Amplituhedron
Das Amplituhedron ist eine hochdimensionale geometrische Struktur, die in Bereichen der Quantenfeldtheorie über deren Geometrisierung zu einer stark vereinfachten Berechnung führt. Sie wird seit 2013 erforscht von einer Gruppe um Nima Arkani-Hamed.
Hintergrund
Mathematisch handelt es sich um eine Verallgemeinerung einer positiven Graßmann-Mannigfaltigkeit – diese stellt einen -dimensionalen Raumbereich in einem übergeordneten, -dimensionalen Raum dar. Wobei die Grundstruktur des Amplituhedrons nicht auf Dreiecken, sondern beliebigen Polygonen basieren kann. Der Begriff Amplituhedron bezeichnet, dass Wahrscheinlichkeits-Amplituden auch räumlich, nämlich Polyeder-förmig (engl. Polyhedron) repräsentiert werden können. Aufgrund seiner Facettenstruktur und möglichen Bedeutung wird es populärwissenschaftlich auch mit einem Juwel verglichen.[1]
Bei Teilchenkollisionen, wie sie z. B. in einem Teilchenbeschleuniger stattfinden, können zahlreiche Kombinationen neuer Teilchen entstehen. Deren Wahrscheinlichkeiten werden als Streuamplituden bezeichnet. Die Berechnung gestaltet sich mit zunehmender Partikelzahl jedoch als äußerst aufwendig. Bereits eine gewöhnliche Gluonenkollision ist nur über mehrere hundert Feynman-Diagramme oder tausende Rechenterme lösbar.[2] Eine überraschende Erkenntnis ist, dass die Wahrscheinlichkeiten eines Streuprozesses äquivalent zum vergleichsweise einfach bestimmbaren (-dimensionalen) Volumen eines bestimmten Amplituhedrons ist. Dimensionalität und Form der spezifischen Amplituhedra korrespondieren mit der Anzahl und den Eigenschaften der beteiligten Teilchen (etwa deren Helizität). Damit stellt das Amplituhedron als geometrischer Körper eine duale Formulierung zu quantenfeldtheoretischen Prozessen dar. Bislang gilt dies nur in einer idealisierten Theorie, der supersymmetrischen Yang-Mills-Theorie.[2]
Konsequenzen
Eine generalisierte Bestätigung der Amplituhedron-Theorie hätte tiefgreifende Konsequenzen für das Weltbild der Physik. Die als fundamental angesehenen Konzepte Lokalität und Unitarität wären demnach lediglich emergente Phänomene. Das heißt, auf tieferer Ebene wäre weder eine Raumzeit notwendig, noch müssten sich Wahrscheinlichkeiten zu 1 summieren. Dies könnte den Weg frei machen für die Entwicklung einer Quantengravitation. In der Theorie repräsentiert ein unendlichseitiges Amplituhedron in seinen Subräumen die Gesamtheit aller Amplituden aller physikalischen Prozesse.[2][3]
Literatur
- New Scientist, Nr. 3136: The geometry that could reveal the true nature of space-time. (Titelthema), 29. Juli 2017
- Nima Arkani-Hamed, Jacob Bourjaily, Freddy Cachazo, Alexander Goncharov, Alexander Postnikov, Jaroslav Trnka: Scattering Amplitudes and the Positive Grassmannian, 2012. arxiv:1212.5605 (158 S.)
- Nima Arkani-Hamed, Jaroslav Trnka: The Amplituhedron, 2013. arxiv:1312.2007 (36 S.)
- Sebastian Franco, Daniele Galloni, Alberto Mariotti, Jaroslav Trnka: Anatomy of the Amplituhedron. 2014. arxiv:1408.3410 (74 S.)
- Nima Arkani-Hamed, Hugh Thomas, Jaroslav Trnka: Unwinding the Amplituhedron in Binary, 2017. arxiv:1704.05069 (43 S.)
- Jacob Bourjaily, Hughes Thomas: What is an amplituhedron ?, Notices AMS, 2018, Nr. 2, pdf
- N. Arkani-Hamed, J. Bourjaily, F. Cachazo, A. B. Goncharov, A. Postnikov, J. Trnka: Grassmannian geometry of scattering amplitudes, Cambridge UP 2016
Weblinks
- Video: The Amplituhedron – Vortrag von Nima Arkani-Hamed auf der SUSY 2013 Conference (111 MB, 59 min, englisch)
- Artikel zum Amplituhedron im Magazin Wired (englisch)
Einzelnachweise
- Scientists Discover a Jewel at the Heart of Quantum Physics im Magazin Wired
- Natalie Wolchover: A Jewel at the Heart of Quantum Physics. In: quantamagazine.org. 17. September 2013, abgerufen am 1. August 2017 (englisch).
- Ryan O'Hanlon: How to Feel About Space and Time Maybe Not Existing (Interview mit Jacob Bourjaily). In: Pacific Standard. 20. September 2013, abgerufen am 1. August 2017 (englisch).