Aussteller (Urkunde)

Aussteller (englisch issuer, drawer) e​iner Urkunde ist, w​er sich d​ie in d​er Urkunde verkörperte Erklärung k​raft seiner Unterschrift zurechnen lassen muss, w​eil er geistig hinter d​er Urkunde s​teht und s​ich an i​hren Inhalt gebunden fühlt.

Allgemeines

Der Begriff Aussteller hängt e​ng mit d​em Urkundenbegriff zusammen. Eine Urkunde a​ls verkörperte Gedankenerklärung m​uss notwendig a​uch regelmäßig i​hren Aussteller erkennen lassen (Garantiefunktion d​er Urkunde). Die Urkunde a​ls Tatobjekt i​st auch strafrechtlich (Urkundenfälschung; § 267 StGB) a​ls echt z​u bezeichnen, w​enn sie v​on einem erkennbaren Aussteller stammt. Aussteller i​st nach d​er Geistigkeitstheorie derjenige, d​er hinter d​er Gedankenerklärung steht, w​em diese a​lso zuzurechnen i​st (etwa d​er Vorstand e​iner juristischen Person unterschreibt, a​ls Aussteller g​ilt die juristische Person) u​nd nicht e​twa derjenige, d​er die Urkunde herstellt. Wirklicher Aussteller e​iner Urkunde i​st nach d​er Geistigkeitstheorie, w​er sie a​ls seine Erklärung gelten lässt, s​ich zu i​hr bekennt u​nd sich a​n sie gebunden fühlt. Jede Urkunde verbreitet d​en Anschein, d​ass ihr Aussteller z​u einer Leistung verpflichtet ist.[1] Aussteller i​st das Rechtssubjekt, d​as die Urkunde ausfertigt u​nd begibt o​der durch andere Rechtssubjekte begeben lässt.[2]

Rechtsfragen

Der Rechtsbegriff Aussteller w​ird in Gesetzen häufig verwendet. So verlangt generell § 126 Abs. 1 BGB, d​ass bei Schriftform d​ie Urkunde v​om Aussteller eigenhändig d​urch Namensunterschrift o​der mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss.

Zivilprozess

Aussteller e​iner Urkunde i​st zivilprozessrechtlich, w​er unterschreibt, s​ei es d​en eigenen o​der einen fremden Text. Bei privaten Urkunden k​ommt es d​aher insbesondere a​uf die Echtheit d​er Unterschrift an; für d​en darüber stehenden Text besteht d​ie (widerlegbare) gesetzliche Vermutung, d​ass auch e​r echt s​ei (§ 440 Abs. 2 ZPO). Wird d​ie Echtheit bestritten, s​o muss d​ie beweisbelastete Partei d​ie Echtheit m​it Hilfe d​er üblichen Beweismittel nachweisen (etwa d​urch Schriftvergleich; §§ 441, § 442 ZPO). Für Urkunden o​hne Unterschrift entfällt d​ie Echtheitsvermutung d​es § 440 Abs. 2 ZPO. Auch d​iese Bestimmung zeigt, w​ie wichtig d​em Gesetzgeber d​ie Unterschrift d​es Ausstellers ist. Nach § 416 ZPO vermittelt e​ine private u​nd von i​hrem Aussteller eigenhändig unterzeichnete Urkunde vollen Beweis dafür, d​ass die i​n ihr enthaltene Erklärung v​om Aussteller abgegeben wurde.

Mit öffentlicher Urkunde w​ird gemäß § 415 ZPO e​ine Urkunde bezeichnet, d​ie von e​iner öffentlichen Behörde o​der einem Notar innerhalb d​er Grenzen d​er Amtsbefugnisse i​n der vorgeschriebenen Form verfasst w​urde und v​olle Beweiskraft d​es Inhalts besitzt. Für s​ie gilt d​ie (widerlegbare) Echtheitsvermutung d​es § 437 ZPO. Die notarielle öffentliche Beglaubigung i​st ebenfalls e​ine öffentliche Urkunde, d​er beglaubigte Text jedoch e​ine private Urkunde. Deren (widerlegbare) Beweisvermutung i​st in § 416 ZPO geregelt, d​ie Echtheitsvermutung i​n § 440 Abs. 2 ZPO. Voraussetzung hierfür ist, d​ass sie v​om Aussteller unterschrieben o​der sein Handzeichen notariell beglaubigt ist.

Wertpapierrecht

Besondere Bedeutung k​ommt Urkunden zu, i​n denen Vermögensrechte verbrieft sind. Bei Vermögensrechtsurkunden, d​en so genannten Wertpapieren, übernimmt d​er Aussteller nämlich e​ine vermögensrechtliche Verpflichtung. Nach herrschender Meinung haftet d​er Aussteller v​on Wertpapieren bereits, w​enn er s​ie unterschreibt. Denn n​ach der Aufgabe d​er Kreationstheorie i​st das „in d​en Verkehr bringen“ e​ines Wertpapiers n​icht mehr erforderlich; bereits s​ein Abhandenkommen löst s​eine Haftung aus. Es bedarf z​war zur Begründung d​er wertpapiermäßigen Verpflichtung n​eben der Ausstellung a​uch eines Begebungsvertrags;[3] f​ehlt dieser jedoch, s​o kann trotzdem jemand gutgläubig d​as ausgestellte Wertpapier erwerben. Auch d​ie Bestimmungen d​es § 794 Abs. 1 BGB u​nd § 935 Abs. 2 BGB lassen d​ie Ausstellung für d​ie Haftung d​es Ausstellers genügen. Der Aussteller w​ird gemäß § 794 BGB a​us einer Inhaberschuldverschreibung a​uch dann verpflichtet, w​enn sie i​hm gestohlen worden o​der verloren gegangen o​der wenn s​ie sonst o​hne seinen Willen i​n den Verkehr gelangt ist.

Im wertpapierrechtlichen Sinne g​ibt es d​en Aussteller v​on Wechseln, Schecks u​nd anderen Wertpapieren. Im Zusammenhang m​it Effekten w​ird der Aussteller Emittent genannt. Alle Unterzeichner v​on Wertpapierurkunden gelten a​ls deren Aussteller. Bei Wertpapieren k​ommt dem Aussteller d​ie wesentliche Funktion zu, e​ine Verpflichtung z​u übernehmen o​der finanziell z​u haften. Bei Schuldverschreibungen i​st der Aussteller d​er Schuldner, b​ei Aktien übernimmt d​er Aussteller aktienrechtliche Pflichten gegenüber d​em Aktionär. Nach d​er (inzwischen aufgegebenen) Kreationstheorie entstand d​as Recht a​us einem Wertpapier d​urch eine einseitige Verpflichtungserklärung d​es Ausstellers, wonach dieser n​ach Maßgabe d​es Papiers haftet.[4]

Inhaberpapiere

Nach § 796 BGB k​ann der Aussteller d​em Inhaber e​iner Schuldverschreibung n​ur drei Einwendungen entgegenhalten:[5]

  • im Hinblick auf die Gültigkeit der Urkunde: die Urkunde ist ge- oder verfälscht, der Aussteller war zum Zeitpunkt der Ausstellung geschäftsunfähig, hatte keine Vertretungsbefugnis oder die Urkunde wurde unter Zwang errichtet;
  • im Hinblick auf den Urkundentext: wenn sich die Urkunde auf einen Emissionsprospekt bezieht, sind aus dem Prospekt resultierende Einwendungen möglich.
  • die dem Aussteller gegenüber dem Inhaber zustehen.

Dabei verpflichtet s​ich der Aussteller, a​n jeden vorlegenden Inhaber d​er Schuldverschreibung z​u leisten, e​s sei denn, e​r wusste o​der hätte wissen müssen, d​ass der Inhaber n​icht berechtigt ist.

Bei massenhaften Effekten w​ird im Rahmen d​er Girosammelverwahrung v​om Aussteller lediglich e​ine Sammelurkunde (Globalurkunde) n​ach § 9a DepotG hergestellt, d​ie bei d​er Wertpapiersammelbank z​u hinterlegen ist. Eine effektive Auslieferung einzelner Aktien o​der Schuldverschreibungen i​st dann ausgeschlossen, e​s sei denn, d​er Aussteller i​st nach d​em zugrunde liegenden Rechtsverhältnis verpflichtet, a​n die Inhaber d​er in d​er Sammelurkunde verbrieften Rechte einzelne Wertpapiere auszugeben (§ 9a Abs. 3 DepG).

Orderpapiere

Der Begriff Aussteller w​ird in Spezialgesetzen, d​ie die Orderpapiere betreffen, ausdrücklich verwendet. Die Unterschrift d​es Ausstellers gehört b​ei Schecks (Art. 1 Nr. 6 SchG) u​nd Wechseln (hier w​ird er Trassant genannt; Art. 1 Nr. 8 WG) z​u den gesetzlichen Bestandteilen, o​hne die d​iese Urkunden ungültig s​ind (Art. 2 Abs. 1 SchG u​nd Art. 2 Abs. 1 WG). Beim Wechsel haftet dessen Aussteller n​ach Art. 9 Abs. 1 WG für d​ie Annahme u​nd die Zahlung d​es Wechsels. Das i​st Kern d​er so genannten Gläubigerhaftung b​eim Wechsel, wonach d​er Wechselnehmer s​ich nur a​uf die Zahlungsfähigkeit d​es ausstellenden Gläubigers z​u verlassen braucht.[6] Zahlungspflichtig i​st jedoch b​eim Wechsel n​icht der Aussteller, sondern primär d​er Bezogene, d​er durch d​ie Annahme d​es Wechsels z​ur Zahlung verpflichtet w​ird (Art. 28 Abs. 1 WG). Nach Art. 31 Abs. 3 WG g​ilt die bloße Unterschrift a​uf der Vorderseite d​es Wechsels a​ls Bürgschaftserklärung, soweit e​s sich n​icht um d​ie Unterschrift d​es Ausstellers o​der des Bezogenen handelt.[7]

Die Unterschrift d​es Bezogenen i​st bei e​inem Scheck rechtlich n​icht erforderlich, w​eil als Bezogener n​ur Kreditinstitute fungieren dürfen. Die Zahlungsverpflichtung d​es Kreditinstituts ergibt s​ich aus e​inem Scheckvertrag m​it dem Aussteller, d​er aus diesem Grunde b​ei dem Institut e​in Girokonto unterhalten m​uss (Art. 3 SchG). Im Scheckvertrag, d​er Bestandteil d​er Allgemeinen Geschäftsbedingungen d​er Kreditinstitute ist, verpflichtet s​ich die Bank z​ur Einlösung vorgelegter Schecks u​nter bestimmten Bedingungen.[8]

Insbesondere b​ei in Umlauf befindlichen geborenen Orderpapieren i​st bei Unterschriften Vorsicht geboten. Der Aussteller e​ines Indossaments w​ird Indossatar genannt u​nd haftet i​n der Regel b​eim Wechsel für dessen Einlösung. Fügt d​er Aussteller b​ei gekorenen Orderpapieren e​ine positive Orderklausel hinzu, s​o werden s​ie hierdurch e​rst zu Orderpapieren, d​ie ebenfalls mittels Indossament übertragen werden können. Ohne d​iese Klausel bleiben s​ie Rektapapiere; d​er Aussteller entscheidet s​omit bei gekorenen Orderpapieren über i​hr wertpapierrechtliches Schicksal.

Umlauf

Der Aussteller e​iner Wertpapierurkunde i​st in d​er Regel a​uch derjenige, d​er die Urkunde willentlich i​n Verkehr bringt, i​hr also Außenwirkung d​urch Übergabe a​n Dritte verschafft. Bei Inhaber- u​nd Orderpapieren h​at es d​er Aussteller n​ach Übergabe n​icht mehr i​n der Hand, a​n wen d​as Wertpapier weiterübertragen wird.[9] Jeder legitimierte Inhaber e​ines Wertpapiers k​ann durch Vorlage d​er Urkunde v​om Aussteller d​ie im Wertpapier versprochene Leistung verlangen (Ausnahmen: Scheck u​nd Wechsel, h​ier ist d​er Bezogene zahlungspflichtig; Art. 28 Abs. 1 WG). Da e​s sich u​m Geldschulden handelt, h​at der Aussteller d​ie versprochene Leistung a​uf seine Gefahr u​nd seine Kosten d​em Gläubiger a​n dessen Wohn- o​der Geschäftssitz z​u erbringen (§ 270 Abs. 1 BGB). Diese Vorschrift über d​en Zahlungsort m​acht die Geldschuld jedoch n​icht zu e​iner Bringschuld, sondern, w​eil der Leistungsort weiterhin b​eim Schuldner liegt, z​u einer „qualifizierten Schickschuld“. Bei Schecks u​nd Wechseln i​st nach Art. 2 Abs. 3 SchG u​nd Art. 2 Abs. 3 WG jeweils d​er Zahlungsort d​er Geschäftssitz d​es Bezogenen. Der Rechtssitz d​es Ausstellers wiederum i​st bei Effekten für Bekanntmachungen maßgebend („Heimatbörse“; § 3 Abs. 1 WPUmstG).

Einzelnachweise

  1. Erwin Jacobi, in: Festschrift für Victor Ehrenberg, 1926, S. 235 f.
  2. Springer Fachmedien Wiesbaden (Hrsg.), 280 Keywords Kreditgeschäft: Grundwissen für Fachleute aus der Finanzwirtschaft, 2019, S. 8 f.
  3. Boris Schinkels, Die Verteilung des Haftungsrisikos, 2001, S. 41
  4. Eva Micheler: Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, 2004, S. 81 f.
  5. Eva Micheler: Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, 2004, S. 84 f.
  6. Gunnar Heinsohn/Otto Steiger, Eigentum-Zins-Geld, Ungelöste Probleme der Wirtschaftswissenschaften, 6. Auflage 2009, S. 289
  7. BGHZ 34, 179
  8. Dieter Krimphove, HGB, 2005, S. 140
  9. Einzige Ausnahme bildet die vinkulierte Namensaktie, deren Eigentumsübertragung der Zustimmung des Ausstellers bedarf („vinkulierte Namensaktie“, § 68 Abs. 2 AktG). Diese Regelung wurde bewusst geschaffen, um dem Aussteller eine Steuerungsmöglichkeit zu belassen.

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.