Carl Hildebrand von Canstein
Freiherr Carl Hildebrand von Canstein (* 4. August 1667 in Lindenberg; † 19. August 1719 in Berlin) war brandenburgischer Hofbeamter und Stifter der Cansteinschen Bibelanstalt, der ältesten Bibelgesellschaft der Welt.
Leben
Carl Hildebrand wurde als Sohn des Hofkammerpräsidenten Raban von Canstein und dessen Frau Hedwig, geb. von Kracht, geboren. Seit Januar 1684[1] studierte er an der Viadrina in Frankfurt (Oder) und disputierte hier 1685 unter seinem juristischen Lehrer Samuel Stryk über die Geltung des römischen Rechts an deutschen Gerichten.[2]
Nach einer anschließenden zweijährigen Grand Tour durch Holland, England, Frankreich, Italien und Österreich wurde Carl Hildebrand 1688 nach dem Tod des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, besser bekannt als Großer Kurfürst, nach Berlin zurückgerufen. Dort schlug er zunächst die Laufbahn eines Hofbeamten ein. Den Hofdienst ablehnend, wurde er später Soldat und 1692 als Offizier nach Flandern geschickt (Pfälzischer Erbfolgekrieg), wo er an der Amöbenruhr erkrankte. Auf dem Krankenbett gelobte er, sein Leben der Verbreitung der Heiligen Schrift zu widmen, wenn er überlebe.
Nach seiner Genesung lernte Carl Hildebrand 1694 den großen Theologen und Vordenker des Pietismus, Philipp Jakob Spener kennen, dessen finanzieller Förderer er wurde. Die Diskussionen mit Spener bestimmten sein theologisches Weltbild. Über Spener lernte Carl Hildebrand später auch August Hermann Francke kennen, dessen Freund er wurde (Ihr umfangreicher Briefwechsel ist in Buchform veröffentlicht). Francke baute in Halle an der Saale ein diakonisches Zentrum auf, die später so genannten Franckesche Stiftungen zu Halle.
In der Zeit von 1703 bis 1718 war Carl Hildebrand Besitzer des Dahlwitzer Gutes und damit Kirchenpatron[3].
Von Francke inspiriert beschloss Carl Hildebrand, sein Vermögen für den Aufbau einer Bibelgesellschaft in Halle zu verwenden. Die 1710 gegründete Bibelanstalt ist die älteste Bibelanstalt der Welt und trägt bis heute den Namen Cansteinsche Bibelanstalt. Ziel war es, Bibeln als „Massendruck“ möglichst preiswert herstellen zu können (siehe auch „Stehender Satz“), um das Studium der Heiligen Schrift in deutscher Sprache auch weniger wohlhabenden Menschen zu ermöglichen. So kostete das Neue Testament 2 Groschen (ca. 1 Euro), eine Gesamtausgabe war schon für 6 Groschen (ca. 3 Euro) zu haben – ein buchhändlerischer Gewinn wurde nicht erzielt. Zu Lebzeiten Carl Hildebrands wurden zusammen 180.000 Bibeln und Neue Testamente gedruckt und verbreitet, bis 1800 stieg diese Zahl auf 2,7 Millionen Exemplare.
Carl Hildebrand heiratete im Jahr 1707 Bartha Sophia von Krosigk (1665–1718),[4] eine Tochter von Ludolf Lorenz von Krosigk und ehemalige Stiftsdame in Minden.[5] Er starb am 17. August 1719 und wurde in der Marienkirche in Berlin am Alexanderplatz beigesetzt, wo heute eine Gedenktafel an ihn erinnert. Da seine Ehe kinderlos blieb, vermachte er sein nicht unbeträchtliches Vermögen, seine märkischen und brandenburgischen Güter sowie seinen Anteil an Herrschaft und Schloss Canstein im Sauerland seiner Stiftung.
Werke (Auswahl)
- Ohnmaßgeblicher Vorschlag, wie Gotteswort den Armen zur Erbauung um einen geringen Preis in die Hände zu bringen sei, Halle 1710.
- Harmonie und Auslegung der heiligen vier Evangelisten, 9 Bde., Halle 1718.
Literatur
- Carl Heinrich Christian Plath: Carl Hildebrand Freiherr v. Canstein. Versuch eines Beitrages zur Geschichte des Spenerisch-Franckischen Pietismus. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1861; urn:nbn:de:bvb:12-bsb10062238-7.
- Oswald Bertram: Geschichte der Cansteinschen Bibelanstalt in Halle. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1863; urn:nbn:de:bvb:12-bsb10328885-3.
- Albrecht Ritschl: Geschichte des Pietismus. Band 2: Geschichte des Pietismus in der lutherischen Kirche des 17. und 18. Jahrhunderts. Erste Abtheilung. Adolph Marcus, Bonn 1884, S. 513ff.; Textarchiv – Internet Archive.
- August Schürmann: Zur Geschichte der Buchhandlung des Waisenhauses und der Cansteinschen Bibelanstalt in Halle a. S. Zur zweihundertjährigen Jubelfeier der Franckeschen Stiftungen 1698–1898. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1898; Textarchiv – Internet Archive.
- Wilhelm Fries: Die Cansteinsche Bibelanstalt und ihr Stifter Carl Hildebrand Freiherr von Canstein. Festschrift zur zweihundertjährigen Jubelfeier der Anstalt am 21. Oktober 1910. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1910 (Digitalisat).
- Friedrich Hauß: Väter der Christenheit. Band 2: Von den Hütern des reformatorischen Erbes bis zu Johann Christoph Blumhardt und seinen Geistesverwandten. Verlag Sonne und Schild, Wuppertal 1957, S. 33 f.
- Adolf Geprägs: Carl Hildebrand Freiherr von Canstein. Der Gründer der ersten Bibelanstalt. In: Menschen vor Gott: Persönlichkeiten aller Zeiten weisen zum Ewigen. Band 2: 1. Juli bis 31. Dezember. Hrsg. von Alfred Ringwald. Verlag Junge Gemeinde, Stuttgart 1958, S. 76 f.
- Eva Hoffmann-Aleith: Der Freiherr. Aus dem Leben des Frhr. Carl Hildebrand von Canstein. Roman. Luther-Verlag, Witten 1960.
- Oskar Söhngen (Hrsg.): Die bleibende Bedeutung des Pietismus. Zur 250-Jahrfeier der von Cansteinschen Bibelanstalt. Cansteinsche Bibelanstalt, Witten und Berlin 1960 (S. 109–131: v. C.s »Ohnmaßgeblicher Vorschlag«).
- Hans Urner: Carl Hildebrand Freiherr von Canstein. 250 Jahre Cansteinische Bibelanstalt. In: Zeichen der Zeit, 14, 1960, S. 382 ff.
- Günther Leppin: Carl Hildebrand Freiherr von Canstein. Ein Christ in den Spannungen seiner und unserer Zeit. Brunnen-Verlag, Gießen / Basel 1967 (Zeugen des gegenwärtigen Gottes, Band 177).
- Oskar Söhngen: Canstein und seine Bibelanstalt. In: Die Bibel in der Welt, 10, 1967, S. 105 ff.
- Peter Schicketanz (Hrsg.):. Der Briefwechsel Carl Hildebrand von Cansteins mit August Hermann Francke. Berlin 1972 (Texte zur Geschichte des Pietismus, Abt. 3: August Hermann Franckes handschriftlicher Nachlass, Band 1); urn:nbn:de:gbv:ha33-1-6004.
- Peter Schicketanz: Carl Hildebrand von Cansteins Beziehungen zu Philipp Jakob Spener. Luther Verlag, Witten 1967 (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, Band 1).
- Peter Schicketanz: Carl Hildebrand von Canstein: Leben und Denken in Quellendarstellungen. Verlag der Franckeschen Stiftungen Halle im Max-Niemeyer-Verlag, Tübingen 2002 (Hallesche Forschungen, Band 8).
- Philipp Jakob Spener: Schriften. Band 15: Korrespondenz. Teilband 1: Letzte theologische Bedencken und andere brieffliche Antworten 1711. Teil 1 und 2. Nebst einer Vorrede von Carl Hildebrand von Canstein. Nachdruck der Ausgabe Halle 1711. Eingeleitet von Dietrich Blaufuß und Peter Schicketanz. Olms-Verlag, Hildesheim u. a. 1987 (Digitalisat der Ausgabe Halle 1711).
- Julius August Wagenmann: Canstein, Karl Freiherr von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 764 f.
- Kurt Aland: Canstein, Karl Freiherr von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 126 (Digitalisat). (zur Person)
- Kurt Aland: Canstein, Freiherren von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 126 (Digitalisat). (zur Familie)
- Friedrich Wilhelm Bautz: Canstein, Karl Hildebrand Freiherr von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 916–917.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Ernst Friedländer (Hrsg.): Ältere Matrikel I. Universität Frankfurt an der Oder. Band 2. Leipzig 1888, S. 185.
- Digitalisat. Abgerufen am 14. Juni 2019.
- www.vknd.de | Kirche Dahlwitz. Abgerufen am 22. Februar 2022.
- Peter Schicketanz (Hrsg.:): Der Briefwechsel Carl Hildebrand von Cansteins mit August Hermann Francke. Berlin 1972, S. 896
- Horst Conrad: Die Besitzer der Herrschaft Canstein und ihr Bergbau. Ein Beitrag zur Bergbaugeschichte im Herzogtum Westfalen im Alten Reich, Teil I. In: Westfälische Zeitschrift, Band 160, 2010, S. 187–205, hier S. 195; lwl.org (PDF; 15 MB).