Araberfeindlichkeit
Der Ausdruck Araberfeindlichkeit (auch Antiarabismus oder Arabophobie) bezeichnet eine von Vorurteilen oder Feindseligkeit geprägte Haltung gegenüber Arabern. Antiarabismus wird häufig mit Feindseligkeit Muslimen gegenüber verwechselt.
Typen des Antiarabismus
Christlich geprägter Antiarabismus in Europa, Amerika und Australien
Ein markantes Datum des Antiarabaismus in der westlichen Welt bildet die Synode von Clermont 1095, als Papst Urban II. zum Kreuzzug gegen die Sarazenen mobilisierte, in dem er neben den Türken namentlich die Araber angriff.[1] In Spanien wurde im 15. Jahrhundert das Königreich Granada als letzter muslimischer Staat in al-Andalus zur Zielscheibe und schließlich 1492 erobert, nachdem es schon seit 1238 Kastilien gegenüber tributpflichtig gewesen war. Die Morisken, zum Christentum konvertierte Mauren (arabischsprachige Berber), wurden aufgrund des Dekrets von 1610 durch die spanische Inquisition von Spanien nach Nordafrika vertrieben. Das damals geprägte spanische Wort Moros ‚dunkelhäutig‘ (siehe „Mauren“) brachte die tiefe Abwertung der Araber zum Ausdruck.[2] 1830–1962 war Algerien von Frankreich besetzt bzw. war Teil des französischen Staatsgebietes. Während dieser Zeit wurden die nicht-weißen Franzosen (darunter auch Afroamerikaner) durch den rassistischen Code de l’indigénat diskriminiert. Die Diskriminierung betraf Araber, Berber und andere Kolonialvölker in Afrika gleichermaßen. 1961 kam es zum Massaker von Paris, das die Erschießung von etwa 200 friedlichen algerischen Demonstranten durch die französische Polizei bezeichnet. Die blutig verlaufene Massendemonstration wurde in den französischen Medien seinerzeit nahezu flächendeckend totgeschwiegen und erst mit großem zeitlichen Abstand zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion in Frankreich.
Über erfahrenen Antiarabismus klagen Araber heute außer in Frankreich in Australien (z. B. während der Cronulla Riots), Großbritannien, USA und Tschechien.
Organisationen, die sich für diskriminierte Araber einsetzen, gibt es in Großbritannien und den Vereinigten Staaten.
Antiarabismus außerhalb Europas, Amerikas und Australiens
Über Rassismus klagen Araber vor allem in Israel, daneben aber auch in Côte d'Ivoire und Niger.
Israel
Unter religiösen Israelis ist die Araberfeindlichkeit sehr hoch. 70 % der religiösen Lehramtsstudenten stimmten in einer 1994 erhobenen Befragung gegen eine Gleichberechtigung von Arabern und Juden.[3] Dies liegt zum Teil in der Überschneidung von religiösen und kolonialen Interessen der Siedler.
Im März 2012 zogen Hunderte Fans des Fußballclubs Beitar Jerusalem randalierend durch ein Einkaufszentrum.[4] Dabei riefen sie: „Tod den Arabern“, bespuckten arabische Frauen und attackierten arabische Ladenbesitzer. Der gesamte Vorfall wurde von Überwachungskameras aufgenommen – dennoch wurde kein einziger Randalierer festgenommen. „Es hat niemand Anzeige erstattet“, begründete die israelische Polizei ihre tatenlose Zurückhaltung.[5]
2015 stellt das deutsch-jüdische Online-Magazin Hagalil fest, man sehe in Israel
„[…] immer mehr araberfeindliche Schmierereien an den Hauswänden. Anti-zivilisatorische Begleiterscheinungen der Angst der Israelis sind araberfeindliche Parolen, Gerüchte Verleumdungen und an die Oberfläche geschwemmte Vorurteile. Im stillen gehegte Anschauungen über die Araber an sich werden nun offen dargelegt. Rassistische Abwertung von Arabern gilt an vielen Straßenecken, wo Israelis diskutieren inzwischen als Meinung. […] In Jerusalem gehen die rassistischen Kahanisten der rechtsextremen Lehava, mit antiislamistischen Beitar-Hooligans auf Arabersuche in Läden und Geschäften.“[6]
Nach seiner Wiederwahl im März 2015 entschuldigte sich[7] der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf Druck der USA[8] für araberfeindliche Aussagen während des Wahlkampfs.
Innermuslimischer Antiarabismus
Araberfeindliche Stereotype in den islamisierten Gebieten waren bereits im 7. Jahrhundert nach Christus bekannt. Der Nationalstaatswerdungsprozess etwa ab dem 19. Jahrhundert in Staaten mit nichtarabischer Bevölkerungsmehrheit oder Arabisch als Minderheitensprache, wie die Türkei, Albanien oder der Iran, ging mit einer selektiven Geschichtsschreibung einher. Die parallel durchgeführte Modernisierung war als europäischer Import oftmals antiislamisch artikuliert. Das Arabische, die Sprache des Propheten, des Korans wie der Hadithe stellte stets einen wichtigen Aspekt innerhalb der islamischen Religion dar und wurde nunmehr als Ausdruck von Rückständigkeit abgelehnt. Die Selbstidentifikation mit der vorislamischen Zeit, so mit einem imaginierten Türkentum zwecks Herstellung eines einheitlichen Staatsvolkes in der Republik Türkei oder die Bezugnahme auf das Reich der Achämeniden – gerade wegen der fehlenden Kontinuität für nationalistische Projektionen dienstbar – als Legitimation der durch einen Putsch an die Macht gelangenden Pahlavi-Dynastie, führte in der offiziellen Staatsdoktrin ebenfalls zu einer Ablehnung von Islam und Arabern. Zahlreiche Intellektuelle übernahmen die antiislamische Argumentation der Kolonialmächte, welche zwischen Muslimen und Arabern nicht unterschieden und die Rückständigkeit mit dem Islam wie der Herkunftsregion der Religion erklärten, und griffen hierbei teilweise auf Vorurteile der Vergangenheit zurück. Andere Vorurteile wie die des arabischen Verräters in der Türkei rühren aus dem Ersten Weltkrieg her.[9]
Sansibar
In Sansibar beendete 1964 die Revolution von Sansibar die seit Jahrhunderten bestehende Herrschaft der arabischen Minderheit über die Insel. Im Zuge der „sozialistischen Revolution“ wurden die „Kapitalisten“ unter den Arabern enteignet, ein Teil der Araber (die genaue Zahl steht nicht fest) wurde aufgrund ihrer Ethnie von den Nachkommen der schwarzafrikanischen Sklaven getötet.[10][11]
Marokko
Die mit der Islamisierung einhergehende Arabisierung in Marokko transformierte das multi-ethnische Nordafrika nicht. Bedeutende islamische Dynastien wie die Almohaden und Meriniden waren Berber. Die aus Jemen stammenden Saadier und besonders die aus Westarabien kommenden Alawiden gelang nach den Zerfall des Reiches eine Einigung des Landes wie die Selbstbehauptung gegenüber der portugiesischen, später osmanischen Expansion. Sie unterstützten 1844 den Widerstand von Abd el-Kader gegen die französische Kolonialmacht in Algerien, doch unterließen sie nach der vernichtenden Niederlage in der Schlacht am Jsly aus dynastischen Gründen weitere Unterstützung. Im Rifkrieg 1921–1926 führte Abd el-Krim im spanisch besetzten Teil Marokkos den Widerstand an. Nachdem die Erhebung auch das französische Protektorat betraf, hielt sich der entmachtete Sultan Mulai Yusuf bedeckt, nicht zuletzt weil die proklamierte Rif-Republik die dynastische Herrschaft gefährdete.
Sultan Mohammed V. setzte nach seiner Rückkehr aus dem Exil auf eine Arabisierung des Landes. Diese war antikolonialistisch motiviert, betraf aber nunmehr die kaum oder nichtarabisch sprechende Bevölkerung. Unter Beibehaltung der französischen Institutionen sollte die Arabische Sprache als alleinige Amts- und Verkehrssprache durchgesetzt werden, womit eine Ausschluss der Berber vom neuen Staat einherging. Nach der französischen Kolonialpolitik, welche die Stammes- und Religionsidentität der Marokkaner durch eine ethnisierende Dichotomie Araber vs. Berber untergrub, um letztlich das Land vollständig zu unterwerfen und an europäische Siedler zu verteilen, trug die nationale Arabisierungspolitik weiterhin zur Vertiefung der kolonialen Spaltung bei. Das kolonialistische Zerrbild wurde vielfach übernommen. Zur Zeit der Arabisierungspolitik wurde beispielsweise die kolonialistische Unterscheidung zwischen zivilisierte Europäer und barbarische Araber wie Berber als partiell edle Wilde nunmehr in der Geschichtsdarstellung des Landes fortgeführt. Arabische Zivilisation wurde der berberischen Barbarei gegenübergestellt. Die Sakralität des in arabischer Schrift verfassten Korans wurde als Vorwand für die nationale Arabisierung genommen, um die ethnische und kulturelle Diversität Marokkos auszulöschen. Im Gegenzug bewirkte dies eine Re-Aktivierung der vorislamischen Geschichte unter nationalistischen Berbern wie die selektive Betrachtung berberischer Dynastien, obgleich unbestritten ist, dass an Glaubenseifer keine arabische Dynastie Marokkos je die berberischen Almohaden übertraf. Ergebnis der Arabisierungspolitik war die Konstruktion der nationalen Identitäten Araber und Berber, welche mit einer Marginalisierung der Letzteren einherging und eine Frontstellung schuf, die erst seit dem Regierungsantritt Mohammed VI. und der Rücknahme der strikten Arabisierungspolitik aufgeweicht wird.
Algerien
Die Arabisierung Algeriens im 11. Jahrhundert ging mit einer Vertreibung der Kabylen in die landwirtschaftlich weniger ertragreichen Gebiete, besonders in die Gebirgsregion einher. Die Verehrung der Ahnen, die besondere Stellung der Frau, Oralität und Subsistenzwirtschaft waren den kabylischen Gemeinschaften eigen. Im Mittelalter konnte die Berberdynastie der Ziyaniden mit einer geschickten Bündnispolitik sich den Einfluss Marokkos wie Tunesiens erwehren. Im 16. Jahrhundert prägte die Einwanderung der aus Spanien vertriebenen Morisken, die Eroberung algerischer Städte durch das spanische Imperium wie das Bündnis der Barbaresken mit den Osmanen die Geschichte Algeriens. Die Eroberung Algeriens 1830 stellte eine Zäsur dar, nicht zuletzt wegen der Zerschlagung der Stammeskulturen und eine in den nächsten Jahrzehnten verfolgte Kolonialpolitik, die Muslime in unwirtliche Gegenden im Sünden vertrieb und Franzosen wie später Spanier und Belgier ansiedelte, um die Produktion im Mutterland zu steigern. Frankreich stiftete ähnlich wie in Syrien mit der assyrischen Kirche, in Libanon mit der imaginären Herkunft aus Phönizien auch in Algerien einen Mythos, demnach die Berber ein geschlossenes Kollektiv bilden würden.
Nach der Entkolonisierung betrieb die FLN zwecks Nationenbildung eine strikte Arabisierungspolitik, welche im Gegenzug eine antiarabische, teils antiislamische Berberbewegungen provozierte.
Darstellung in der Kunst
Mehrere Spiel- und Dokumentarfilme behandeln das Thema Antiarabismus.
- Tage des Ruhms thematisiert die Lage arabischer Soldaten in der französischen Armee im Zweiten Weltkrieg.
- Ausnahmezustand nimmt quasi-prophetisch im Jahr 1998 die Reaktionen der USA auf die Anschläge vom 11. September 2001 vorweg.
- Der Dokumentarfilm Reel Bad Arabs, der auf dem Buch Reel Bad Arabs basiert, widmet sich der Darstellung von Arabern in Hollywood-Filmen.
- Der italienische Film Africa Addio zeigt unter anderem Massaker an arabischstämmigen Einwohnern durch sansibarische Nationalisten.
Einzelnachweise
- fordham.edu
- Agustín Echebarria-Echabe, Emilia Fernández Guede: A New Measure of Anti-Arab Prejudice: Reliability and Validity Evidence. In: Journal of Applied Social Psychology. 37, Nr. 5, Mai 2007, S. 1077–1091. doi:10.1111/j.1559-1816.2007.00200.x.
- Michael Wolffsohn und Douglas Bokovoy: Israel. Geschichte, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. (= Grundwissen Länderkunde). 6. Aufl., Opladen 2003, S. 192.
- Hundreds of Beitar Jerusalem fans beat up arab workers; no arrests. In: Haaretz. 23. März 2012
- Christoph Sydow: Übergriff in Jerusalem: Lynch-Angriff auf Araber schockiert Israel. spiegel.de. 20. August 2012
- Oliver Vrankovic: Die Angst im Nacken. hagalil.com. 8. November 2015
- Netanjahu entschuldigt sich bei Israels Arabern. Die Welt. 23. März 2015
- Endspiel um den Atomdeal mit Iran hat begonnen. In: Die Welt. 24. März 2015
- Mona Naggar: Die Türkei: Das „trojanische Pferd“ Europas? Die Türkei, die Länder des Nahen Ostens und die EU. In: Apostolos Katsikaris (Hrsg.): Türkei Europa. Essen 2006, S. 95.
- Frank R. Pfetsch (Hrsg.): Konflikte seit 1945, Schwarzafrika. S. 96–97.
- Peter Grubbe: Blut auf der Nelkeninsel – Wird aus Sansibar ein „afrikanisches Kuba“? In: Die Zeit, Nr. 4/1964