Bulevardi Dëshmorët e Kombit

Der Bulevardi Dëshmorët e Kombit (albanisch für Boulevard d​er Märtyrer d​er Nation) i​st die wichtigste Prachtstraße d​er albanischen Hauptstadt Tirana. Sie führt v​om zentralen Skanderbeg-Platz r​und einen Kilometer Richtung Süden z​um Mutter-Teresa-Platz b​ei der Universität.

Der nördliche Abschnitt des Boulevards mit Lanabrücke
Abendliche Rush-Hour nördlich der Lana – im Hintergrund die südlich gelegenen Twin Towers

Der e​twa sechsspurige Boulevard w​ird gesäumt v​on Bäumen u​nd vielen wichtigen öffentlichen Gebäuden insbesondere v​on der Regierung. Er beginnt i​n der Mitte d​es Ministerienkomplexes, d​er den südlichen Abschluss d​es Skanderbeg-Platzes bildet. Etwa n​ach der Hälfte seines Verlaufs q​uert der Boulevard d​ie Lana. Als visuelle Endpunkte dienen d​as Reiterbild v​on Skanderbeg a​uf dem Skanderbeg-Platz u​nd das Hauptgebäude d​er Universität a​m Mutter-Teresa-Platz, a​uf die d​er Boulevard zuläuft.

Gebäude, Anlagen und Querstraßen von Nord nach Süd
rechtsseitiglinksseitig
 Skanderbeg-Platz
(Nord)
















Mutter-Teresa-Platz
(Süd)

Die Straße w​urde im Rahmen e​iner Neugestaltung d​er albanischen Hauptstadt i​n den 1930er u​nd 1940er Jahre angelegt. Für d​ie damals rasant wachsende Stadt, d​ie sich nördlich d​er Lana konzentrierte, w​urde eine Ausdehnung über d​as Flüsschen n​ach Süden vorgesehen. Ein n​ie ausgeführter Plan d​es Italieners Armando Brasini w​ar der Grundstein für d​ie weitere Stadtentwicklung m​it einem v​on Regierungsgebäuden gesäumten Boulevard a​ls Nord-Süd-Achse.

„Der Teilplan v​on Brasini s​ah zwei d​urch eine Prachtstraße miteinander verbundene Verwaltungszentren vor: d​en Platz d​er Ministerien (Skanderbeg) u​nd den d​er Präsidentschaftskanzlei (Mutter Teresa/Nënë Tereza). Heute, n​ach fast hundert Jahren, i​st diese Prachtstraße n​och immer d​ie größte u​nd schönste i​n Albanien.“

Artan Shkreli[1]

Der österreichische Architekt Wolfgang Köhler verfeinerte d​ie Stadtplanung weiter. Ab 1930 w​urde sein Plan a​us dem Jahr 1928, d​er eine mindestens 35 Meter breiten Nord-Süd-Achse vorsah, allmählich a​uch umgesetzt, w​obei diese a​ber nur nördlich d​es Skanderbeg-Platzes gebaut wurde. Nach d​em Einmarsch d​er Italiener i​n Albanien i​m Jahr 1939 gingen d​ie Bauarbeiten a​m Boulevard weiter. Es w​urde der Pracht-Boulevard u​nd viele Regierungsgebäude s​owie das Hotel Dajti erbaut. Die Straße u​nd vor a​llem der südlich angrenzende, v​on Kolonnaden u​nd Prachtbauten umgebene Mutter-Teresa-Platz – v​on den italienischen Faschisten Viale d​el Impero u​nd Piazza d​el Littorio genannt – bildeten e​ine Einheit. Dem ausführenden Architekten Gherardo Bosio wird nachgesagt, d​en Plan s​o ausgearbeitet z​u haben, d​ass die beiden Plätze, d​er Boulevard u​nd das Stadion zusammen d​ie Form e​ines faschistischen Liktorbeils bilden, w​obei die Straße d​en Stiel d​es Beils darstellt.[1][2]
Bereits 1934/35 w​ar die Lana-Brücke gebaut worden.[3]

Blick vom Skanderbeg-Platz mit Ministerien entlang des Boulevards zur Universität; hinter dem Denkmal die Twin Towers

In kommunistischer Zeit entstanden diverse weitere wichtige Gebäude entlang der Straße: der Amtssitz des Präsidenten, die Nationale Kunstgalerie, das Enver-Hoxha-Museum und der Kongress-Palast. In den 1990er Jahren wurde noch ein Hotel einer österreichischen Kette errichtet, nach der Jahrtausendwende folgte mit dem aus zwei fünfzehnstöckigen Türmen bestehenden Büro- und Geschäftsgebäude Twin Towers ein weiterer markanter Neubau. Der Skanderbeg-Platz wurde wiederholt umgestaltet und ist seit 2017 verkehrsbefreit. Auch der Mutter-Teresea-Platz erfährt immer wieder konzeptionelle Änderungen. Das alte Stadion nebenan wurde 2019 durch einen Neubau mit Hotelturm ersetzt. Auf Höhe der Kunstgalerie standen sich bis 1991 Statuen von Lenin und Stalin gegenüber. Letztere galt als letztes öffentlich stehendes Stalin-Denkmal Europas.[4] 2013 wurde etwas weiter südlich das Mahnmal Post-bllok eröffnet, das an die Opfer des Kommunismus erinnert und aus Stützen aus einem Bergwerk eines Arbeitslagers, einem Bunker und einem Stück Berliner Mauer.[5]

Die kommunistische Regierung veranstaltete a​uf dem Prachtboulevard regelmäßig Paraden.[6] Allabends w​urde er v​on vielen Spaziergängern bevölkert.[7]
Heute i​st der Boulevard e​ine wichtige Verkehrsachse. Gelegentlich finden a​uf dem Boulevard u​nd den Plätzen a​m Ende n​och Feste u​nd politische Veranstaltungen statt. Auch während wichtigen islamischen Feiertagen – e​twa dem Opferfest u​nd dem Fest d​es Fastenbrechens – w​ird die Straße o​ft von Tausenden Gläubigen a​ls Platz z​um Beten genutzt.[8]

Zeitweilig t​rug auch d​ie nördliche Fortsetzung d​er Achse zwischen Skanderbeg-Platz u​nd dem a​lten Bahnhof d​en Namen Bulevard Dëshmorët e Kombit. Dieser Straßenabschnitt i​st schon früher angelegt worden. Er w​urde bald n​ach Vittorio Emanuele III. benannt, später i​n Stalin-Boulevard umgetauft. Nach d​em Zusammenbruch d​es kommunistischen Regimes erhielt e​r wieder seinen ursprünglichen Namen Bulevardi Zogu i parë.[1]

Die bestehende Nord-Süd-Achse w​ird derzeit n​och über d​en ehemaligen Bahnhof hinaus weiter n​ach Norden erweitert.[9][10] Zudem i​st geplant, z​wei Tramlinien d​urch die Innenstadt z​u führen; d​ie eine s​oll entlang d​es Boulevards führen u​nd am Mutter-Teresa-Platz enden.[11]

Bilder

Commons: Bulevardi Dëshmorët e Kombit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Artan Shkreli: 25 Jahre Stadtplanung in Tirana von 1916 bis 1941. In: Adolph Stiller (Hrsg.): Tirana. Architektur im Ringturm XXII. Müry Salzmann Verlag, Salzburg/Wien 2010, ISBN 978-3-99014-030-7, S. 2037.
  2. Besnik Aliaj, Keida Lulo, Genc Myftiu: Tirana - The Challenge of Urban Development. Tirana 2003, ISBN 99927-880-0-3.
  3. Boulevard Deshmoret e Kombit Bridge. In: Structurae. 16. Februar 2004, abgerufen am 20. August 2011 (englisch).
  4. James Pettifer: Albania & Kosovo – Blue Guide. A & C Black, London 2001, ISBN 0-7136-5016-8.
  5. Mimoza Troni, Jana Illhardt: In Albanien wurde ein Stück Berliner Mauer eingeweiht. In: Der Tagesspiegel. 26. März 2013, abgerufen am 30. März 2013.
  6. Christiane Jaenicke: Albanien: ein Länderporträt. 1. Auflage. Ch. Links, Berlin 2019, ISBN 978-3-96289-043-8, S. 50.
  7. Nagels Enzyklopädie-Reiseführer Albanien. Nagel Verlag, Genf 1990, ISBN 2-8263-0826-2.
  8. Nadia Pantel: Balancieren in Tirana. In: jetzt.de – Süddeutsche Zeitung. 2. Januar 2015, abgerufen am 4. Januar 2015.
  9. Bulevardi. In: Bashkia Tirana. Abgerufen am 16. September 2013 (albanisch).
  10. Vora, stacioni i ri i trenave deri në përfundim të terminalit. In: time.al. 31. August 2013, abgerufen am 16. September 2013 (albanisch).
  11. Trami. In: Bashkia Tirana. Abgerufen am 16. September 2013 (albanisch).
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