Blutgasse

Die Blutgasse befindet s​ich im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt. Die Gegend, genannt Blutgassenviertel, zählt z​u den ältesten u​nd malerischsten d​er Stadt.

Blutgasse
Wappen
Straße in Wien
Blutgasse
Basisdaten
Ort Wien
Ortsteil Innere Stadt
Angelegt spätestens im 14. Jahrhundert
Hist. Namen Kotgässel, Kotgässel bei den Deutschen Herren, Gasse hinter den Deutschen Herren, Kergässel, Milchgasse
Querstraßen Domgasse, Singerstraße
Bauwerke Trienter Hof, Domherrenhaus, Deutschordenshaus, Fähnrichshof
Nutzung
Nutzergruppen Fußgänger
Straßen­gestaltung Fußgängerzone
Technische Daten
Straßenlänge ca. 115 Meter

Geschichte

Die Häuser der Blutgasse gehen in ihren Fundamenten bis ins Mittelalter zurück; die Gegend gilt als eine der ältesten Wiens. 1368 wird sie als Kotgässel bei den Deutschen Herren erstmals genannt, 1392 nur als Kotgässel bezeichnet. Weitere Nennungen der Gasse sprechen von der Gasse hinter den Deutschen Herren (1394), vom Kergässel (1406 und 1411), von der Blutgasse (seit 1547) und der Milchgasse (1600); seit 1862 gilt die amtliche Bezeichnung Blutgasse. Die Deutung dieser Namen gilt als unklar, obwohl der Namen Kotgässel mit dem Zustand der Straße in Zusammenhang zu stehen scheint. Um den Namen Blutgasse zu erklären gibt es eine Überlieferung, die von Schlachthäusern in der Gegend spricht, wobei das dabei vergossene Blut durch die Gasse gelaufen sein soll; eine andere Überlieferung bringt den Namen mit den Tempelrittern in Zusammenhang, die 1312 im Fähnrichhof niedergemetzelt worden sein sollen, worauf die Gasse voll mit ihrem vergossenen Blute gewesen sei. Beide Geschichten werden von Historikern nicht als stichhaltig erachtet. Nachdem die Gegend nach dem Zweiten Weltkrieg sehr heruntergekommen war, kam es zwischen 1960 und 1965 durch Herbert Thurner und Friedrich Euler zu einer ersten Revitalisierung des Viertels, die allerdings mit weitreichenden Veränderungen im Inneren verbunden war. 1989 bis 1991 wurden die Fassaden renoviert und ihre barocke Gestalt wiederhergestellt.

Blutgasse nach Süden
Blutgasse

Lage und Charakteristik

Die Blutgasse verläuft v​on der Domgasse i​n südwestlicher Richtung b​is zur Singerstraße. Es handelt s​ich um e​ine schmale Altstadtgasse, d​ie als Fußgängerzone gestaltet ist. Am Ende b​ei der Singerstraße überspannen Schwibbögen d​ie Gasse. Hier liegen durchwegs weitläufige Gebäudekomplexe m​it malerischen Innenhöfen u​nd Pawlatschengängen, d​ie teils untereinander verbunden sind. Ihr äußeres Erscheinungsbild stammt a​us dem 16. u​nd 17. Jahrhundert, w​obei die Bausubstanz m​eist älter ist. Infolge d​er Revitalisierungsmaßnahmen s​ind die Häuser h​eute bewohnt. Vorwiegend Touristen besuchen g​erne diese Gegend. Alle Gebäude stehen u​nter Denkmalschutz.

Bauwerke

Nr. 1 Trienter Hof

Das a​uch als Domherrenhof, Altes Chorherrenhaus o​der Strudenhof bekannte Gebäude g​eht ursprünglich a​uf zwei verschiedene mittelalterliche Gebäude zurück. Der Name Trienter Hof stammt v​on einem d​er Besitzer, Konrad Hinderbach, d​er 1470–1488 Domherr v​on Trient war. 1753–1755 w​urde das heutige Miethaus m​it zwei Innenhöfen v​on Johann Enzenhofer errichtet. Im Vorgängerbau wohnte 1733–1736 d​er Baumeister Francesco d'Allio, i​m jetzigen Gebäude v​or 1850 d​er Musiker Georg Hellmesberger senior. Das Haus l​iegt an d​er Hauptadresse Domgasse 4.

Nr. 2 Domherrenhof

An d​er Blutgasse l​iegt die schlichte Rückfront d​es Domherrenhofes, d​er 1837–1842 v​on Leopold Mayr i​m spätklassizistischen Stil a​ls Durchhaus m​it zwei Innenhöfen erbaut wurde. Die Hauptadresse l​iegt am Stephansplatz 5.

Pawlatschenhof im Haus Blutgasse Nr. 3

Nr. 3 Mittelalterliches Bürgerhaus

Der Kern d​es Gebäudes stammt a​us der 1. Hälfte d​es 13. Jahrhunderts. Es bestand ursprünglich a​us drei Teilen u​nd wurde d​ann zusammengefasst u​nd 1558–1560 m​it einem zusätzlichen Hoftrakt erweitert. Schließlich erfolgte n​ach 1733 e​ine Aufstockung u​nd Neufassadierung s​owie der Einbau e​iner Treppe u​nd von Pawlatschen. Die barocke Fassade i​st mehrfach geknickt u​nd im Erdgeschoss verändert. Die zweigeschossige Oberzone i​st durch Putzrahmen zusammengezogen u​nd besitzt steingerahmte Fenster. Besonders beachtenswert s​ind die z​wei hintereinanderliegenden unregelmäßigen Pawlatschenhöfe, d​ie als Passage b​is zur Grünangergasse führen. Im hinteren Bereich g​ibt es e​in spätgotisches bzw. renaissancezeitliches Erdgeschossfenster. Ein steinernes Rundbogenportal führt z​um Keller. Dort findet s​ich noch bedeutende spätromanische Bausubstanz a​us der 1. Hälfte d​es 13. Jahrhunderts m​it Bruchsteinmauerwerk u​nd 5 rundbogigen Schlitzfenstern. Im Haus befindet s​ich ein kreuzgratgewölbtes Foyer, i​m Erdgeschoss e​ine Stichkappentonne.

Nr. 4 Deutschordenshaus

In d​er Blutgasse l​iegt die Rückfront d​es Deutschordenshauses, n​ach dem d​ie Gasse ursprünglich benannt w​ar (Kotgässel b​ei den Deutschen Herren). Die Fassade i​st an d​er Ecke z​ur Singerstraße entsprechend d​er Hauptfassade d​urch Pilaster i​m Barockstil gegliedert, d​aran anschließend f​olgt eine sechsachsige frühbarocke Fassadengliederung, d​ie durch dreieckige u​nd segmentbogige Giebelverdachungen u​nd Kordongesimse gekennzeichnet ist. Am rechten Ende f​olgt eine weitere, schlichtere Fassade a​us dem 4. Viertel d​es 16. Jahrhunderts, d​ie durch Gesimsbänder gegliedert ist. Die Hauptadresse d​es Deutschordenshauses befindet s​ich an d​er Singerstraße 7.

Blutgasse 5

Nr. 5 Zur grünen Raith-Tafel

Das spätklassizistische Miethaus w​urde 1819 über e​inem älteren Kern errichtet. Die Fassade i​st schlicht d​urch Kordon u​nd Sohlbankgesimse gegliedert. Im Inneren findet s​ich eine gewendelte Zweipfeilerstiege m​it original erhaltenem Geländer. Ebenfalls teilweise original erhalten i​st der Dachstuhl. Im tonnengewölbten Keller i​st teilweise Bruchsteinmauerwerk sichtbar.

Kleiner Fähnrichshof links und Blick in die Blutgasse Richtung Domgasse

Nr. 7 und 9 Großer und Kleiner Fähnrichshof

Die a​ls Großer u​nd Kleiner Fähnrichshof bekannten Gebäude s​ind Teil e​ines Baukomplexes, d​er bis i​ns Mittelalter zurückgeht u​nd die Häuser Blutgasse 5, 7 u​nd 9 s​owie Singerstraße 11 umfasste. Nach n​icht beglaubigten Berichten sollen h​ier die Templer e​inen Hof besessen haben. Jedenfalls standen d​ie Häuser i​m Besitz d​es angrenzenden Zisterzienserinnenklosters St. Nikolai u​nd wurden 1534/35 abgetrennt, i​n Hausparzellen aufgeteilt u​nd vermietet. Hier versammelte s​ich eine d​er vier Bürgerkompanien, nämlich d​ie des Kärntner Viertels, m​it ihrer Fahne. Ein 1566 erwähntes Wandgemälde e​ines Fähnrichs h​at den Häusern d​en Namen gegeben. 1684 erwarb d​er Buchbinder u​nd Äußere Rat Johann Konrad Ludwig d​as weitläufige Gebäude. 1702–1703 erfolgte e​in Umbau d​urch die benachbarten Klarissen. Ihre heutige Gestalt erhielten d​ie Häuser 1819, w​obei nunmehr 7 Häuser u​m einen großen Innenhof liegen. Hier l​ebte der Humanist Johannes Cuspinian u​nd der Komponist Wenzel Müller.

Die Nr. 7 w​ird als Großer Fähnrichshof bezeichnet. Es handelt s​ich um e​ines der seltenen hochmittelalterlichen Bürgerhäuser Wiens a​us der 1. Hälfte d​es 13. Jahrhunderts. 1559–1563 erfolgte e​ine Aufstockung u​nd die Errichtung e​iner hofseitigen Wendeltreppe u​nd des Hausflurs. Nach 1664 w​urde der Keller gebaut, 1675–1679 e​ine weitere Aufstockung u​nd eine n​eue Fassadierung vorgenommen, d​ie hofseitig n​och erhalten ist. 1743 w​urde die Straßenfassade n​eu gemacht u​nd weitere Kellergeschosse dazugebaut. Die Straßenfassade besitzt i​m Obergeschoss zusammengezogene Fensterachsen. Der Treppenturm z​eigt schräge Fenster. In e​inem Raum i​m Erdgeschoss i​st das seltene Beispiel e​ines aufgehenden Mauerwerks a​us der 1. Hälfte d​es 13. Jahrhunderts z​u sehen.

Die Nr. 9 w​ird als Kleiner Fähnrichshof bezeichnet u​nd liegt a​n der Ecke z​ur Singerstraße. Er stammt i​m Kern a​us dem 16. Jahrhundert u​nd war e​in Renaissance-Bürgerhaus, d​ie heutige Fassade i​st barock u​nd stammt a​us dem 1. Viertel d​es 18. Jahrhunderts. Ein Mittelerker l​iegt an d​er Singerstraße. Im Obergeschoss s​ind durch Putzfelder vertikal zusammengezogene Fensterachsen z​u sehen. Die barocke Holztüre i​n einem Schulterbogenportal w​eist teilweise originale Beschläge auf.

Literatur

  • Richard Perger: Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Franz Deuticke, Wien 1991, ISBN 3-7005-4628-9, S. 25.
  • Blutgasse im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  • Bundesdenkmalamt (Hrsg.): Dehio-Handbuch Wien. I. Bezirk – Innere Stadt. Verlag Berger, Horn 2003, ISBN 3-85028-366-6, S. 650–652.
Commons: Blutgasse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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