Aurora (Windmühle)
Die Mühle Aurora, auch Borsteler Mühle genannt, ist eine Windmühle in Borstel, einem Ortsteil von Jork im Alten Land. Sie ist ein Galerieholländer, der 1856 von dem Müller Adolf Friedrich Peters erbaut wurde.
Namensgebung
Die Mühle „Aurora“ in Jork wurde zu Ehren von Aurora, Gräfin von Königsmarck (* 28. April 1662 in Stade; † 16. Februar 1728 in Quedlinburg) benannt. Marie Aurora war die Tochter des Grafen Conrad Christopher von Königsmarck und seiner Frau Maria Christina von Wrangel (1637–1691); deren Halb-Bruder der schwedische Reichsmarschall Carl Gustav Wrangel, Graf von Salmis war. Sie war die Enkelin des ersten schwedischen Generalgouverneurs in Stade. Sie war für Voltaire neben Katharina II. „die berühmteste Frau zweier Jahrhunderte“. Sie entstammte dem altmärkischen Adelsgeschlecht Königsmarck und war die Geliebte Augusts des Starken und danach Pröpstin des Stiftes Quedlinburg.
Der französische Dichter André Maurois hat Aurora in seinem Buch über George Sand ein literarisches Denkmal gesetzt (Deutsch unter dem Titel „Dunkle Sehnsucht – das Leben des George Sand“[1] – erschienen 1953 in München).
Vorgeschichte des Grundstücks
Dieser Standort ist für Bockwindmühlen bis ins 17. Jahrhundert belegt. Als die erste Windmühle in Jork-Borstel errichtet wurde, gab es noch keine Gewerbefreiheit. Niemand, auch wenn er über entsprechende Geldmittel verfügte, durfte eine neue Mühle ohne ein Privileg oder Bewilligung des Landesherren bauen und betreiben. Das Privileg verlieh der Bremer Erzbischof (Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf) dem Gräfen Dietrich Schulte, der eine Bockwindmühle errichtete. Die erste Mühle auf dem Deich hat nicht lange Bestand gehabt. 1633 heißt es, dass der Gräfe Nicolas Dehmel die nunmehr gänzlich verfallenen Mühle zu seinem Nutzen wieder aufbaute. Die Mühle bleibt bis 1672 im Besitz der Familie Dehmel.
1671 kam es zu einem Unfall, als ein junger Mann (15/16 Jahre), beim Durchlauf seines Mehls dem Kammrade mit seiner Hand zu nahegekommen ist, welches ihn an sich zog und zerdrückte. Zu dieser Zeit verfielen Sachen, zum Beispiel Mühlen, die einen tödlichen Unfall verursacht hatten, dem Staat. Im Mai 1672 teilte der schwedische König mit, dass man die Mühle für 100 Reichstaler auslösen könnte. Der neue Erwerber war Otto Wilhelm von Königsmarck, Sohn des 1663 in Stade beigesetzten Generalgouverneurs für die Herzogtümer Bremen/Verden.
Otto Wilhelm von Königsmarck starb 1688. Von den Nachkommen seines Bruders lebten damals noch Maria Aurora (26), Amalia Wilhelmine (25) und Philipp Christoph (23). Sie müssen die Mühle geerbt haben, denn später wurden die beiden Gräfinnen Aurora und Amalia als Verpächter aufgeführt.
Wie sich die Besitzverhältnisse seit dem Jahre 1725 entwickelt haben, ist nicht ganz klar. Es scheint aber so zu sein, dass Amalie Wilhelmine nach Auroras Tod die Mühle noch bis zu ihrem Tod 1740 besessen hat – Sie starb in Stade. Im gleichen Jahr erwarb George II. von Hannover für 45.000 Taler die Agathenburger Besitzungen der Königsmarck und damit auch die Borsteler Mühle. Doch die hannoversche Regierung wollte die kostspielige Mühle loswerden, die regelmäßigen Einnahmen aber behalten. Der eingesetzte Amtmann Mensing bot deswegen das reparaturbedürftige Bauwerk als Erbzinsmühle gegen Höchstgebot aus. Hinrich Wölcken erhielt gegen nur 117 Taler jährlich den Zuschlag, musste allerdings erst einmal 2200 Taler in die Instandsetzung der Mühle investieren. Wölcken starb 1744 und seine Witwe ließ die Mühle 5 Jahre durch Franz Dietrich Cordes betreiben, bis ihr Sohn, Heinrich Wölcken den offenbar hoch belasteten Betrieb übernahm. Wegen Überschuldung gab er den Betrieb der Mühle auf.
Danach übernahmen Hinrich Gerkens und sein Sohn Albert Wilhelm die Mühle. In die Zeit des Sohnes fällt die Sturmflut von 1825, die eine Jahrhundertflut war und in ihrer Höhe erst von der Flut 1962 übertroffen wurde. Nach 1825 wurde der Deich um „Vier Fuß“ erhöht. Dies blieb nicht ohne Folgen für die, nun nicht mehr auf dem Deich, sondern mehr oder weniger im Deich stehende Bockmühle. Das für die Erhöhung der Mühle benötigte Kapital konnte Gerckens nicht aufbringen. Es kam 1831 zum Zwangsverkauf an den Buxtehuder Kaufmann Fischer, der die Mühle seinem Schwager Johannes Hinrich Peters überließ. Dieser brachte den Betrieb wieder hoch, obwohl im Zeichen nun herrschenden Gewerbefreiheit allerorten Mühlen entstanden. Sein Sohn und Nachfolger Adolf Friedrich Peters ließ die Bockmühle abbrechen und erbaute 1856 die heutige Holländermühle.
Geschichte der Mühle „Aurora“ in Jork Borstel
Der Erbauer der Mühle, Adolf Friedrich Peters starb 1861, erst 28 Jahre alt. Seine Witwe heiratete den Kornschiffer Gerd Pickenpack, der die Mühle weiter betrieb. 1881 erneuerte er das nebenan stehende Wohnhaus und richtete eine Bäckerei ein. 1922 übernehmen Harms und Wahlen die Windmühle von Pickenpack, der das Mühlenhaus jedoch behält. Spätestens 1932 ist Franz Wahlen Alleininhaber des Mühlenbetriebes. 1943 wird das Flügelkreuz bei einem Bombenangriff schwer beschädigt. Fortan kann nur noch mit Motor gemahlen werden.
Der heute vorhandene Wohnhausanbau wurde 1953 errichtet. Neben dem Ehepaar Wahlen wohnte darin auch der Schwiegersohn und letzte Müller Walter Legenstein mit seiner Familie. Die damaligen Umstrukturierungen in der Wirtschaft machten die Betriebsbedingungen immer schwieriger und 1961 kam das „Aus“ für die Borsteler Mühle. Auf dem Steinboden mit den Mahlwerken, wo 100 Jahre lang Geschäftigkeit herrschte, wurde es ruhig. Turmfalken nisteten im Gebälk der Kappe. Die Müller Wahlen und später der Schwiegersohn Legensteiun waren nicht in der Lage, das Bauwerk wieder instand zu setzen.
Ende der 70er Jahre veränderte sich in der Umgebung der Mühle viel. Die Deichlinie wurde bis auf die Insel Hahnöfersand vorverlegt, die Kreisstraße Grünendeich-Cranz als Hauptverkehrsstraße neu trassiert.
Der Mühlenstumpf auf dem Rest des alten Deiches bekam plötzlich eine neue Bedeutung für das weitere Umfeld. Für die Niederelberegion ist die Kreisstraße die Verbindung nach Hamburg; umgekehrt benutzen die Hamburger die Straße gern für Fahrten in das Elbe-Weser-Dreieck. Sie alle sehen die mächtige Ruine, die vor sich hin dämmerte. Der 13 m hohe Unterbau aus meterdicken Backsteinwänden trotzte einigermaßen dem Verfall, das Blechkleid des 11 m hohen Achtkants mit seiner drehbaren Haube verrostete jedoch in rasendem Tempo.
Der Landkreis Stade führte zur damaligen Zeit Kaufverhandlungen mit dem Besitzer, doch es kam zu keinem Abschluss, weil über den Preis keine Einigkeit erzielt werden konnte. Im Herbst 1981 erklärte der Müller Walter Legenstein dem Landkreis, dass das Mühlengrundstück an einen Privatmann verkauft werden solle, der die Mühle zu Wohnzwecken nutzen würde.
Das war für den Landkreis eine deprimierende Nachricht, denn der eindrucksvolle Mühlenturm markiert genau die Einfahrt in das Herz des Alten Landes. Mit Wehrt'schem Hof, Gräfenhof und Haus Portau wäre eine restaurierte Windmühle die Krönung dieses Bildes – dies schien nun nicht mehr möglich. Zu der Zeit gab es im Landkreis weder eine Haushaltsstelle, noch sonstige Geldmittel, um die Mühle ankaufen zu können. Es musste dennoch schnell gehandelt werden und nach Rücksprache mit dem damaligen Oberkreisdirektor Dieter Diekmann doch noch eine Einigung mit dem Mühlenbesitzer getroffen. Die Gremien des Landkreises wurden umgehend informiert, bestätigten die Entscheidung und fassten die erforderlichen Beschlüsse. Alle Beteiligten empfanden es als besondere Belohnung, dass auch der Aufbaufonds Hamburg-Niedersachsen die Landkreisinitiative anerkannte und eine bedeutende Summe als Zuschuss bewilligte. Der Restaurierung des Galerieholländers „Borsteler Mühle“ stand nun nichts mehr im Wege.
Baudaten
Die Holländerwindmühle hat über einem 10 m hohen, vierstöckigen Backsteinunterbau eine umlaufende Galerie angeordnet. Von dort aus erhebt sich die eigentliche Mühle um weitere 14 Meter über dem achteckigen Grundriss. Die Mühle hat segelbespannte Flügel (Segelgatterflügel) und neun Ebenen bei einer Gesamthöhe von 24 Meter. 1907 ließ Gerd Pickenpack den Mühlensteert abnehmen und eine Windrose mit Stellgetriebe anbauen, die vermutlich nie richtig funktioniert hat, da die Mühle damals schon abgesackt ist und leicht schräg stand. Im Jahre 1911 wurde auf Motorbetrieb umgestellt, um auch windarme Zeiten ausnutzen zu können, für den ein Anbau errichtet wurde.
Restaurierung
Erst mehr als 20 Jahre danach, nämlich 1984, erfolgte eine umfassende Restaurierung durch den Landkreis Stade. Nachdem der Landkreis Stade den alten Galerieholländer nebst Grundstück gekauft hatte, wurde der Auftrag zur Herrichtung der historischen Mühle erteilt. Gleichzeitig sollte die drehbare Haube mit angebautem Steert sowie mit Schoren und Spretbalken rekonstruiert werden. Die Schäden an dem wertvollen Bauwerk hatten bereits bedenkliche Ausmaße angenommen.
Im und am Mühlenturm mit seinem massiven Unterbau und der blechverkleideten Holzkonstruktion des Achtkants mit seinen neun Ebenen waren umfangreiche Ergänzungen und Instandsetzungen durchzuführen wie u. a. die Herrichtung des schadhaften Mauerwerks, Anbau einer neuen Galerie, Schindelverkleidung des Achtkant mit Zedernholz und Kupferabdeckung der Haube. Darüber hinaus mussten für die betriebsfähige Herrichtung des historischen ‚Eingeweides‘ Arbeiten wie der Einbau einer neuen Haupt- und Königswelle mit Kamm- und Stirnrad, Herrichtung des Mahlgangs, Anbau von Steert, Flügelkreuz, Rollenkranz und viele Einzelheiten mehr durchgeführt werden. Technische, handwerkliche, sowie kunsthandwerkliche Geschicke waren hier erforderlich. Auch die Sanierung und Imprägnierung der gesamten Bauhölzer gegen den Schädlingsbefall waren von großer Bedeutung und forderten von allen Beteiligten großes Können und Verantwortung. Um einen fehlerfreien Betrieb sicherzustellen, musste man die im Laufe der Jahrzehnte eingetretene Neigung des Mühlenturms um etwa 30 cm in Richtung Nord (alter Deich) im Getriebe und der Mechanik ausgleichen.
Die Mühlentechnik in der Mühle ist noch vorhanden, funktioniert aber nicht mehr. Heute ist auf drei Ebenen ein Restaurant untergebracht.[2]
Die Mühle Jork von 1984 bis Heute
- Windmühle Aurora im Februar 2011
- Innenansicht der Galerie in der Windmühle
- Der Mühlenraum 2011