Brand von Izmir
Der Brand von Izmir, von Griechen Katastrophe von Smyrna genannt (auf griechisch Καταστροφή της Σμύρνης, türkisch 1922 İzmir Yangını), war ein Feuer, das am Ende des griechisch-türkischen Krieges im September 1922 die armenischen und griechischen Viertel der Hafenstadt Izmir zerstörte. Durch dieses Ereignis verlor die Jahrtausende alte Stadt ihr unter der osmanischen Herrschaft gewonnenes multikulturell und kosmopolitisch geprägtes Bild.
Hintergrund
Izmir hatte während der osmanischen Zeit einen großen wirtschaftlichen Aufschwung als Handelshafen genommen, der aus dem gesamten Mittelmeerraum Zuzügler anlockte. Zunächst siedelten sich in größerer Zahl aus Spanien vertriebene Juden an, später noch mehr Griechen und Kaufleute aus dem katholischen Westeuropa, deren heimisch gewordene Nachfahren als Levantiner bezeichnet wurden. Im 19. Jahrhundert kam es dann noch zu einer größeren Ansiedlung von Armeniern in der Stadt. Weil somit diese nichtmuslimischen Gruppen einen jedenfalls beträchtlichen Anteil der Stadtbevölkerung, wenn nicht deren Mehrheit ausmachten und das Stadtbild prägten, wurde die Stadt von Moslems gelegentlich Gavur İzmir (ungläubiges Izmir) genannt.[1]
Das Verhältnis von christlicher und muslimischer Bevölkerung ist umstritten, da nach unterschiedlichen Quellen entweder die Griechen oder die Türken die Mehrheit in der Stadt stellten. Nach Katherine Elizabeth Fleming betrug das Verhältnis der Bevölkerungsgruppen mit einer griechischen Bevölkerung von ca. 150.000 Personen eins zu eins.[2]
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Izmir und Umgebung eine griechische Besatzungszone eingerichtet. Im griechisch-türkischen Krieg, der mit zunehmender Erbitterung und Grausamkeit auf beiden Seiten geführt wurde, bildete Izmir die Basis für die militärischen Unternehmungen der griechischen Truppen in Anatolien. Am 30. August 1922 brach der Widerstand der griechischen Truppen in der Schlacht bei Dumlupınar (in der Nähe der Stadt Afyonkarahisar) zusammen und die griechischen Truppen zogen sich in wilder Flucht und unter Verfolgung einer Politik der verbrannten Erde über Izmir nach Griechenland zurück.
Ablauf
Am 9. September 1922 erreichten die türkischen Truppen die vom griechischen Militär und Teilen der christlichen Zivilbevölkerung bereits geräumte Stadt. Trotz verhängtem Kriegsrecht folgten Plünderungen von armenischen und griechischen Geschäften seitens der türkischen Bevölkerung Smyrnas. Die Plünderungen waren begleitet von Massakern an christlichen Armeniern und Griechen durch türkische Soldaten und Zivilisten.[3] Das Massaker an der christlichen Zivilbevölkerung wurde gerechtfertigt als Racheaktionen für vorangegangene Gräueltaten der griechischen Invasionsarmee und christlichen Bevölkerung.[4] Am 12. September 1922 wurde, ausgehend vom Armenier-Viertel der Stadt, ein Feuer gelegt. Der Hergang ist strittig. Historiker Heinz A. Richter gibt jedoch an, dass Benzinfässer in das armenische Stadtviertel gebracht wurden.[3][5] Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch schätzungsweise 700.000 Menschen in der Stadt.[6]
Der in den ersten Tagen der türkischen Rückeroberung der Stadt in den Vierteln der Christen ausgebrochene Brand beendete zusammen mit dem im Vertrag von Lausanne vereinbarten Bevölkerungstausch die Existenz christlicher Bevölkerungsgruppen im Westen Kleinasiens. Der ausgelöste Großbrand vernichtete die christlichen und levantinischen Viertel. Die muslimischen wie die jüdischen Viertel blieben verschont.[7]
Mit der Zerstörung der christlichen Quartiere wurden zudem zwischen 50.000[8] und 400.000[9] weitere kleinasiatische Christen vertrieben, die zur Küste flüchteten und dort dann unter sehr harten Bedingungen ausharren mussten, bis ab dem 24. September Schiffe der hellenischen Flotte die Überlebenden abholten und sie ins sichere Griechenland brachten.
Dem Großen Brand fielen zahlreiche öffentliche Bauten zum Opfer, darunter die 1733 gegründete Evangelische Schule von Smyrna und die historische armenische St.-Stepanos-Kirche. Auch fast ein Jahrhundert nach dem Großbrand bleibt die Verantwortung dafür unter Historikern umstritten.
Literatur
- Giles Milton: Paradise Lost: Smyrna 1922: The Destruction of Islam's City of Tolerance. Paperback Auflage. Sceptre; Hodder & Stoughton Ltd, London 2008, ISBN 978-0-340-96234-3 (hier in der Google-Buchsuche [abgerufen am 28. Juli 2010]).
- Heath Lowry, Turkish History: On Whose Sources Will it Be Based? A Case Study on the Burning of Izmir, The Journal of Ottoman Studies, IX, 1988.
- Christos Papoutsky, Ships of Mercy: The True Story of the Rescue of the Greeks, Smyrna, September 1922, Peter E. Randall (2008) ISBN 978-1-931807-66-1
- Philip Mansel, Levant: Splendour and Catastrophe on the Mediterranean, London, John Murray, 11. November 2010, hardback, 480 S., ISBN 978-0-7195-6707-0, New Haven, Yale University Press, 24. Mai 2011, hardback, 470 Seiten, ISBN 978-0-300-17264-5
Weblinks
Einzelnachweise
- Ring Trudy, Salkin Robert M., La Boda Sharon. International Dictionary of Historic Places: Southern Europe in der Google-Buchsuche. Taylor & Francis, 1995. ISBN 978-1-884964-02-2, S. 351
- Katherine Elizabeth Fleming. Greece—a Jewish history in der Google-Buchsuche. Princeton University Press, 2008. ISBN 978-0-691-10272-6, S. 81.
- Dieses Massaker verzeihen Griechen den Türken nie. Die Welt. 11. September 2017
- N. M. Naimark: Fires of Hatred: Ethnic Cleansing in Twentieth-century Europe. Harvard University Press 2002, ISBN 978-0-674-00994-3, S. 45/46 hier in der Google-Buchsuche, deutsch: Norman M. Naimark: Flammender Hass. Ethnische Säuberung im 20. Jahrhundert. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-596-17890-2
- Wo Griechen und Türken zu Erzfeinden wurden. Süddeutsche Zeitung. 10. März 2016
- Aus der Asche des alten Smyrna. Neue Zürcher Zeitung. 10. Juni 2011
- Matthew Stewart: It Was All a Pleasant Business: The Historical Context of "On the Quai at Smyrna". In: The Hemingway Review. 23, Nr. 1, 1. Januar 2003, S. 58–71. doi:10.1353/hem.2004.0014.
- Edward Hale Bierstadt, Helen Davidson Creighton: The great betrayal: a survey of the near East problem, R. M. McBride & company, 1924, S. 218.
- U.S. Red Cross Feeding, 400.000 Refugees, Japan Times and Mail, 10. November 1922.