Carl Christoph Lörcher
Carl Lörcher (* 1884 in Stammheim bei Stuttgart; † 1966 in Stuttgart) war ein deutscher Architekt, Stadtplaner und Hochschullehrer.
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war Lörcher in der Türkei und auf dem Balkan tätig. So entwickelte er 1927–1929 den ersten Bebauungsplan Ankaras.[1] Lörcher, der bereits 1931 der NSDAP und der SA beigetreten war, wurde nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten Leiter der Reichsstelle für Raumordnung bei der Neubildung deutschen Bauerntums beim Reichsernährungsministerium.[2] Ab 1933 war er Professor für Bau- und Siedlungswesen an der Staatlichen Kunstschule zu Berlin (ab 1936 Staatliche Hochschule für Kunsterziehung) und wurde Präsident des Bundes Deutscher Architekten.[3] Daneben leitete er ab Juni 1933 den dann von ihm 1934 liquidierten Deutschen Werkbund.[4] Lörcher schlug 1933 vor, der Deutsche Werkbund solle in Zukunft nur noch Bauernhäuser bauen lassen.[5]
Im August 1934 gehörte Lörcher zu den Unterzeichnern des Aufrufs der Kulturschaffenden zur „Volksbefragung“ über die Vereinigung des Reichspräsidenten- und Reichskanzleramtes in der Person Adolf Hitlers.[3] Künstlerisch berief er sich auf eine Neubesinnung auf traditionelle Ausdrucksweisen des deutschen Bauerntums.
Im Kampfbund Deutscher Architekten und Ingenieure, der die ideologische Richtung von Gottfried Feder innerhalb des Nationalsozialismus vertrat, war Lörcher zuständig für den Bereich Siedlung, d. h. Stadt- und Regionalplanung.
Bauten
- ab 1925: Umbau und Ausbau des Zentralgefängnisses Ankara (Ulucanlar Cezaevi), das seit 2006 als Museum dient
- 1927–1928: Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs der Stadt Mühlhausen/Thüringen (mit dem „Mühlhäuser Löwen“ von dem Berliner Bildhauer Max Kruse)[6]
- ab 1935: Entwurf der Häuser des für schwäbische Siedler neu angelegten Dorfs Schwabendorf in Mecklenburg
- 1936: „Lotte-Neumann-Siedlung“ in Wuppertal-Barmen[7]
- ab 1937: Arbeiterstadt „Große Halle“ für den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Albert Speer in Berlin-Spandau (heute Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau)[8]
- 1942: Mannschaftsbauten am Rande der sog. "Speerplatte" in Berlin-Charlottenburg[9]
Literatur
- Barbara Miller Lane: Architektur und Politik in Deutschland 1918–1945. (= Schriften des Deutschen Architekturmuseums zur Architekturgeschichte und Architekturtheorie) Vieweg, Braunschweig / Wiesbaden 1986, ISBN 3-528-08707-2, S. 166 f.
- Levent Uluis: Einparteienregime und Städtebau: Die Entstehung der neuen Hauptstadt der kemalistischen Türkei (1923-1938). Dissertation an der Technischen Universität Berlin, 2015, Universitätsverlag der TU Berlin.
Einzelnachweise
- Spuren einer Hauptstadt. Deutschsprachige Architekten in Ankara. Goethe-Institut Ankara 2010
- Dieter Münk: Die Organisation des Raumes im Nationalsozialismus. Eine soziologische Untersuchung ideologisch fundierter Leitbilder in Architektur, Städtebau und Raumplanung des Dritten Reiches. Pahl-Rugenstein, Bonn 1993, ISBN 3-89144-175-4, S. 403 f.
- Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 375.
- Personenregister „Ausstellungsleitung, Stadtverwaltung, Politiker“, Teil der Website „Die Ausstellung Schaffendes Volk“ von Stefanie Schaefers, zuletzt abgerufen am 17. Juli 2019
- Tagung des Deutschen Werkbunds in Würzburg. In: Stuttgarter Neues Tagblatt vom 3. Oktober 1933
- Mühlhäuser Löwe auf www.muehlhausen.de, zuletzt abgerufen am 17. Juli 2019
- Hans C. Goedeking (Hrsg.): Architektur in Wuppertal. Müller und Busmann, Wuppertal 1993, ISBN 3-928766-06-6, S. 241.
- Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau (Hrsg.), Helmut Bräutigam: Arbeiterstadt „Große Halle“. Zur unbekannten Geschichte auf dem Gelände des Evangelischen Waldkrankenhauses Spandau. Berlin-Spandau 1997, S. 7.
- Jürgen Tietz: Zwangsarbeiter in Spandau - Zwei Baudenkmälern des Dritten Reiches droht die Zerstörung in Der Tagesspiegel vom 22. Dezember 1999, zuletzt abgerufen am 9. April 2020