Sonderemissionärs, Marques de la Fuente, nach Paris, um dort das Verhalten von Wattewille öffentlich zu missbilligen und zu verkünden, dass der allerchristlichste spanische König seinen Botschaftern verboten hätte, Rivalitäten auszuleben. Am 24. März 1662 fand eine Entschuldigungsaudienz des spanischen Gesandten Fuente vor Ludwig XIV. statt.
Watteville war nach der Androhung der Kriegserklärung bereits unverzüglich[12] aus London nach Madrid[3] abberufen worden. Er wurde sodann 4 Jahre lang im Castillo de Torremocha (Santorcaz) bei Madrid gefangen gehalten, um ihm Gelegenheit zum Überdenken der ihm vorgeworfenen Vergehen zu geben, wobei jedoch recht milde Haftbedingungen vermutet werden können, selbst obwohl diese Strafmaßnahme aus damaligen politischen Gründen öffentlich durchgeführt werden musste.[17] Diese „Strafe“ hatte wohl vor allem den Zweck, etwaigen weiteren Kompensationsforderungen des „beleidigten“ französischen Königs zuvorzukommen.
Spätere Laufbahn als Diplomat
Bald nach dem Tod Philipps IV. konnte sich Watteville erneut öffentlich des Vertrauens des spanischen Königshauses erfreuen und wurde 1666 von der spanischen Regentin, der Königinwitwe Maria Anna von Habsburg, als außerordentlicher Botschafter nach Rom versetzt, wo er mit seinem Bruder, dem spanischen Botschafter in den Schweizer Kantonen, Jean de Watteville, bei der Vorbereitung eines Defensivbündnisses kooperierte, das die Sicherheit der Freigrafschaft Burgund garantieren sollte. Er nahm dann im Zuge des Restaurationskriegs an Verhandlungen zur Verteidigung der umstrittenen Freigrafschaft Burgund teil, die von den Franzosen beansprucht wurde (die zuvor Portugal, sogar mit Expeditionstruppen unter Marschall Friedrich von Schomberg aktiv gegen Spanien unterstützt hatten). Um 1668 wurde Watteville der neue spanische Botschafter in Portugal, wo er 1670 verstarb.[3] Kurz vor seinem Tod war er von Maria Anna von Habsburg noch zum Ritter des Orden vom Goldenen Vlies ernannt worden.
Familie
Über Ehen und etwaige Nachkommen ist nichts bekannt. Seine ungefähre Abstammung[18] und (noch heute oft verwechselten) näheren Verwandten sind wie folgt:
Jacques II. Seigneur de Watteville, Schultheiss von Bern; ⚭ Magdalena von Muleren
- Jean-Jacques de Watteville († 1560, Schweizer Militär); ⚭ Rose de Chauvirey
- Nicolas de Watteville, ab 1598 Marquis de Versoy; ⚭ Anne de Grammont de Joux
- Guerhard (Gérard) de Joux de Watteville, Marquis de Conflans[19] (1575–1637), Oberkommandierender der spanischen Truppen 1635 in Burgund; dann Savoyer Diplomat[3]; ⚭ Catherine de Boba
- Philippe-François de Watteville, Marquis de Conflans, Comte de Busselin etc. (* 1601; † 1635 in Bletterans an Pest); ⚭ Louise-Christine von Nassau-Dillenburg, Tochter des Grafen Johann II. von Nassau-Dillenburg und der Marguerite Herzogin von Holstein-Sonderburg
- Thomas-Eugen, Rittmeister († 1650 Schlacht bei Rethel)
- Jean, Hauptmann der Infanterie († Italien)
- Jean Charles de Watteville (* 1628; † 1699), Marquis de Conflans (Marquis de Batteville), Kavalleriegeneral in Flandern, Gouverneur von Luxemburg († 1699); ⚭ 1655 Desle de Bauffremont († 1682), Tochter des Joachim, Marquis de Listenois
- zahlreiche Nachkommen, u. a. Charles-Emmanuel de Watteville, Marquis de Conflans (spanischer Generalleutnant bis 1701; † in Burgund)
- Anne-Desirée; ⚭ Jacques de Saint-Maurice, comte de Bosjean
- Marie, Äbtissin
- Philippe-François de Watteville, Marquis de Conflans, Comte de Busselin etc. (* 1601; † 1635 in Bletterans an Pest); ⚭ Louise-Christine von Nassau-Dillenburg, Tochter des Grafen Johann II. von Nassau-Dillenburg und der Marguerite Herzogin von Holstein-Sonderburg
- Jean, Bischof von Lausanne, † 1649
- Pierre de Watteville de Joux (1571 ? – ermordet 1631 in Katalonien), Kavalleriegeneral; ⚭ Giuditta di Brebbia, Gräfin von Corvier, auch Judith de Berbier (* Mailand; † 1682)[20]
- Guerhard (Gérard) de Joux de Watteville, Marquis de Conflans[19] (1575–1637), Oberkommandierender der spanischen Truppen 1635 in Burgund; dann Savoyer Diplomat[3]; ⚭ Catherine de Boba
- Nicolas de Watteville, ab 1598 Marquis de Versoy; ⚭ Anne de Grammont de Joux
Quellen und Anmerkungen
- Private Webseite, siehe Kapitel Watteville zum Geburtsort. Abgerufen am 16. Mai 2021
- Dictionnaire de la noblesse, François de La Chesnaye-Desbois: Dictionnaire de la noblesse (Schlesinger, Paris 1876, tome 19) Seite 1017 (online)
- Juan L. Sánchez: Tercios.Org «Charles Watteville de Joux, Barón de Watteville, Conde de La Corbière, Cabº del Toison» Archivierte Webseite (Abgerufen am 15. Mai 2021)
- Eckart Birnstiel: Die Fronde in Bordeaux, 1648–1653 (Verlag Peter Lang, 1985) Seite 366 (Eingeschränkte Vorschau) ISBN 978-3-8204-8480-9
- Real Academia de la Historia. Boletín de la Real Academia de la Historia, Volúmenes 145–147. Real Academia de la Historia, 1959. ISSN 0034-0626, Seite 104
- Eckart Birnstiel: Die Fronde in Bordeaux, 1648–1653 (1985) Seite 89
- Antonio Cánovas del Castillo: Historia de la decadencia de España, desde el advenimiento de Felipe III al trono hasta la muerte de Carlos II, 1910. Seite 496 (online)
- Tercios.org Archivierte Webseite (Abgerufen am 15. Mai 2021)
- http://www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=80027
- Pseudopodium «Memoirs of Count de Grammont.» Abgerufen am 16. Mai 2021
- …un hombre rudo, que parecía del campo, pero que realmente conocía las intrigas de la corte mejor que la mayoría de los españoles, y, excepto cuando su pasión lo sorprendió, fue cauteloso y astuto en sus negociaciones...
- «Pablo Rojas Paz: Hombres y momentos de la diplomacia. Colección Oro de Cultura General. Ed. Atlántida (1946), zitiert in der Webseite lasrelacionespublicas: Diplomacia. Origen de la palabra» (Abgerufen am 16 Mai 2010)
- Real Academia 1959, S. 107f.
- Keith Feiling, British Foreign Policy 1660-1972, S. 42
- Ana Álvarez López, Los negocios de Luis XIV en Madrid: la acción de sus embajadores en la corte madrileña (PDF; 2,0 MB)
- vgl. Castillo de Torremocha (Santorcaz), Spanische Wikipedia
- «para hacerle proceso de las demasías que le cargan, pero júzgase que librará bien aunque en lo público se hagan estas demostraciones por razones políticas que hoy se deben abrazar» (Paz und Meliá (Hrsg.), Avisos de D. Jerónimo de Barrionuevo (1654-58) y apéndice anónimo de 1660 a 1664, Madrid, M. Tello, 1892–1893, Band IV, Seite 398)
- nach Quellenlage widersprüchlich; hier nach François de La Chesnaye-Desbois: Dictionnaire de la noblesse (Schlesinger, Paris 1876, tome 19) Seite 1033 (online)
- Marquisat Conflans erhalten 6. März 1621, im Tausch gegen Marquisat Versoy, das 1602 an Frankreich abgetreten wurde
- Dictionnaire de la noblesse, François de La Chesnaye-Desbois et Badier - 1784, S. 683, Bd. 14
Literatur und Weblinks
- Real Academia de la Historia. Boletín de la Real Academia de la Historia, Volúmenes 145–147. Real Academia de la Historia, 1959. ISSN 0034-0626
- Eckart Birnstiel: Die Fronde in Bordeaux, 1648–1653 (Verlag Peter Lang, 1985) Seiten 113, 116, 196 (Eingeschränkte Vorschau) ISBN 978-3-8204-8480-9
- Hélène Thiéry: À la découverte d’un acteur de la Fronde à Bordeaux : la mission du baron de Vatteville (1649–1653). Artikel in Annales du Midi 121–265 (2009) S. 37–56 (Online als PDF. Abgerufen am 7. Februar 2021)
- Juan L. Sánchez: Tercios.Org «Charles Watteville de Joux, Barón de Watteville, Conde de La Corbière, Cabº del Toison» Archivierte Webseite (Abgerufen am 15. Mai 2021)
- Private Webseite, siehe Kapitel Watteville zum Geburtsort. (Abgerufen am 15. Mai 2021)
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Alonso de Peralta Cárdenas | Spanischer Gesandter in England 1660–1662 | Patricio Moledi |