Birkenstock
Birkenstock ist ein deutscher Schuhhersteller mit Sitz in Linz am Rhein.[3] Mit der gleichnamigen Schuhmarke ist die Gesellschaft international vertreten und mit der „Birkenstocksandale“ weltweit bekannt. „Birkenstock“ ist eine eingetragene Marke der Birkenstock Sales GmbH in Vettelschoß.[4]
Birkenstock Group B.V. & Co. KG | |
---|---|
Rechtsform | B.V. & Co. KG |
Gründung | 1774 |
Sitz | Linz am Rhein |
Leitung | Oliver Reichert |
Mitarbeiterzahl | 5500 (weltweit)[1] |
Umsatz | 648,3 Mio. Euro (2017/18)[2] |
Branche | Schuhindustrie |
Website | www.birkenstock-group.com |
Geschichte
Seit der Gründung
Die Geschichte der „Schuhmacherdynastie“ Birkenstock lässt sich ab 1774 mit Erwähnung des Schuhmachermeisters Johann Adam Birkenstock in dem kleinen hessischen Ort Langen-Bergheim nachweisen. 1896 eröffnete Konrad Birkenstock in Frankfurt am Main zwei Schuhfachgeschäfte und begann, Fußbetteinlagen herzustellen. In Friedberg (Hessen) erwarb Konrad Birkenstock 1925 eine große Fabrik, die er weiter ausbaute. Das von ihm erfundene sogenannte „Blaue Fußbett“, das sich den Bewegungen und der Fußform des Trägers anpasst und um 1930 eine Neuerung war, wurde auch nach Österreich, Frankreich, Dänemark, die Tschechoslowakei, Italien, Luxemburg, Belgien, Norwegen, die Niederlande, Schweden und in die Schweiz geliefert.
Nach 1945 – die „Birkenstocksandale“
Ein Enkel Konrad Birkenstocks, Carl Birkenstock, führte am neuen Sitz Bad Honnef bei Bonn nach 1945 die Idee seines Großvaters und Verbesserungen seines Vaters Karl Birkenstock weiter, indem er die flexible Korkeinlage zur festen Innensohle von Schuhen machte. 1963 brachte Karl Birkenstock das erste Modell der „Birkenstocksandale“, die „Birkenstock Fußbettsandale“, später „Gymnastiksandale“, heute wenig verändert das Modell „Madrid“, auf den Markt und legte damit den Grundstein für die Expansion des Unternehmens seit den 1970er Jahren.
Die rasche Erweiterung des Modellangebotes (d. h. andere Sandalen-Oberteile auf dem Grundtyp des Birkenstock-Fußbetts mit Gummilaufsohle) stieß zunächst kaum auf Resonanz: Nur wenige Schuhfachhändler nahmen Birkenstock in ihr Sortiment auf. Erfolge stellten sich ein, als Ärzte und Angehörige der Pflegeberufe, die um 1970 von konventionellem Schuhwerk v. a. auf Holz- und Ledersandalen bzw. -clogs gewechselt hatten, die noch einmal unkonventionelleren Birkenstocks entdeckten und Birkenstock begann, per Postversand zu vermarkten. Schon Ende der 1960er Jahre entdeckte auch die Hippiebewegung in den USA die Sandalen, aufgebaut durch die Deutschamerikanerin Margot Fraser, die ab 1966 aus kleinen Anfängen den Vertrieb in Kalifornien, später dann das Unternehmen Birkenstock USA auf dem seit den 1980er Jahren größten Markt für Birkenstock aufbaute. In Deutschland wurden Birkenstocksandalen in den 1980er Jahren populär, zunächst in Pflegeberufen und in der Alternativ- und Friedensbewegung, dann auch in „bürgerlichen“ Haushalten als Haus- und Freizeitschuhe.[5] Auch produktseitig entwickelte sich Birkenstock weiter: 1973 kam die Sandale „Arizona“ auf den Markt, 1977 das Modell „Boston“. Beide Schuhe gehören bis heute zu den beliebtesten und erfolgreichsten Birkenstock-Klassikern. 1982 brachte Birkenstock seine erste Zehenstegsandale heraus.
Restrukturierung 2013 und Zusammenarbeit mit internationalen Modemarken
2013 erfolgte eine grundlegende Restrukturierung des Unternehmens, das bis dato aus 38 einzelnen Unternehmen bestand, hin zu einer einheitlichen Unternehmensgruppe, der Birkenstock Group.[6] Die Birkenstock GmbH & Co. KG hält seitdem 100 % der Geschäftsanteile der Birkenstock Sales GmbH (hervorgegangen aus der Birkenstock Orthopädie GmbH & Co. KG und aus deren Komplementär-GmbH) und der Birkenstock Productions GmbH, die wiederum aus einem Teil der Produktionsgesellschaften entstanden ist. Weiterhin unterhält die Birkenstock GmbH & Co. KG zwei Niederlassungen, die Birkenstock GmbH & Co. KG Services und die Birkenstock GmbH & Co. KG Fachgeschäfte. Die Gruppe vereint diese Unternehmen in drei Geschäftsbereichen: Produktion, Vertrieb und Services.[6][7] Die Führung der Gruppe übernahm erstmals ein Führungsteam, das nicht aus dem Kreis der Familie Birkenstock stammte.[7]
Sitz war ab den 1990er-Jahren Vettelschoß im nördlichen Rheinland-Pfalz nahe Bad Honnef. Anfang 2014 wurde die Verwaltung an den rund 10 km südlich gelegenen Standort Rahms (Neustadt (Wied)) auf den so genannten „Birkenstock Campus“ verlegt.[8] Die Produktionsbetriebe befinden sich in Sankt Katharinen (Rheinland-Pfalz), Bernstadt (Sachsen), Görlitz (Sachsen) und Steinau-Uerzell (Hessen). Das Logistikzentrum findet man in Vettelschoß (Rheinland-Pfalz). 2020 wurde der Standort in Rahms aufgegeben. Gut die Hälfte aller Arbeitsplätze wurde in den Rheinauhafen in Köln verlegt. Der Verwaltungssitz befindet sich nun auf der Burg Ockenfels in Linz am Rhein.[9]
Seit 2016 bestehen gezielte Kooperationen mit internationalen Modemarken, die dem gewohnten Markenbild der „bequemen Hippiesandale“ eher nicht entsprachen oder diesem Image sogar diametral gegenüberstehen. So produziert der Hersteller eine Linie exklusiv für Valentino Garavani und gewann die Schauspielerin Frances McDormand als Markenbotschafterin, die während der Oscarverleihung 2019 mit einem eigens angefertigten Paar auf die Bühne ging.[10] Darüber hinaus kooperierte das Unternehmen 2018 mit der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Berlin.[11]
Unternehmensübernahme
Im Februar 2021 erfolgte der Verkauf der Mehrheit der Kapitalanteile von Birkenstock aus Familienhand an die amerikanisch-französische Beteiligungsgesellschaft L Catterton, hinter der unter anderen der französische Luxusgüterkonzern LVMH und dessen Eigentümer Bernard Arnault steht. Das Unternehmen wurde mit 4 Mrd. Euro bewertet.[12][13] Im April 2021 genehmigte die Europäische Kommission die Übernahme nach einer Prüfung durch die Wettbewerbsbehörde der EU.[14] Seit der Übernahme ist Oliver Reichert alleiniger Geschäftsführer der Birkenstock Group.[15]
Kontroversen
Konflikte um Arbeitnehmervertretungen
Der Konzern ist mehrfach durch Widerstand gegen unabhängige Betriebsräte in Erscheinung getreten. Zum Teil führten diese Bestrebungen zu Gerichtsverfahren und Verurteilungen der Geschäftsleitung. 1993 wurde für die Birko Schuhtechnik GmbH im Werk in Sankt Katharinen der erste Betriebsrat installiert.[16] In der Folge kam es zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen zwischen Teilen der Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretern andererseits. Mitarbeiter empfanden es als Bestrafung, dass anschließend ihre Arbeitsverträge im Rahmen einer Firmenumstrukturierung von der Firma DeP GmbH weitergeführt wurden. Mitarbeiter der Firma DeP berichteten über verschiedene Schikanen wie abgestellte Heizung oder Kontrollen durch Sicherheitsmitarbeiter. Im Gegenzug warf die Geschäftsleitung den Gewerkschaftsvertretern eine Hasskampagne vor. Anfang 1997 einigten sich Geschäftsführung, Gewerkschaft und Mitarbeiter auf eine Schließung der Firma DeP und einen Sozialplan über rund 1,8 Millionen Deutsche Mark.[17]
Anfang März 2019 wurde auch am größten Birkenstock-Standort in Görlitz ein Betriebsrat gewählt.[18]
Konflikt um gleichen Lohn
Bis ins Jahr 2012 hat Birkenstock Frauen in der Produktion einen Euro pro Stunde weniger bezahlt als Männern – bei gleicher Tätigkeit und Qualifikation. Auch Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld waren niedriger. Das Arbeitsgericht urteilte, dass die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt sei. Nach dem Wechsel in den Gesellschafterstrukturen 2013 wurde diese Ungleichbehandlung aufgehoben und teilweise durch Lohnrückzahlungen sowie Entschädigungen kompensiert.[19]
Konflikt mit Onlinehändler Amazon
Mit der Begründung, dass Amazon auf Amazon Marketplace nicht energisch genug gegen den Handel mit Produktfälschungen von Birkenstock vorgehe, kündigte Birkenstock im Dezember 2017 an, ab 1. Januar 2018 Amazon nicht mehr zu beliefern.[20] „Wir brauchen Amazon nicht. [...] Wir glauben, dass diese Art des Vertriebs mehr zerstört als fördert. [...] Amazon behandelt alle schlecht“, sagte der Geschäftsführer Oliver Reichert in einem Interview.[21]
Klagen gegen Konkurrenten
Birkenstock wehrte sich in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln vergeblich gegen die Nachahmung von Schuhen. Das Gericht vertrat 2018 die Auffassung, Birkenstock habe Nachahmer zu lange geduldet. Die wettbewerbsrechtliche Eigenart der Schuhmodelle sei im Laufe der Zeit verwässert worden.[22]
Lizenznehmer
Die Schuhfirmen Alpro, Betula, Birki, Footprints, Papillio und Tatami sind Lizenznehmer von Birkenstock. Diese eigenständigen Firmen, die im Besitz der drei Söhne Karl Birkenstocks sind, nutzen teilweise das Know-how von Birkenstock, das sich unter anderem in den ausgeformten Fußbettungen widerspiegelt. Die Lizenznehmer dürfen – abhängig von der Qualität – für ihre Produkte mit den Zusätzen „Original Birkenstock Fußbett“ oder „licensed by Birkenstock“ werben.
Literatur
- Friedemann Karig: Eine Sandale geht um die Welt. Sexy waren Birkenstock-Sandalen noch nie. Doch mit dem spröden Charme ihrer Korksohle kriegt die ehemals bespöttelte Gesundheitslatsche heute jeden in ihr weiches Fussbett. Über die erstaunliche Karriere eines Schuhs. In: Das Magazin. Tamedia, Zürich 6. Juni 2015. S. 32–41 (PDF).
- H. Schumacher: Birkenstock: Psychoterror des Sandalenfabrikanten. In: Wirtschaftswoche, 8. Februar 1996.
- Helge Sternke: Alles über Herrenschuhe. Nicolai, Berlin 2006, ISBN 978-3-89479-252-7 (mit einem historischen Einblick in die Entwicklung der Firma Birkenstock sowie Modellvorstellungen und Informationen zur Diskussion der „Schonungstheoretiker“ und „Belastungstheoretiker“).
- Silke Wichert: Lass laufen. In: Süddeutsche Zeitung Spezial. 31. Dezember 2019.
Weblinks
- Website von Birkenstock
- Vom Ökotreter zur Hipstersandale: die Erfolgsgeschichte des Birkenstock. Artikel in der TagesWoche vom 30. September 2015
Einzelnachweise
- Über Uns: Birkenstock Group. Abgerufen am 13. September 2021.
- Jahresabschluss zum 7. Mai 2019, abgerufen über E-Bundesanzeiger
- Impressum: Birkenstock Group. Abgerufen am 6. August 2020.
- Deutsches Patent- und Markenamt, Registernummer/Aktenzeichen 39642945.9
- Caroline Turzer: Wie aus Birkenstock hippe Latschen wurden. In: DIE WELT. 1. Oktober 2011 (welt.de [abgerufen am 22. Dezember 2021]).
- Birkenstock: Bensberg und Reichert neue Führungsspitze. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 29. Juni 2015.
- Birkenstock wird Konzern und zieht um nach Neustadt/Wied. Abgerufen am 29. Juni 2015.
- Pressemitteilung vom 15. Oktober 2013
- Petra Steinke: Birkenstock: 200 Arbeitsplätze wandern von Rahms nach Köln. Abgerufen am 6. August 2020.
- Artikel in der Vogue.
- Werben & Verkaufen: KPM Berlin und Birkenstock präsentieren Porzellan-Sandale | W&V. 18. Mai 2018, abgerufen am 16. Oktober 2019.
- Klaus Max Smolcka: Neue Eigner sollen Birkenstock in Asien bekannter machen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. Februar 2021, abgerufen am 26. Februar 2021.
- Birkenstock soll für vier Milliarden verkauft werden in: orf.at, 25. Februar 2021, abgerufen am 25. Februar 2021.
- Birkenstock: EU-Behörde erlaubt Übernahme durch Luxus-Investor. In: Der Spiegel. Abgerufen am 23. April 2021.
- FashionNetwork com DE: Birkenstock: Co-CEO Markus Bensberg verlässt Geschäftsführung. Abgerufen am 13. September 2021.
- Roland Kirbach: Krieg im Werk. Die Zeit. S. 6. 17. Mai 1996. Archiviert vom Original am 14. Juni 2014. Abgerufen am 17. Juli 2020.
- Sven Hansen: Der Konflikt ist endlich ausgelatscht. In: Die Tageszeitung: taz. 5. Februar 1997, ISSN 0931-9085, S. 7 (taz.de [abgerufen am 22. Dezember 2021]).
- Größter Birkenstock-Standort jetzt mit Betriebsrat – IG-Metall – Abgerufen am 17. Juli 2020
- Lukas Koschnitzke: Birkenstock zahlte Frauen einen Euro weniger, Spiegel Online, 7. März 2015. Abgerufen am 6. November 2019.
- Birkenstock legt sich mit Amazon an : Verweis auf Markenrechtsverletzungen orf.at, 10. Dezember 2017, abgerufen am 11. Dezember 2017.
- Frankfurter Allgemeine Magazin, Oktober 2019, S. 75.
- Wettbewerb: Mitscherlich gewinnt für Birkenstock-Konkurrentin. JUVE, 2. November 2018, abgerufen am 5. November 2018.