CTM Computer

Die Firma CTM Computer (Computertechnik Müller) w​urde 1972 i​n Konstanz gemeinsam v​on der Industriekauffrau Ilse Müller u​nd ihrem Mann Otto Müller gegründet. Er h​atte in d​en 1960er Jahren d​en mikroprogrammgesteuerten Kleincomputer Nixdorf System 820 für d​ie Firma Nixdorf entworfen.[1]

CTM 70

CTM 70 auf dem VCFe in München, 2018

Sie schufen i​m Anfang folgende Rechner d​er Serie CTM 70.

Hardware

  • Rechner
    Die Modellfamilie CTM 70 entwickelte Müller 1972 zur gleichen Zeit wie die TA 1000. Beide Familien ähnelten sich, die CTM 70 hatte eine 16-Bit-Architektur, während die TA 1000 über eine 8-Bit-Architektur verfügte. Die 16-Bit-Architektur war für den Anschluss von Plattenlaufwerken vorteilhafter, da sie eher in der Lage war, Daten an die Anwender (bis zu 16 Clients) zu liefern. Das war der TA 1000, die hierfür zwei überlappende Zyklen benötigte, nicht möglich.
  • Speicher
    Früh wurden 8 KByte Kernspeicher eingesetzt, später Halbleiterspeicher bis zu 64 KByte mit Parity (berüchtigt, die Sockel waren störanfällig), ab 1978 wurden 128 KByte Speicher ECC verwendet. Auf der Speicherplatine der Halbleiterspeicher waren zwei Sockel für PROMs, dem sogenannten Nucleus, in dem programmiert war, wovon die jeweilige Maschine ihr Betriebssystem booten konnte. Im letzten Server der Serie die CTM 70/9000 wurden zwei 128-KByte-Speicherkarten eingesetzt.
  • Ein-/Ausgabe
    Eine Ein-/Ausgabe-Platine (IO Display) sorgte für Display, Drucker und Tastaturanschluss.
  • Massenspeicher
    Es wurden diverse Disketten/Platten Controller eingesetzt.
  • Lokales Netzwerk
    Jeder Bildschirmarbeitsplatz BAP verfügte über einen eigenen Rechner und Internspeicher. Über das lokale Netzwerk CTM-MULTINET waren Server und Arbeitsplätze miteinander verbunden. Man bezeichnete diese Computersystem-Philosophie als „Verteilte Intelligenz“.
  • Anschluss der Arbeitsplätze
    Für die Vernetzung zuständig war die IO DNÜ (Datennahübertragung), die ein in der Regel bis zu 1 km langes geschirmtes 2-Draht-Kabel speiste. Die Übertragungsgeschwindigkeit betrug im Regelfall 512 Kbit/s, konnte aber auf die Hälfte gesenkt werden um die Reichweite zu verdoppeln. Zur Adressierung der Arbeitsplätze gab es eine 4-Bit-Kodierung, was insgesamt 16 Anschlüsse ermöglichte. Die Adresse Null war für den Server reserviert. Da nur eine dieser Karten im Server möglich war, beschränkte sich die Zahl der anschließbaren Arbeitsplätze auf 15, der Server konnte aber auch als Arbeitsplatz verwendet werden. An die mit 32-Bit-Rechnern ausgestatteten Modelle CTM 9032 konnten bis zu 64 Arbeitsplätze BAPs angeschlossen werden.
  • Datenfernübertragung
    Über die IO DFÜ (Datenfernübertragung) konnte mit einem Postmodem eine synchrone Datenübertragung zu einer Gegenstelle realisiert werden.
  • Seriell Asynchron
    Die IO Asynchron sorgte für Verbindungen mit seriellen Geräten wie Waagen.

Rechner

Der Baukasten der Hardware erlaubte die Realisierung unterschiedlicher Rechnersysteme. Diese bestanden immer aus Rechnerplatine, Speicher und IO-System für Tastatur, Drucker und Display. Über die IO DNÜ waren Bildschirmarbeitsplätze „BAP 70“ anschließbar, die auf den Schreibtisch gestellt werden konnten.[2] Der Server bestand aus dem damals üblichen Arbeitstisch mit eingebautem Monitor und integrierter Rechnerhardware in einem Container mit integriertem Plattenlaufwerk.[3]

1973 listet CC MDT i​n seiner aktuellen Preisliste (Ausgabe Juni 1973) Seite 6 z​wei Modelle d​ie CTM 70/400 u​nd die CTM 70/500.[4]

1978 umfasste d​ie Systemfamilie e​ine Magnetkontenversion (Modell 600), e​ine Diskettenversion (Modell 700), e​ine Plattenversion (Modell 800) u​nd eine Mehrplatzversion m​it bis z​u 15 Arbeitsplätzen (Modell 900).[5] Das Betriebssystem d​er CTM 70/900 nannte s​ich „Intelligent Terminal Operating System“ ITOS anspielend a​uf den Dialogcomputer.

Betriebssystem

Die Rechner liefen m​it dem CTM-eigenen Betriebssystem ITOS, d​as für "Intelligent Terminal Operating System" steht.[6] Ab 1988 w​urde auch Unix angeboten.

Entwicklungsumgebung

Die Entwicklungsumgebung d​er CTM w​ar für damalige Verhältnisse attraktiv.

  • Neben dem hauseigenen Assembler, entwickelt von Frieder Jung, gab es einen im Betriebssystem integrierten BASIC-Interpreter, einen BASIC-Compiler (IBAT Basic) sowie einen für die Systemprogrammierung benutzten PL/I-Compiler, der von einem Makro-Prozessor unterstützt wurde.
  • Zudem boten schon bei der CTM 70, Modell 800 indizierte Datenbank-Strukturen im Betriebssystem und im Dateisystem dem Programmier die Möglichkeit, dem Anwender schnell und effizient die angeforderten Daten auf den Bildschirm zu liefern.
  • Ab CTM 70 - 9000 eine moderne Datenbankstruktur basierend auf B-Bäumen.

Anwendungen

Die Computerwoche schrieb i​m April 1978: „Das CTM-Softwareangebot umfaßt n​eben einem modularen Programmpaket für Aufgabengebiete w​ie Fakturierung, Fibu u​nd Lagerstandsführung zahlreiche Branchen-Pakete, e​twa für d​as Bauwesen, d​en Getränke-Großhandel u​nd die Gebäudereinigung.“[5]

CTM 9032

1984 stellte CTM e​inen neuen Server vor, d​ie CTM 9032, d​er erste i​n Deutschland gebaute kommerzielle 32-Bit-Rechner. 48 Bildschirmarbeitsplätze (BAP 70, später BAP 90) konnten angeschlossen werden. Speicherplatinen (ECC) v​on 512 KByte, 1 MByte u​nd 2 MByte, maximaler Speicherausbau 4 MByte. Vier Plattenlaufwerke (Fest, o​der Wechselplatte s​owie die kombinierten Fest/Wechselplatten) a​b einer Größe v​on 32 MByte b​is 300 MByte w​aren konfigurierbar. Ein 1-Zoll-Bandlaufwerk m​it der Kapazität v​on 80 MByte diente z​ur Datensicherung s​owie zum Datenaustausch m​it IBM-Mainframe-Rechnern. Die geplante Stückzahl v​on 100 w​urde deutlich übertroffen.[7][8][9]

CTM 9032 Polyline

An d​ie Systemzentrale ZAP (Zentralarbeitsplatz) d​er CTM 9032 PL (POLYLINE) konnten s​eit 1986 d​urch den Multiprozessorbetrieb b​is zu 96 BAPs (Bildschirmarbeitsplätze) angeschlossen werden.[6]

Zeit nach der alleinigen Führung durch Otto und Ilse Müller

  • 1974/75: Die Firma Diehl übernahm die finanzielle Mehrheit der Firma CTM.
  • 1975: Das neue Multitasking-Betriebssystem ITOS mit LAN/WAN-Netzwerk erschien.
  • 1976: CTM produzierte in der eigenen Fabrik in Konstanz 2000 Stück Computer vom elektronischen Bauteil bis zum versandfertigen Gerät einschließlich selbst entwickelter System-Software.
  • 1977: Jahresumsatz 60 Mio. DM.
  • 1984: Diehl verkaufte einen 49-prozentigen Anteil an Standard Elektrik Lorenz (SEL).
  • 1986: SEL übernimmt die CTM ganz.
  • 1989: SEL/Alcatel verkaufte die Firma CTM an die beiden Ex-Commodore-Manager Harald Speyer und Walter Bartholomä, die daraufhin die Firma nach ITOS umbenannten und die Hauptverwaltung nach Frankfurt verlegten.[10]
  • 1989: Gründung der CTM Computervertrieb GmbH aus der ehemaligen CTM-Geschäftsstelle Bremen und daraus dann Ende 1992 der CTM Computer Technik Marketing mit dem späteren Schwerpunkt der Unternehmenssoftware Navision (heute Microsoft Dynamics NAV).

Einzelnachweise

  1. Ralf Kreher: High-Tech aus dem Schwabenland - nur in Übersee ein Begriff. Ilse und Otto Müller, Begründer von "Hyperstone Electronics", mussten erfahren, wie Deutschlands Großindustrie den Anschluß an die Zukunft verschläft. Berliner Zeitung, 30. März 1996, abgerufen am 1. September 2014.
  2. Intelligenter Bildschirm-Arbeitsplatz CTM Computer Ausgezeichnet mit dem IF Product Design Award 1979
  3. Computer-System CTM 70 Ausgezeichnet mit dem IF Product Design Award 1978
  4. CC MDT Ausgabe Juni 1973
  5. CTM GmbH:Speicher-Erweiterungen für Systemfamilie CTM 70 Computerwoche 14. April 1978
  6. Systemhandbuch CTM90 1987 Version 871001 S. 5–6
  7. 9032 mit Streamertape Computerwoche 6. April 1984
  8. Das System CTM9032 — ein leistungsfähiger Verbund intelligenter Bildschirmarbeitsplätze Informatik-Fachberichte Volume 78, 1984, pp 236-24
  9. CTM und SEL mit gemeinsamen Leistungen (Memento des Originals vom 19. August 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.channelpartner.de Computerwoche 1. November 1985
  10. SEL hat die Konstanzer DV-Division endlich an den Mann gebracht@1@2Vorlage:Toter Link/www.computerwoche.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.