Anatole Nsengiyumva
Anatole Nsengiyumva (* 4. September 1950 in Satinsyi) ist ein ruandischer Militär. Er wird vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda der Vorbereitung und Koordinierung des Völkermords in Ruanda angeklagt.
Anatole Nsengiyumva wurde am 4. September 1950 in Satinsyi (Präfektur Gisenyi, Nordwesten Ruandas) geboren. In der ruandischen Armee stieg er zum Oberstleutnant und schließlich zum Chef des Nachrichtendienstes im Oberkommando auf. Er war Mitglied einer am 4. Dezember 1991 von Präsident Habyarimana einberufenen Kommission, die Vorschläge für das Vorgehen im Krieg gegen die Ruandische Patriotische Front (RPF) entwickeln sollte. Die Treffen dieser Kommission gelten als entscheidende Vorbereitung des Völkermords in Ruanda. Nsengiyumva war Mitglied des als Akazu bezeichneten Machtzirkels um Agathe Habyarimana. Ebenso soll er Mitglied des Netzwerks Null gewesen sein, das Todesschwadrone kontrollierte.[1] In seiner Funktion als Nachrichtenchef schickte er Berichte an den Verteidigungsminister und an Präsident Habyarimana, in denen er gegen ein Friedensabkommen mit der RPF Stellung bezog. Im Juni 1992 beschuldigte er die Parteien PL und MDR des Aufbaus einer umstürzlerischen Gruppierung. Ebenso ließ er Listen von Personen, darunter hochrangigen Militärangehörigen, anfertigen, denen er Verbindungen zur RPF oder zu Oppositionsparteien unterstellte. Zu Beginn der Friedensverhandlungen warf er der RPF vor, in Wahrheit nicht an den Verhandlungen, sondern an der Eroberung Kigalis interessiert zu sein. Die Kontakte zur RPF untergrüben die Moral der Armee.
Im Juni 1993 warnte er vor einem bevorstehenden Angriff der RPF auf Gisenyi. Von ihm vorgelegte Listen enthielten Namen von Tutsi, denen er das Verstecken von Waffen vorwarf. An subversiven Aktionen sei auch der Minister Landoald Ndasingwa beteiligt. Im selben Monat wurde er zum Oberbefehlshaber der Präfekturen Gisenyi, Kibuye und eines Teils von Ruhengeri ernannt. Ihm unterstanden die ortsansässigen Milizen Interahamwe und Impuzamugabi, für die er Waffenlieferungen vom Verteidigungsminister forderte.[2]
Am 6. April erfuhr Nsengiyumva vom Tod des Präsidenten bei einem Flugzeugabsturz. Er führte mehrere Telefonate mit Militärs in Kigali, darunter Théoneste Bagosora. Laut Zeugenaussagen wirkte er in den darauf folgenden Wochen bei der Koordinierung des nach dem Tod Habyarimanas beginnenden Völkermords mit.[3] So wirkte er an der zur Organisation eines Feldzugs in die Berge von Biserero mit, bei dem Zehntausende Tutsi getötet wurden.
Nach dem Ende des Regimes und der Eroberung Ruandas durch die RPF wurde Nsengiyumva am 27. März 1996 verhaftet und im Januar des folgenden Jahres an den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda überstellt. Am 2. April 2002 begann sein Prozess. Die Anklage in diesem Militärprozess I lautete auf Vorbereitung des Völkermords zum Zweck der Machterhaltung, Überwachung des Aufbaus der Interahamwe und Impuzamugabi, Erstellung von Listen zu ermordender Personen und Anordnung der Tötungen in Gisenyi.
Literatur
Linda Melvern: Ruanda Der Völkermord und die Beteiligung der westlichen Welt, Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München 2004, S. 34 f., 42, 46, 49 ff., 61 f., 64 ff., 143, 151, 197 ff., 200 ff., 252, 267, 287, 293, 301. ISBN 3-7205-2486-8.
Weblinks
Anmerkungen und Einzelnachweise
- Linda Melvern: Ruanda Der Völkermord und die Beteiligung der westlichen Welt, S. 46.
- Linda Melvern: Ruanda Der Völkermord und die Beteiligung der westlichen Welt, S. 65.
- Linda Melvern: Ruanda Der Völkermord und die Beteiligung der westlichen Welt, S. 197–202.