Hotel Dajti
Das Hotel Dajti in Tirana galt lange Zeit als das beste Hotel Albaniens. Das heute geschlossene Haus befindet sich im Stadtzentrum direkt am Hauptboulevard und ist benannt nach Tiranas Hausberg Dajti. Das Anfang der 1940er Jahre vom italienischen Architekten Gherardo Bosio, Leiter des Zentralen Bau- und Urbanistikamts von Tirana, geplante Gebäude fällt durch die großzügige und von Eklektizismus faschistischer Architektur geprägte kubische Architektur noch heute auf.[1][2][3] Teile der Einrichtung stammen vom berühmten italienischen Architekten und Designer Gio Ponti.[4][5] Bei der Eröffnung im April 1942 war Bosio bereits gestorben.[5] Das Hotel galt damals als eines der besten Häuser auf dem ganzen Balkan. Seit 2007 ist es als Kulturmonument denkmalgeschützt.[6][7]
Geschichte
Erstellt wurde das Hotel im Rahmen einer Neugestaltung der albanischen Hauptstadt durch die Italiener unter der Leitung von Gherardo Bosio. Damals wurde – basierend auf der ursprünglichen Idee von Armando Brasini – Tiranas Prachtsboulevard Bulevardi Dëshmorët e Kombit mit vielen Regierungsgebäuden errichtet.[1][2] Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Gebäude während kurzer Zeit als Sitz der kommunistischen Regierung.[8] Lange Zeit war es das einzige Hotel für ausländische Gäste in Tirana. Ab den 1970er Jahren war das Hotel Dajti nur noch Staatsgästen und Geschäftsreisenden vorbehalten – Touristen mussten im Hotel Tirana übernachten. Das Hotel Dajti galt fortan als bestes Haus im Land.[9] Gleichzeitig wurden das Hotel und seine Gäste aber rund um die Uhr von der albanischen Geheimpolizei Sigurimi überwacht: Der Rezeptionist war ein Mitarbeiter der Sigurimi, die Zimmer waren verwanzt und mit versteckten Kameras ausgestattet.[10]
Bekannt und auch regelmäßiger Schauplatz einzelner Szenen in literarischen Werken aus Albanien war die Hotel-Bar.
„Außerdem beherbergte es das beste Restaurant und eine legendäre Nachtbar, in der die überschaubare Zahl der ortsansäßigen Diplomaten gern Gerüchte austauschte […].“
Als die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1987 mit Albanien als letztem Land Europas diplomatische Beziehungen aufnahm und ein Botschaftsgebäude erst neu errichtet werden musste, wurde die deutsche Botschaft vorübergehend in einer Suite des Hotels Dajti untergebracht; der Botschafter und einige seiner Mitarbeiter logierten in benachbarten Hotelzimmern.[12]
Auch nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems blieb das Hotel in Staatsbesitz. Mangels Investitionen und aufgrund neuer Konkurrenz ab 1995 verlor das Haus schnell an Bedeutung. Mehrere Versuche, das Hotel zu verkaufen, schlugen fehl.[13] 2002 wurde der Hotelbetrieb eingestellt. Das zerstörte Haus wurde ab und zu für Kunstausstellungen gebraucht.[14][15][16] 2010 kaufte die albanische Zentralbank Banka e Shqipërisë das Gebäude für € 30 Millionen. Die Bank nutzte das Gebäude, während ihr Hauptsitz am Skanderbeg-Platz restauriert wurde.[8][17] Nachdem der Hauptsitz umgebaut worden war, kündigte die Bank Anfang 2015 an, demnächst das Gebäude des ehemaligen Hotels restaurieren zu wollen.[18] Hierfür wurden rund € 18 Millionen zur Verfügung gestellt.[19]
Gebäudebeschreibung
Im Erdgeschoss befand sich neben der Eingangshalle und der Bar ein großer Ballsaal. Auf der von der Straße abgewandten Seite liegen eine Terrasse und ein kleiner, ruhiger Garten. In den drei Obergeschossen befinden sich die rund 85 Gästezimmer – alle mit Balkonen. Die Obergeschosse sind bezüglich Struktur und Stil deutlich schlichter gehalten als das prunkvolle, Marmor-verkleidete Erdgeschoss, was mit den in den Kriegsjahren schwindenden Mitteln erklärt wird.[5]
„Während das überhöhte Sockelgeschoss mit seinen vertikalen Fensterbahnen und blockhaft wuchtigen, profilierten Travertinrahmungen noch ganz im Bann der Tradition [von faschistischer Architektur] steht, löst sich der zurückspringend aufgesetzte, dreigeschossige Obergeschossbereich in ein Raster aus vertikalen und horizontalen Scheiben auf. In die zurückspringende Wand sind die Terrassentüren rahmenlos eingeschnitten. Noch konventionell wirkt die Betonung des oberen Abschlusses in der leicht vorspringenden Dachscheibe.“
Nebst der zur Straße hingewandten Front hat das Gebäude auf der Rückseite einen L-förmig anschließenden Anbau. Insgesamt beträgt die Fläche des Hauses 2000 Quadratmeter.[5]
Literatur
- Rossana Carullo: Dalla monumentalità urbana all'internità architettonica. Gerarchie compositive nell'architettura dell'Hotel Dajti di Gherardo Bosio a Tirana. Atti del Convegno Scientifico, 12 Dicembre 2014, Università Politecnica di Tirana. In: Frida Pashako, Maddalena Pessina, Armand Vokshi (Hrsg.): L'interpretazione dello spazio urbano e architettonico dell'asse strutturante di Tirana. Edifir-Edizioni, Florenz 2017, ISBN 978-88-7970-868-5, S. 85–98.
Weblinks
Einzelnachweise
- Artan Shkreli: 25 Jahre Stadtplanung in Tirana von 1916–1941. In: Adolph Stiller (Hrsg.): Tirana Planen Bauen Leben. Architektur im Ringturm XXII. Müry Salzmann Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-99014-030-7.
- Besnik Aliaj, Keida Lulo, Genc Myftiu: Tirana – The Challenge of Urban Development. Tirana 2003, ISBN 99927-880-0-3.
- Tirana – Staatsarchitektur. In: Sepp Ruft 09. 30. Dezember 2009, abgerufen am 14. August 2010.
- Katia Accossato: Tirana: von der Form zur Nicht-Form. In: Adolph Stiller (Hrsg.): Tirana Planen Bauen Leben. Architektur im Ringturm XXII. Müry Salzmann Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-99014-030-7.
- Ben Andoni, Artan Lame: Shembja e një idhulli. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Revista Mapo. 11. Oktober 2009, ehemals im Original; abgerufen am 16. August 2010 (albanisch). (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Politecnico di Bari – Facoltà di Architettura: Progettazione dell’architettura degli interni per la riqualificazione dell’hotel Dajti di Tirana. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 28. Mai 2011; abgerufen am 16. Mai 2010.
- Lista e monumenteve – Rrethi i Tiranës. (PDF) In: Instituti i Monumenteve të Kulturës. Abgerufen am 18. April 2019.
- AP: Tirana’s Hotel Dajti sold to Bank of Albania. In: Boston.com. 13. Mai 2010, abgerufen am 18. April 2019.
- Heinz Gstrein: Albanien. Walter-Verlag, Olten 1989, ISBN 3-530-29602-3.
- Survejimi i të huajve. In: Bunk’art. Abgerufen am 8. Januar 2022 (albanisch).
- Christiane Jaenicke: Albanien. Ein Länderporträt. Ch. Links, Berlin 2019, ISBN 978-3-96289-043-8, S. 135.
- Werner Bartels: Die Anfänge der Deutschen Botschaft Tirana. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) Auswärtiges Amt, archiviert vom Original am 22. März 2011; abgerufen am 3. Mai 2013 (PDF-Datei, 9,65 kB).
- Gerd Höhler: Hotel für Hodschas Gäste wird verkauft. In: Frankfurter Rundschau. 11. April 2005.
- Tirana International Contemporary Art Biannual. Abgerufen am 15. Mai 2010.
- Jorn Ebner: Tirana inszeniert Kunst und Kommerz. In: Cafébabel. Abgerufen am 15. Mai 2010.
- Wieder Leben im Hotel Dajti. Abgerufen am 15. Mai 2010.
- Former Dajti Hotel Building. In: Banka e Shqipërisë. Abgerufen am 18. April 2019 (englisch).
- Bank of Albania staff moves into the new premises of the Bank. Press Release. In: Bank of Albania. 13. Januar 2015, abgerufen am 18. April 2019 (englisch).
- Note to public: On the Reconstruction of the former Hotel Dajti building. Press Release. In: Bank of Albania. 13. Juni 2017, abgerufen am 18. April 2019 (englisch).