Anstaltsbahn Steinhof
Die Anstaltsbahn Steinhof, auch Materialbahn Steinhof, Versorgungsbahn Steinhof oder scherzhaft Nudel-Express[1] genannt, war eine elektrisch betriebene Feldbahn zum Transport von Speisen, Müll und Wäsche auf dem Gelände des heutigen Otto-Wagner-Spitals in der Stadt Wien.
Anstaltsbahn Steinhof | |
---|---|
Ein Zug der Anstaltsbahn Steinhof wird am zweigleisigen „Küchenbahnhof“ mit Speisen beladen | |
Spurweite: | 600 mm (Schmalspur) |
Stromsystem: | 550 V = |
Minimaler Radius: | 8 m |
Geschichte
Die Bahn wurde zur Versorgung der einzelnen Pavillons der Heilanstalten geplant und wie die gesamte Anstalt im Jahre 1907 in Betrieb genommen. Sie entstand aus einer beim Bau der Heilanstalt angelegten Feldbahn. Im Laufe ihres fast 60-jährigen Bestehens wurde die Bahn kaum erweitert oder verändert, lediglich einige ihrer Transportaufgaben verlor sie mit der Zeit.[2] 1965 wurde der Betrieb der Materialbahn eingestellt und die bis zuletzt verbliebene Ausfuhr der Speisen auf ein anderes System umgestellt. Strecken und Oberleitung wurden abgebaut.
Betrieb und Technik
Strecke und Ausstattung
Das mehrere Schleifen und Rundkurse umfassende Gleisnetz besaß gegen Ende der 1950er Jahre eine Streckenlänge von ungefähr 9,6 Kilometern und verband jeden Pavillon der Heilanstalten „Am Steinhof“ und „Baumgartner Höhe“ mit Küchen und Wäscherei.[1]
Mit der Bahn wurden im Gegensatz zur ähnlichen Anlage in Lainz nicht nur Speisen, sondern auch Wäsche, Baumaterialien und Müll befördert. Die Küche der Heilanstalt „Am Steinhof“ besaß einen eigenen „Küchenbahnhof“ mit zwei durchgängigen und überdachten Ladegleisen (sowie ein Umgehungsgleis). Die Küche der „Baumgartner Höhe“ dagegen nur eines und die gemeinsame Wäscherei sogar drei Gleise. Einzelne Zufahrten in der Art von kurzen Stichgleisen wie in Lainz gab es in Steinhof nicht, die Gleise führten vielmehr unmittelbar an den Pavillons vorbei und wurden dort be- und entladen.
Die Spurweite betrug 600 Millimeter, der minimale Gleisradius acht Meter und die größte Steigung auf einem kurzen Streckenstück 100 Promille. Der Oberbau bestand aus teilweise im Niveau der Gehwege verlegten, sieben Meter langen Vignolschienen mit einem Metergewicht von 10 Kilogramm, welche auf Stahlschwellen montiert waren. Als eine Besonderheit für Feldbahnen wurde diese Bahn über eine Oberleitung mit 550 V Gleichspannung aus dem Straßenbahnnetz der Stadt Wien betrieben. Seit 1955 kam eine Gleichrichteranlage von ELIN zum Einsatz.[1] Die Oberleitung entsprach derjenigen der Wiener Straßenbahn und wurde teilweise von den für Straßenbahnen typischen Masten mit geschwungenen Auslegern getragen, aber auch an Masten und Wandrosetten mittels Drähten abgespannt.
Fahrzeuge
Zur Betriebsaufnahme im Jahre 1907 lieferten die Österreichischen Siemens-Schuckert Werke (elektrische Ausrüstung) und die Maschinenfabrik Carl Goldeband (mechanischer Teil) 1906 drei kleine zweiachsige Feldbahnlokomotiven mit geschlossenem Führerhaus.[3] Die Maschinen waren mit je zwei Gleichstrommotoren mit einer Leistung von 10 PS (7 kW) bei 630/min ausgerüstet. Der Achsstand betrug 2000 mm und der Treibraddurchmesser 750 mm. Gesteuert wurde über einen herkömmlichen Fahrschalter ÖSSW Type RSP 104 mit sieben Fahr- und sechs Bremsstufen sowie einer Handbremse.[1][3]
1910 wurde eine vierte Lokomotive bei der Grazer Waggonfabrik und der AEG-Union beschafft, diese unterschied sich im Aussehen leicht von ihren älteren Schwestern. Während Achsstand und Treibraddurchmesser gleich blieben, hatte diese vierte Lok zwei je 15 PS (11 kW) starke Motoren. Im Jahr 1941 wurde schließlich noch eine fünfte Lokomotive bei der AEG-Union in Berlin angeschafft, diese wies jedoch ein gänzlich anderes Aussehen als die anderen Fahrzeuge auf und besaß zwei je 16 PS (12 PS) starke Motoren.[1]
Die Fahrzeuge trugen zur Stromabnahme (verkürzte) Lyrabügel auf dem Dach, Lok 4 erhielt 1957 versuchsweise einen Scherenstromabnehmer. Anfangs waren die ursprünglichen Loks hellgrün lackiert, später erhielten alle Fahrzeuge das typische Lackierungsschema der Wiener Straßenbahn in Weiß-Rot.[1]
Zum Transport dienten zweiachsige Plattformwagen mit einer Ladefläche von 900 × 1500 mm und einem Achsstand von 600 mm. Diese waren mit einer Handspindelbremse ausgerüstet, der jeweils letzte Wagen eines Zuges wurde gebremst.[1]
Verbleib
Zwei Lokomotiven sind in den Sammlungen des Technischen Museums Wien (Nr. 1, restauriert) und des Eisenbahnmuseums Schwechat (Nr. 4, zerlegt) erhalten. Zwei Speisen- und einen Wäschewaggon besitzt das Feld- und Industriebahnmuseum FIM im niederösterreichischen Freiland, vier Waggons – darunter ein geschlossener „Mehlspeiswagen“ – sind im Eisenbahnmuseum Schwechat erhalten.[4]
Weblinks
Literatur
- Herbert Loskott, Johann Kössner: Materialbahnen in Wiener Spitälern. In: Eisenbahn. ISSN 0013-2756, ZDB-ID 162227. 4. Jahrgang 1959, Heft 8, S. 123–128 (mit Gleisplan).
- Manfred Hohn: Eisenbahnen in Österreichs Krankenanstalten. Railway-Media-Group, Wien 2017. ISBN 978-3-902894-60-1
Einzelnachweise
- Herbert Loskott, Johann Kössner: Materialbahnen in Wiener Spitälern. In: Eisenbahn. Nr. 8/1959, 1959, ISSN 0013-2756, S. 123–128.
- Feld- und Industriebahnmuseum Freiland - Steinhoflok. Abgerufen am 10. Januar 2022.
- Technisches Museum Wien -Online Sammlung. Abgerufen am 10. Januar 2022.
- Tramways.at. Abgerufen am 10. Januar 2022.