Artilleriewerk Bödeli
Das Artilleriewerk Bödeli (Armeebezeichnung «Bödeliwerke» A 1860–64/A 1866, früher 301) der Schweizer Armee besteht aus fünf Felswerken rund um das Bödeli bei Interlaken zwischen dem Thunersee und Brienzersee im Berner Oberland. Es war Teil der Sperrstelle Interlaken (Armeebezeichnung Nr. 2135) und unterstand der Reduitbrigade 21.
Anstelle einer Umrüstung mit 10,5 cm-Kanonen, wie es bei einigen anderen Artilleriewerken stattfand, wurden die ab 1941 erstellten Werke in den 1970er Jahren ausgemustert.
Geschichte
Den Anstoss zum Bau des Werks gab die von General Guisan befohlene neue Armeestellung im Reduit (Operationsbefehle Nr. 11, 12, 13). Damit wurde der Thunersee Teil der Reduitgrenze. Die Verstärkung der Feuerkraft auf dem Bödeli erfolgte aufgrund des neuen Reduit-Flugplatzes Interlaken sowie des im April 1941 bezogenen Hauptquartiers des Generals in der Villa Cranz[1] in Interlaken, wo sich seit dem Herbst 1939 der Armeestab befand.[2]
Zu den Bödeliwerke gehören die fünf Artilleriewerke
- Goldswil (A 1860) ⊙
- Aenderberg (A 1861) ⊙
- Wilderswil (A 1862) ⊙
- Lütscheren (A 1863) ⊙
- Kammfluh (A 1864), Harder ob Interlaken ⊙
- Kommandoposten Kaufmannstollen (A 1866) in Matten bei Interlaken ⊙ , als gemeinsame Feuerleitstelle.
Die fünf Werke wurden von der Artilleriewerkbesatzung 301 (ab 1942, Kommandant Elmer), Festungsartilleriekompanie 78 (ab Februar 1948, Kommandant Fritz Krähenbühl) Festungskompanie III/14 betrieben. Im Kalten Krieg wurde die Anlage durch die Festungsabteilung 14 (erhielt später die Nummer 24) und zuletzt durch Einheiten der Festungsartillerieabteilung 15 betrieben.
Bewaffnung und Infrastruktur der Festungen
Die Werke befinden sich knapp über den Bäumen in den Felswänden rund um das Bödeli. Der Zugang erfolgte über steile Waldwege oder senkrechte Leitern direkt an der Felswand. Die Werke waren mit je zwei 7,5 cm Feldkanonen 03/22 und sollten ursprünglich zusätzlich mit 34 mm Flab-Kanonen ausgerüstet werden. Mit den Geschützen konnte nach Panoramafotos geschossen werden.
Die fünf Anlagen waren klein und eng und hatten keine Munitionsmagazine. Neben den zwei Kampfständen existierte nur ein einziger Raum, der als Unterkunft, Küche und Feuerleitstelle dienen musste.
Der Zweck der ursprünglich geplanten Fliegerabwehrstände (Flabstände), feindliche Flugzeuge in der Luft abzufangen, wurde auf den Beschuss gelandeter Truppen und Flugzeuge im Bödeli mit Artilleriefeuer beschränkt.
Artilleriewerk Kammfluh
Das Artilleriewerk (AW) befindet sich an der Kammfluh im Harder. Der Zugang erfolgte aussen an der Felswand über steile Metallleitern.
Das Werk war mit zwei 7,5 cm Feldkanonen 03/22 ausgerüstet. Das Geschütz 1 hatte die Lafette Nr. 41 (Typ 3) und das Rohr 140, Geschütz 2 die Lafette Nr. 42 und Rohr Nr. 141. Mit diesen Geschützen konnte nach Panoramatafeln geschossen werden. Die Kriegsmunition war bei den Geschützständen deponiert, da es keine Munitionsmagazine gab. Neben dem Kampfstand gab es noch einen Raum, der als Unterkunft, Küche und Feuerleitstelle diente. Auf zusätzliche Kavernen für Fliegerabwehrstände wurde verzichtet, da der Auftrag geändert wurde und nicht mehr fliegende, sondern gelandete Flugzeuge und Truppen mit Artilleriefeuer bekämpft werden mussten. Das Feuer wurde zentral vom Kommandoposten Kaufmannstollen in Matten geleitet.
Nachdem sich das Projekt Winterquartier für Fledermäuse als zu aufwändig zerschlagen hatte, verhinderte der neu gegründete Verein IG Bödeli-Werke die endgültige Eliminierung des AW Kammfluh und begann das leere Werk unter anderem mit einer 7,5 cm Kanone wieder einzurichten.
Armeehauptquartier
Der Sitz des Oberbefehlshabers der Schweizer Armee befand sich von 1941 bis 1944 in der Villa Cranz ⊙ , der heutigen Gemeindeverwaltung, in Interlaken.[3] In der nahegelegenen Wagnerenschlucht wurde für den General ein Schutzraum, der Stollen Möösli, gebaut.⊙[4] Das Territorialbataillon 195 (Ter Bat 195) stellte von 1939 bis 1945 als «Generalsbataillon» die Bewachung und die Ordonnanzen für das Armeehauptquartier (AHQ) sowie das Hauptquartier (HQ) des Generals sicher.[5]
Auf dem Bödeli befanden sich weitere Kommandoposten wie der ehemalige Kommandoposten des Übermittlungsregimentes 1, KP Goldey, Unterseen ⊙[6] und der Kommandoposten des Infanterieregiments 80 (Atomschutzunterstand F 16222 ASU Ried, erbaut in den 1980er Jahren) in Wilderswil ⊙[7] sowie der Reduitflugplatz Interlaken.
Museen und Führungen
Die Interessengemeinschaft Bödeli-Werke wurde 2012 mit dem Ziel gegründet wichtige militärische Anlagen auf dem Bödeli als historische Zeitzeugen für die Nachwelt zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bisher (2015) konnte sie das Artilleriewerk Kammfluh, den Kommandoposten Goldey in Unterseen und den Kommandoposten in Wilderswil erwerben.
Besichtigungen mit Führung der Anlagen Kammfluh und Goldey sind gemäss Website der IG nach Voranmeldung möglich.[8] Damit die Bedeutung des Festungswachtkorps nicht in Vergessenheit gerät, hat der Verein IG Bödeli-Werke im ehemaligen Kommandoposten Goldey in Unterseen 2017 ein kleines Museum eingerichtet.[9]
Literatur
- Hans Rudolf Schneider: Réduit-Flugplatz Interlaken. In: 70 Jahre Reduit-Flugplatz St. Stephan. Frutigen 2013.[10]
Weblinks
- Offizielle Website der IG Bödeli-Werke
- IG Bödeli-Werke: A1864 Art Wk Kammfluh
- Festung Oberland: Sperrstelle Nr. 2135 Interlaken
- Festung Oberland: Bödeliwerke A 1860–64, A 1866
- Jungfrauzeitung vom 11. Januar 2007: Umnutzung des Flabstands Kammfluh Unterseen
- Jungfrauzeitung vom 27. Juli 2012: Keine Fledermäuse, dafür vielleicht Kanonen
- Schweizer Radio und Fernsehen: Hauptquartiere General Guisans
- Bernerzeitung vom 1. Februar 2014: Geheimnisse aus dem Kalten Krieg. Goldey-Stollen und KP Ried
Einzelnachweise
- 1978 stimmten die Stimmbürger von Interlaken dem Kauf der «Villa Cranz» samt Park als neue Gemeindeverwaltung zu
- Bernerzeitung vom 2. September 2009: Guisan bezieht Reduit im Oberland
- Festung Oberland vom 6. Februar 2016: Vor 75 Jahren - General Guisan zügelt nach Interlaken (Memento vom 10. März 2016 im Internet Archive)
- Tages-Anzeiger vom 19. Dezember 2014: Guisans Bunker verkauft
- Ter.Bat.195. Das «Generalsbataillon». Erinnerungsbuch von 1947. Ergänzte Neuauflage Herbst 2016, HS-Publikationen
- Jungfrauzeitung vom 1. März 2013: Ein geschichtsträchtiger Ort
- Festung Oberland: KP Ried soll 2015 gekauft werden (Memento vom 22. Mai 2015 im Internet Archive)
- IG Bödeli-Werke: Besichtigungen
- Festung Oberland: Erinnerung ans Festungswachtkorps (Memento vom 24. März 2018 im Internet Archive)
- HS-Publikationen: Verlag für Publikationen über Schweizer Befestigungen, Bunker und Festungen, Frutigen