Aloha-Airlines-Flug 243
Der Aloha-Airlines-Flug 243 einer Boeing 737-200 sollte am 28. April 1988 von Hilo (Big Island) nach Honolulu (Oʻahu) in Hawaii führen. Nach dem Steigflug brach im vorderen Rumpfbereich ein Stück des oberen Rumpfes heraus. Es kam zu einer schlagartigen Dekompression, in deren Folge 65 Personen verletzt und eine Flugbegleiterin getötet wurden. Trotz der schweren Beschädigungen des Flugzeuges konnten die Piloten das Flugzeug sicher auf dem Flughafen Kahului auf Maui landen.
Ablauf
Das Flugzeug mit der Registrierungsnummer N73711 startete um 13:25 Uhr (HST). Es waren 89 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder an Bord. Während des Starts und des Steigfluges wurden keine besonderen Vorkommnisse bemerkt.
Als das Flugzeug gegen 13:48 Uhr seine normale Reisehöhe von 24.000 ft (ca. 7.300 m) erreichte, riss ein kleiner Teil der oberen Rumpfschale ein. In den folgenden Minuten vergrößerte sich dieser Riss so weit, dass er zu einer Ablösung der kompletten Kabinendecke im Bereich zwischen Cockpit und Flügelvorderkante führte.
Das Ablösen der kompletten Kabinendecke führte zu einer schlagartigen Dekompression. Flugbegleiterin Clarabelle Lansing befand sich nach Passagierberichten auf Höhe der Reihe 5 und wurde durch den Sog aus dem Flugzeug gerissen – ihre Leiche wurde nie gefunden. Flugbegleiterin Jane Sato-Tomita befand sich vorn in der Kabine – sie wurde durch herumfliegende Teile verletzt und zu Boden geworfen, wo sie von Passagieren bis zum Ende des Fluges festgehalten wurde. Flugbegleiterin Michelle Honda befand sich zwischen Reihe 15 und 16 – trotz ihrer Verletzungen war es ihr möglich, sich zwischen den Reihen zu bewegen, die Passagiere zu beruhigen und auf eine Notwasserung vorzubereiten.
Das Aufreißen der Decke führte zu weiteren technischen Problemen. Die Passagiere hatten keinen Notsauerstoff, da dieser bei diesem Flugzeugmuster durch den Unfall funktionsunfähig wurde. Auch die Funktechnik im Cockpit funktionierte nicht vollständig und eine der Fahrwerkanzeigen war ausgefallen. Die Notlandung fand um 13:58 Uhr auf dem Flughafen Kahului auf Landebahn 02 statt. Der Flughafen war zu jener Zeit auf eine Katastrophe dieser Art nicht vorbereitet – aufgrund der unzureichenden Anzahl von Krankenwagen wurde das anliegende Touristikunternehmen Akamai Tours angefunkt, mit möglichst vielen ihrer 15 Kleinbusse auszuhelfen, um Verletzte in das Krankenhaus zu transportieren. Unter den 89 Passagieren gab es 7 Schwerverletzte und 57 Leichtverletzte. Es blieb bei einem Todesfall.[1]
Nachspiel
Nach dem Vorfall wurde vom National Transportation Safety Board eine vollständige Untersuchung begonnen. Als Ursache wurde Materialermüdung in Zusammenspiel mit Korrosion (Salzwasserumgebung) festgestellt. Die Verklebung der Blechstöße war anscheinend unzureichend, somit konnte Wasser in die Spalte eindringen und die Korrosion beschleunigen (Spaltkorrosion). Der Volumenzuwachs der korrodierten Materialien belastete die Nietverbindungen zusätzlich. Eine Schlüsselrolle für den Unfall spielte das Alter des Flugzeuges, da es 19 Jahre alt war und zudem als Kurzstreckenflugzeug schon fast 90.000 Flüge mit insgesamt fast 35.500 Flugstunden absolviert hatte.[1] Da einige Aloha-Airline-Routen nur über eine kurze Strecke gehen, wurde nicht auf jedem dieser Flüge der maximale Differenzdruck von 7,5 psi (ca. 0,5 bar) erreicht. Somit war die Zahl der vollständigen Druckaufbau-Zyklen deutlich geringer als 90.000.
Als Konsequenz nahmen alle großen amerikanischen Fluggesellschaften ihre ältesten Flugzeuge aus dem Dienst und es wurden strengere Wartungskontrollen eingeführt. Zudem wurden die Forschungen zur Materialermüdung an Flugzeugen intensiviert.
Sowohl Kapitän Robert Schornstheimer (2005 in den Ruhestand gegangen) als auch seine Copilotin Madeline Tompkins blieben bei Aloha Airlines.
Der Vorfall wurde verfilmt und erschien 1990 in Deutschland als „Katastrophenflug 243“.
In der 1. Folge der 3. Staffel der kanadischen Dokumentarserie Mayday – Alarm im Cockpit wurde das Unglück als Hanging by a Thread in englischer Sprache und als Am seidenen Faden auf Deutsch verfilmt. In nachgestellten Szenen, Animationen sowie Interviews mit Hinterbliebenen und Ermittlern wurde über die Vorbereitungen, den Ablauf und die Hintergründe des Fluges berichtet.
Alternative Unfallerklärung
Matt Austin, ein Ingenieur mit dem Spezialgebiet der Druckkessel, entwickelte eine alternative Unfallerklärung, da er der Meinung war, dass Ermüdungsrisse alleine nicht dieses Schadensbild hätte hervorrufen können.[2] Im Falle einer Rissbildung dürfe sich bauartbedingt (durch Verstärkungen, die Risse stoppen bzw. umlenken) kein so großes Stück des Rumpfes ablösen, sondern sich nur ein etwa 25 cm × 25 cm großes Loch bilden, das die strukturelle Stabilität des Rumpfes nicht beeinträchtige und nur zu einem Druckabfall führe. Nach der Ansicht von Matt Austin ist auch genau dieses geschehen, allerdings sei die Flugbegleiterin Lansing durch den explosiven Druckabfall (hierbei entwich die Luft mit etwa 1000 km/h durch das 25 cm × 25 cm große Loch) in das Loch gezogen worden und „verstopfte“ es. Dadurch sei ein gewaltiger Druckstoß (auch Wasserhammer genannt) entstanden, der dann die Rumpfbeplankung großflächig abgerissen habe. Diese Hypothese wird einerseits von Blutspuren an der Rumpfaußenseite des Flugzeugs als auch von Aussagen Überlebender gestützt. Das NTSB nahm diese Hypothese zur Kenntnis, blieb allerdings bei seiner ursprünglichen Erklärung.
Gedenken
Die bei dem Unfall aus dem Flugzeug geschleuderte Flugbegleiterin C. B. Lansing wurde nie gefunden. Zu ihrem Gedenken wurde ein Garten am Flughafen Honolulu eingerichtet.[3]
Ähnliche Flugunfälle
Weblinks
- Offizieller Untersuchungsbericht des NTSB (engl.; PDF; 1,34 MB)
- Beschreibung der Materialfehler auf corrosions-doctors.org (englisch)
- Foto der Maschine (N73711) Etwa zwei Monate vor dem Unfall; nach dem Unfall
- Dokumentation Hanging by a thread (engl.), Discovery Channel: Teil 1 (Memento vom 1. Oktober 2011 im Internet Archive), Teil 2 (Memento vom 24. September 2011 im Internet Archive), Teil 3 (Memento vom 11. Oktober 2008 im Internet Archive), Teil 4 (Memento vom 29. März 2010 im Internet Archive), Teil 5 (Memento vom 29. April 2012 im Internet Archive)
- Spiegel.de
Einzelnachweise
- Offizieller Untersuchungsbericht des NTSB, Kapitel 1.6 Airplane Information. (PDF; 1,4 MB) Abgerufen am 24. Februar 2009.
- The Honolulu Advertiser: Engineer fears repeat of 1988 Aloha jet accident. 2001. Archiviert vom Original am 31. Januar 2008. Abgerufen am 7. Februar 2015.
- Webseite des Flughafens