Bimetallismus
Als Bimetallismus oder Doppelwährung – im Gegensatz zum Monometallismus – bezeichnet man ein Währungssystem, dessen Einheit auf Kurantmünzen aus Gold und zugleich auf solchen aus Silber, seltener auf einem festen Verhältnis zwischen Silber- und Kupfermünzen, basiert. Da die Einheit an den Wert zweier Edelmetalle zugleich gebunden ist, wird damit deren Wechselverhältnis fixiert. Kurze Zeit existierte im Russland des 19. Jahrhunderts auch ein Trimetallismus mit Platin. Parallel zu einer Bimetallwährung können Banknoten und Scheidemünzen ausgegeben werden. Diese sind nicht durch den Materialwert gedeckt und können mit Zwangskurs versehen sein, was Kursverschiebungen zwischen den verschiedenen Geldsorten hervorrufen kann.
Geschichte
Ein Nebeneinander von Kurantmünzen aus Gold und Silber im Zahlungsverkehr ist keine Seltenheit. Im Preußen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts etwa wurden die werthaltigeren Zahlungen, meist Zahlungen an das Ausland für hochwertige Güter wie Luxusartikel, oft mit goldenen Friedrich d’or und die gewöhnlichen Zahlungen im Inland mit silbernen Talern geleistet. Einen gesetzlich festgelegten festen Kurs zwischen Gold und Silber bzw. Friedrich d'or und preußischen Talern gab es damals nicht.
Isaac Newton wurde 1699 in Großbritannien zum Master of the Royal Mint berufen. Im Auftrag der Neuordnung der Währungsverhältnisse setzte er im Jahr 1717 das Silber - Goldpreisverhältnis auf 15½ : 1, was damals de facto einer Unterbewertung der Silbermünzen (seit dem 12. Jahrhundert hatte das Tauschverhältnis in etwa bei 12 : 1 gelegen) bedeutete. Die Folge war, dass Silbermünzen gehortet wurden und das überbewertete Geld das unterbewertete hierdurch verdrängte (siehe auch Greshamsches Gesetz). Diese Situation sorgte dann in Folge dazu, dass sich in Großbritannien der Goldstandard etablierte (da das Silbergeld aus dem Markt verschwand).
Grundlage des Bimetallismus ist die vertragsmäßige oder gesetzliche Festschreibung eines festen Wertverhältnisses zwischen den verwendeten Münzmetallen innerhalb eines Landes. Auch eine solche Festschreibung in allen oder zumindest in den finanzstärksten Ländern einer Währungsunion bedeutete Bimetallismus. In Frankreich (ab 1803) und später in der Lateinischen Münzunion (ab 1865) war dieses Verhältnis auf 15,5 festgelegt (1 g Gold hatte den gleichen Wert wie 15,5 g Silber).
In der Lateinischen Münzunion drückte sich der Bimetallismus darin aus, dass die Feingewichte von zwei silbernen 5-Franken-Stücken und einem goldenen 10-Franken-Stück (Goldfranken) sich wie 15,5 zu 1 verhielten (um 1870). Der in den 1870er Jahren sinkende Silberpreis führte dann jedoch dazu, dass Silber in großen Mengen in die Länder der Lateinischen Münzunion strömte. Dieses konnte nach Ausprägung im nicht mehr marktgerechten Verhältnis von 15,5 : 1 in Gold getauscht werden. Die Länder stellten schließlich die Silberkurantprägung ein, was de facto auch hier zur Goldwährung/Goldstandard führte. Auch in Deutschland gab es bis 1907 einen „gesetzlich verordneten Bimetallismus“, als der silberne, einfache Zollvereinstaler als Kurantmünze neben den Goldmünzen umlief. Der Zollvereinstaler war das definierende Münznominal der Vorgängerwährung der Mark. Die bis 1907 geltende Situation wird als „hinkende Goldwährung“[1] bezeichnet.
Infolge des Sherman Silver Purchase Act war auch der US-Dollar offiziell eine bimetallische Währung.
Eine Doppelwährung wurde auch mit Münzen der spätmittelalterlichen Groschenzeit der Wettiner praktiziert. Sie bestand aus Oberwährgroschen (Judenkopfgroschen), einer harten Währung, die u. a. für den auswärtigen Handel geschaffen war, während die Beiwähr dem allgemeinen Geldverkehr diente.[2] Die dadurch geschwächte Währung musste durch eine weitere Münzreform mit völlig neuen Groschen (Horngroschen) und Groschen zum halben Wert der Horngroschen übersichtlich gestaltet und damit stabilisiert werden.[3]
Probleme
Reiche Silberfunde am Ende des 19. Jahrhunderts ließen den Silberpreis fallen. Daraufhin wandten sich zahlreiche Länder mit bimetallischen Währungen dem Goldstandard zu, so auch die USA.
Eine dauerhafte Festlegung eines stabilen Wertverhältnisses ist wirtschaftlich unrealistisch. Zwei oder auch mehr unterschiedliche Metalle, Güter, Waren oder Dienstleistungen lassen sich über einen längeren Zeitraum nicht zu jeweils gleichen Preisen erzeugen, da sich fortwährend die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern und sich auch die Nachfrage und Mode ändert. Dies führt dazu, dass das höher bewertete Metall in die private Thesaurierung oder ins Ausland abfließt – falls eine Zahlungsmittel-Wahlfreiheit beim Bezahlen besteht (Greshamsches Gesetz). Dennoch zeigt das Beispiel Frankreichs von 1803 bis in die 1870er Jahre, dass der Bimetallismus in einem genügend großen Land das Wertverhältnis zwischen Silber und Gold auf dem Weltmarkt dauerhaft stabilisieren kann (damals auch während der Goldrauschzeit ab 1849).
Die Schwächen des neuen Goldstandards zeigten sich im Verlauf der 1870er Jahre, als der Verfall des Silberpreises einsetzte. Verfechter des Bimetallismus wie Henri Cernuschi forderten die (Wieder-)Einführung des Bimetallismus in weiteren Ländern, woran die Silbermontanindustrie großes Interesse hatte.[4] Länder, die eine auf dem Goldstandard basierende Währung hatten und eine Abwertung befürchteten, leisteten dagegen Widerstand. Die Einführung eines festen Wertverhältnisses zwischen Gold und Silber wurde auf den internationalen Münzkonferenzen in Paris 1878 und 1881 abgelehnt.
Sonstiges
Das dynamische Wertverhältnis zwischen Silber und Gold schwankte 2009 zwischen 1 zu 45 und 1 zu 90.[5]
Der Begriff ist nicht mit Bimetall zu verwechseln, das bei Temperaturänderungen seine Form ändert. Er hat auch nichts mit Bimetallmünzen zu tun, welche aus zwei verschiedenen Metallen bzw. Legierungen bestehen, wie beispielsweise die 1- und 2-Euro-Münzen.
- 20 Lire Vatikan 1866, Raugewicht 6,45 g = 5,81 g Feingold
- 10 Lire Vatikan Gold 1869, Rauhgewicht 3,23 g = 2,9 g Feingold
- Revers der 10 Lire Münze
- 5 Lire Vatikan Gold 1857, Raugewicht 1,60 g = 1,45 g Feingold
- 5 Lire Silbermünze 1870, Raugewicht 25 g = 22,50 g Feinsilber
- Revers der 5 Lire Silbermünze
- 10 Soldi (50 Centesimi) 1867, Raugewicht 2,50 g = 2,25 g Feinsilber = 100 Soldi entsprechen 5 Lire
- Revers der 10 Soldi Münze
Literatur
- Helmut Kahnt, Bernd Knorr: Alte Maße, Münzen und Gewichte. Ein Lexikon. Bibliographisches Institut, Leipzig 1986, Lizenzausgabe Mannheim/Wien/Zürich 1987, ISBN 3-411-02148-9, S. 383.
- MünzenRevue Sonderheft Gold & Silber 2019, ISBN 978-3-86646-175-8.
Einzelnachweise
- Unter einer Hinkenden Währung versteht man ein Währungssystem, bei dem zwei Metalle (meist Gold und Silber) gesetzliches Zahlungsmittel waren. Vgl. Helmut Kahnt, Bernd Knorr: Alte Maße, Münzen und Gewichte. Ein Lexikon. Bibliographisches Institut, Leipzig 1986, Lizenzausgabe Mannheim/Wien/Zürich 1987, ISBN 3-411-02148-9, S. 385.
- Walther Haupt: Sächsische Münzkunde (1974), S. 70
- Walther Haupt: Sächsische Münzkunde (1974), S. 84
- Klaus W. Epstein bemerkte über die Diskussion am Ende des 19. Jahrhunderts: „[Der] Bimetallismus ist längst als eigentümliche Mischung von Propaganda der Silberproduzenten und primitiver wirtschaftlicher Heilslehre entlarvt.“ Klaus Epstein, Rezension zu Heinz Gollwitzer: Die Gelbe Gefahr. Geschichte eines Schlagworts, Göttingen 1962. In: Historische Zeitschrift 198, 1964, S. 145–147.
- Past Historical London Fix. January 2008 to December 2008. Auf: kitco.com; zuletzt abgerufen am 19. März 2013.