Aufschub – Dokumentarische Szenen aus einem Judendurchgangslager
Aufschub – Dokumentarische Szenen aus einem Judendurchgangslager ist ein Essayfilm über die Judenverfolgungen / Shoa, der unter der Regie von Harun Farocki 2007 entstand.[1] Der Film basiert jedoch auf dem Material des KZ-Häftlings Rudolf Breslauer, der 1944 für die SS Aufnahmen über das Leben der Gefangenen in dem deutschen Durchgangslager Westerbork machen musste. Breslauer drehte 1944 im Auftrag des Lagerkommandanten Gemmeker über mehrere Monate an einem Film über das KZ-Sammellager – wahrscheinlich zur Information für offizielle Besucher des einen der beiden von den Besatzern in den Niederlanden eingerichteten zentralen KZ-Sammellager. Die 90 Minuten des wieder aufgefundenen Filmmaterials blieben damals ungeschnittenes Fragment.
Ihnen fehlt nach Ansicht vieler Kritiker im Unterschied zu den in der gleichen Phase des Zweiten Weltkriegs und der Shoa entstandenen Filmszenen aus dem „Ghetto“ Theresienstadt die direkte propagandistische Intention. Die tonlosen Bilder sind außergewöhnlich, so liegt hier u. a. wahrscheinlich die einzige Filmaufnahme vom Start eines Deportationszugs ins KZ Auschwitz-Birkenau vor.
Einer der erhaltenen Zwischentitel, der für den Film vorgesehen war, lautete: Seit zwei Jahren immer wieder das gleiche Bild: TRANSPORT. Der Kameramann Breslauer wurde samt seiner Familie im September 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Literatur
- Sven Kramer: Wiederholtes Lesen. H. F.'s Lektüre der Filmdokumente aus dem Lager Westerbork in „Aufschub“. In: Dsb. (Hrsg.): Transformationen der Gewalt im Film. Über Leni Riefenstahl, Jean Améry, David Cronenberg, Atom Egoyan, Chris Marker, Alexander Kluge, Farocki. Reihe Deep Focus, 20. Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2014, ISBN 9783865053237, S. 142–167.