Bérénice (Racine)
Bérénice ist eine Tragödie in fünf Akten von Jean Racine. Die Premiere mit Marie Champmeslé[1] in der Titelrolle war am 21. November 1670 im Hôtel de Bourgogne in Paris.[A 1] Das Stück besteht aus 1506 Alexandrinern. Der Autor hatte es dem Finanzminister Colbert gewidmet.
Daten | |
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Titel: | Berenice |
Originaltitel: | Bérénice |
Gattung: | Tragödie |
Originalsprache: | französisch |
Autor: | Jean Racine |
Uraufführung: | 21. November 1670 |
Ort der Uraufführung: | Hôtel de Bourgogne, Paris |
Ort und Zeit der Handlung: | Rom, ein Tag anno 79 n. Chr. (Titus ist gerade Imperator geworden) |
Personen | |
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Eine Ehe seines Kaisers Titus mit Berenize, einer syrischen Hasmonäerin, die mit palästinensischen Tetrarchen verwandt ist, möchte das römische Imperium nicht tolerieren.[2] Titus fügt sich. Sueton schreibt in seiner Titus-Biographie: „Titus entließ die Königin Berenice, der er sogar die Ehe versprochen haben soll, alsbald aus Rom gegen seinen und ihren Wunsch.“ Eigentlich soll dieser lapidare Satz das wesentliche Material gewesen sein, aus dem der Autor das Stück gebaut hat.[3] Während der jahrhundertelangen Aufführungsgeschichte sei Racine die daraus entspringende Handlungsarmut des Bühnenwerkes wiederholt vorgeworfen worden.[4]
Inhalt
Die Handlung läuft über einen ganzen Tag, nur eine Woche nach dem Regierungsantritt des Titus.[5]
- 1
Vor fünf Jahren schon war Antiochus nach dem Ende des Jüdischen Krieges seinem Freunde Titus zusammen mit Berenize nach Rom gefolgt. Nun, nach dem Tod des Vaters Vespasian, ist der Waffengefährte römischer Kaiser geworden. Die Geliebte Berenize hat ihm den Rivalen Titus vorgezogen. Antiochus hat sich damit abgefunden. Zwar hat sich Titus noch nicht erklärt, doch Berenize – die „Fremdlingin in Rom“[6] – meint, Titus werde sich über den widerborstigen Senat hinwegsetzen und sie – selbst als nichtrömische Königin – ehelichen.
- 2
Berenize hofft noch. Titus, hin- und hergerissen, liebt zwar Berenize heiß, doch als neuer Kaiser kommt er gegen die Staatsraison nicht an. So steht sein Entschluss fest. Er entsagt. Der treue Antiochus soll Berenize ins ferne Morgenland heimbegleiten.
- 3
Titus wird Berenize immer lieben. Trotz alledem muss er Antiochus seinen Plan schmackhaft machen, für den ihm die Zustimmung des Senats als sicher scheint. Die römischen Provinz Cilicien wird an Commagene gegliedert. Somit werden König Antiochus und Königin Berenize Nachbarn dies- und jenseits des Euphrat. Berenize glaubt Antiochus nicht, als er den Befehl des Kaisers – die Trennung für immer – überbringt. Schon am nächsten Tag sollen Berenize und Antiochus gemeinsam abreisen. Die Königin schickt den König fort und will ihn nie mehr sehn.
- 4
Zorn rast in Berenize. Sie will den Geliebten sprechen. Titus weiß, in der bevorstehenden Begegnung muss er nicht nur standhaft, sondern auch grausam sein. Als Berenize geht, nachdem die Trennungsstunde geschlagen hatte, fürchtet Titus um das Leben der Geliebten und will sie retten.
- 5
So ruft er Antiochus herbei. Titus beschwört vor Berenize erneut die fünf verflossenen Jahre brennender Liebe. Zu spät – Berenize will noch am selben Tage allein reisen; möchte sowohl Titus als auch Antiochus nicht mehr sehen.
Im Beisein Berenizens gesteht Antiochus dem erstaunten Kaiser, dass er fünf Jahre lang sein Nebenbuhler gewesen war und nun nach der schroffen Abfuhr durch die Geliebte den Tod sucht. Daraufhin stellt Berenize klar, Kaiserin habe sie nie und nimmer werden wollen und alle drei seien als „Vorbild aller Welt“[7] zum Leben verurteilt. Insbesondere Titus müsse herrschen. Antiochus fügt sich mit einem resignierenden Hélas!
Bühnenaufführungen
Über die Jahrhunderte hinweg hielten in der Comédie-Française[8] das Stück unter anderen am Leben: Charles Chevillet (1680), Adrienne Lecouvreur (1717), Jean-Baptiste-Maurice Quinault[9], Abraham Alexis Quinault[10] (1724), Mademoiselle Gaussin[11], Jean-Baptiste de La Noue[12], Jean-Jacques-François Drouin[13] (1752), Lekain, Bellecour[14] (1767), François-René Molé[15], Saint-Prix[16](1782), Saint-Fal[17] (1783), Louise Desgarcins[18], François-Joseph Talma (1788), Mademoiselle Georges[19] (1807), Rachel, Pierre François Beauvallet[20] (1844), Julia Bartet[21], Paul Mounet[22], Albert Lambert[23] (1893), René Alexandre[24] (1919), Eugénie Segond-Weber, Maxime Desjardins[25], Jean Hervé[26] (1922), Gabrielle Colonna-Romano[27], Maurice Escande[28] (1923), Jean Yonnel[29] (1926), Maurice Donneaud[30] (1931), Marie Ventura[31] (1932), Germaine Rouer[32] (1934), Maurice Escande[33] (1937), Jean Chevrier[34] (1942), Jeanne Sully[35] (1945), Gaston Baty[36], Annie Ducaux[37] (1946), Paul-Émile Deiber[38] (1949), Jean Deschamps[39] (1956), Renée Faure, Denise Noël[40], André Falcon, Simon Eine[41], Jacques Destoop[42] (1962), Geneviève Casile[43], Nicolas Silberg[44] (1979) und Klaus Michael Grüber, Ludmila Mikaël, Richard Fontana[45], Marcel Bozonnet[46] (1984).
Neuere Bühnenereignisse[47]
- 2001 Festival von Avignon: Inszenierung Lambert Wilsons (als Antiochus) mit Kristin Scott Thomas, Didier Sandre und dem Ensemble des Théâtre national de Chaillot.
- 2006 Théâtre des Amandiers, Regie Jean-Louis Martinelli, mit Marie-Sophie Ferdane als Berenize, Patrick Catalifo als Titus und Hammou Graïa als Antiochu[48]
- 2008 Théâtre des Bouffes du Nord, Regie Lambert Wilson und als Titus, mit Carole Bouquet als Berenize und Fabrice Michel als Antiochus. Lambert Wilsons Vater Georges Wilson spielte bis zu seinem Tode den Paulin.
- 2011 Königliche Oper (Versailles), Comedie-française und anderenorts, Inszenierung von Muriel Mayette[49]
- 2018 Opéra Garnier, Paris, Oper von Michael Jarrell mit dem Libretto des Komponisten nach dem Drama von Racine[50], Inszenierung von Claus Guth, Dirigent: Philippe Jordan, mit Barbara Hannigan und Bo Skovhus
Mediale Adaptionen
- anno 1902 Sarah Bernhardts Berenize-Stimme
- 1975: TV-Film von Raymond Rouleau mit Danièle Lebrun in der Titelrolle, Laurent Terzieff als Titus und Robert Rimbaud als Antiochus.[51]
- 2010: Bérénice. Mise en scène Jean-Louis Martinelli, réalisation Hélène Ricome, DVD SOPAT (DVD-Fassung der Inszenierung am Théâtre Nanterre Amandiers 2006)
- 2011: Bérénice, Ausschnitt einer Aufführung von Le menteur volontaire - Compagnie théâtrale YouTube-Video, 5:11 min.
Ausgaben
- Bérénice. Théâtre, texte intégral, texte de l'éd. de 1697. Paris: Hachette. (Classiques Hachette.) ISBN 2-01167817-X
- Berenize, in Rudolf Alexander Schröder [Übersetzer]: Gesammelte Werke. Sechster Band. Corneille / Racine / Molière. In deutschen Alexandrinern. Suhrkamp, Berlin 1958, S. 163–226. [Verwendete Ausgabe]
- Berenike. Britannicus. Aus dem Französischen von Simon Werle. Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 2002. ISBN 3-88661-252-X
- Für seine Racine-Übersetzungen erhielt Simon Werle den Celan Preis, „weil seine Übertragung Racinescher Theaterstücke, die seit Lessing im deutschsprachigen Raum für nahezu unübersetzbar und unaufführbar galten, in eine angemessene deutsche Tragödiensprache hohe Maßstäbe setzt“.[52]
Weblinks
In französischer Sprache
- Der Text (PDF; 107 kB) bei http://theatre-classique.fr/
- Video mit Ausschnitten aus Aufführungen sowie Interviews
Anmerkung
- Eine Woche darauf wurde Corneilles „Titus und Berenize“ (frz. Tite et Bérénice) im Théâtre du Palais-Royal (frz. Théâtre du Palais-Royal) uraufgeführt.
Einzelnachweise
- frz. Marie Champmeslé
- Verwendete Ausgabe, S. 176, 3. Z.v.u. und S. 759, 2. Z.v.u.
- Verwendete Ausgabe, S. 762, Mitte
- Verwendete Ausgabe, S. 762, unten
- Verwendete Ausgabe, S. 206, 13. Z.v.u.
- Verwendete Ausgabe, S. 185, 16. Z.v.o.
- Verwendete Ausgabe, S. 226, 9. Z.v.o.
- frz. Bérénice (Racine) (Abschnitt „Grandes représentations jusqu'au XXe siècle à la Comédie-Française“)
- frz. Jean-Baptiste-Maurice Quinault
- eng. Quinault-Dufresne
- frz. Mademoiselle Gaussin
- frz. Jean-Baptiste de La Noue
- frz. Jean-Jacques-François Drouin
- frz. Bellecour
- frz. François-René Molé
- frz. Saint-Prix
- frz. Saint-Fal
- frz. Louise Desgarcins
- frz. Mademoiselle George
- frz. Pierre François Beauvallet
- frz. Julia Bartet
- frz. Paul Mounet
- frz. Albert Lambert
- frz. René Alexandre
- frz. Maxime Desjardins
- frz. Jean Hervé
- frz. Gabrielle Colonna-Romano
- frz. Maurice Escande
- frz. Jean Yonnel
- frz. Maurice Donneaud
- frz. Marie Ventura
- frz. Germaine Rouer
- frz. Maurice Escande
- frz. Jean Chevrier
- frz. Jeanne Sully
- frz. Gaston Baty
- frz. Annie Ducaux
- frz. Paul-Émile Deiber
- frz. Jean Deschamps
- frz. Denise Noël
- frz. Simon Eine
- frz. Jacques Destoop
- frz. Geneviève Casile
- frz. Nicolas Silberg
- frz. Richard Fontana
- frz. Marcel Bozonnet
- frz. Bérénice (Racine) (Abschnitt Quelques principales représentations au XXIe siècle)
- Michel Courot: Une autre et belle lecture de „Bérénice“ Le Monde, 27. September 2008, abgerufen am 15. September 2019
- Muriel Mayette: Bérénice à la Comédie française, canalacademie.com, abgerufen am 15. September 2019
- Joachim Lange: Im Pariser Palais Garnier begeistert die neue Oper „Bérénice“ von Michael Jarrell, NMZ online, abgerufen am 15. September 2019
- IMDb
- zitiert aus der Begründung der Jury, Jean Racine, Verlag der Autoren, abgerufen am 15. September 2019