Alice in Wonderland (Album)
Alice in Wonderland ist ein Album der deutschen Progressive-Rock-Band Neuschwanstein. Ursprünglich 1976 als Demotape geplant, wurde es 2008 vom französischen Label Musea als CD veröffentlicht.
Geschichte
Thomas Neuroth und Klaus Mayer, beide Schüler des ehemaligen Realgymnasiums in Völklingen, Saarland, lernten sich dort Anfang der 1970er Jahre kennen. Ihre musikalischen Vorbilder sind Rick Wakeman (seine Soloalben), King Crimson und Genesis aus der Peter-Gabriel-Ära. Wakemans Alben The Six Wives of Henry VIII und Journey to the Centre of the Earth beeindruckten sie besonders. Aufgrund ihrer klassischen Musikausbildung (Thomas Neuroth lernte Klavier, Klaus Mayer Querflöte) und ihrer Leidenschaft für symphonischen Progressive Rock beschlossen sie, eine Band ins Leben zu rufen, um ihre musikalischen Ideen zu verwirklichen. Das Ergebnis war die Gründung Neuschwansteins.
Nach mehreren personellen Wechseln entstand nach und nach eine festere Form der Band. Neben Neuroth und Mayer bestand die Band 1974 nun aus Udo Redlich (Gitarre), Hans Peter Schwarz (Schlagzeug) und Uli Limpert (Bassgitarre). Der starke Eindruck, den Rick Wakemans Journey to the Centre of the Earth, bei Neuroth und Mayer hinterließ, bewog sie, ebenfalls ein langes Stück Instrumentalmusik zu komponieren. Sie arbeiteten daraufhin an der musikalischen Adaption des berühmten Lewis-Carroll-Romans Alice im Wunderland und wählten dieses Märchen aufgrund seiner Atmosphäre und Fantasie, die sich für eine ausgefeilte und suggestive Musik eignete. Die Idee dazu sowie erste Versuche, das Stück umzusetzen, waren allerdings schon 1970 entstanden, es fehlte nur der letztentscheidende Impuls. Die Uraufführung dieses 40 Minuten dauernden Musikstücks fand 1974 im Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasium in Völklingen statt[1]. 1975 wurde Neuschwanstein damit Gewinner eines Bandwettbewerbs im Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken. Sie bezauberten das Publikum mit dem orchestralen und melodischen Reichtum ihrer Bearbeitung.
In dieser Besetzung feilte Neuschwanstein nicht nur an seiner Musik, sondern dachte sich auch eine aufwendige Bühnendekoration sowie komplexe visuelle Effekte mit Masken und Kostümen aus, ähnlich wie sie zu Peter Gabriels Zeiten bei Genesis zum Einsatz kamen. Sogar Dias wurden in den hinteren Teil der Bühne projiziert, wobei Limpert und später Weiler die Liedsequenzen rezitierten, unterbrochen von Illustrationen der Geschichte. Sogar eine Walddekoration wurde auf der Bühne aufgebaut, mit einem bedruckten Vorhang hinter den projizierten Illustrationen. Auf die Blätter der Bäume wurden phosphoreszierende Farben gemalt, so dass sie im Dunkeln leuchteten. Die Masken der Musiker entsprachen ihren Rollen in der Geschichte: Neuroth war z. B. der Zauberer, Weiler der Greif. Obwohl es ständig an Zeit und Geld mangelte, war die Aufführung von Neuschwanstein erstaunlich und für "Lokalmatadore" sehr professionell[2].
1975 stießen zwei neue Mitglieder zur Band, Rainer Zimmer, der Uli Limpert am Bass ersetzte, und Roger Weiler, der Udo Redlich an der Gitarre ablöste.
„Wir wollen eine Musik machen, die im Gegensatz zu den sonst üblichen Musikrichtungen, wie Rock, Jazz o. ä., steht. Natürlich lassen wir uns beeinflussen, jedoch nicht mehr oder weniger als jeder andere Musiker, der selbst sehr viel Musik hört. Bei Neuschwanstein wird kein Wert auf Improvisation gelegt. Wir sehen uns weniger als kreativ Ausübende, sondern […] vielmehr als kreativ Konstruierende. Improvisationen sind meist emotional bedingt und gewährleisten nicht immer ein Optimum. Wir wollen, ohne Genesis oder Wakeman zu kopieren, dem Publikum mehr als nur ein Lied präsentieren, sondern ein Vergnügen für Ohr und Auge.“
Die Reaktionen des Publikums auf die Bühnenshow und die Musik waren entsprechend: Es war das erste Mal, dass eine deutsche Rockband ein solch langes Stück Musik mit Kulissen, Kostümen, Maskerade und Spezialeffekten aufführte. Von kleinen Pannen blieb man allerdings auch nicht verschont. So hatte Weiler gleich bei seinem ersten Konzert mit der Gruppe das Pech, dass ihm die Greifenmaske mit dem großen und schweren Schnabel herunter fiel. Er hatte die Maske vor dem Auftritt zu hektisch aufgesetzt und nicht richtig fest gebunden.
Im April 1976 buchte Neuschwanstein ein kleines Tonstudio in der Nähe von Saarbrücken, um ihr Alice im Wunderland auf Band aufzunehmen. Diese Aufnahme war als Demoband für potentielle Veranstalter gedacht. Erst 32 Jahre später, im Jahr 2008, veröffentlichte das französische Label Musea das Demoband erstmals auf CD. Dieses Band lag in Form einer Musikkassette lange Zeit im Schrank des Gitarristen, Roger Weiler. Anfang der 2000er Jahre erzählte Weiler den Verantwortlichen von Musea von dieser Kassette und man war sofort daran interessiert. Die Tonqualität war zwar mehr als bescheiden, aber Musea war zuversichtlich, das Band auf einen akzeptablen technischen Stand bringen zu können. Das große Interesse von Musea beruhte auch auf der Tatsache, dass Neuschwansteins ″offizielles″ Album Battlement das meistverkaufte Album im Musea-Katalog war.[3]
Trotz der eigentlich überwiegend positiven Kritiken meint Thomas Neuroth dazu:
„Alice im Wunderland ist Herzblut und Begeisterung, Charme und Ambition. Ein Erstling, unfertig und fehlerhaft. Alice im Wunderland war für den Augenblick und für die Vergänglichkeit gedacht. Ich hätte nie daran gedacht, dass es jemals veröffentlicht werden würde.“
Kurz nach den Aufnahmen stieß Frédéric Joos (aus Frankreich) als neuer Sänger zur Band, dessen Stimme sehr an Peter Gabriel, aber auch an den Strawbs-Sänger Dave Cousins erinnerte. 1978 nahm die Band in den Studios der Scorpions in Köln ihr erstes Album Battlement auf, mit dem sie 1979 einen unerwarteten Erfolg hatte. Inmitten von New Wave und Punk überlebte es als eines der wenigen guten Alben deutscher Progressive-Rock-Bands.[4]
Kritik
Der Blogger Gribovar fasst so zusammen:
„The band succeeded, from the beginning, in creating a fluid and refined music, intense and suggestive, typical of the creative enthusiasm of the early Seventies. Usually structured around the keyboards parts, the music often underlines vivid and very refined piano pieces. With its strong melodies, its airy and dynamic flute soli, its dreamlike atmospheres, and the subtlety of the guitar effects, influenced by Steve Hackett's style, "Alice In Wonderland" easily takes its place among the best contemporary works of Camel or Focus.
Der Band gelang es von Anfang an, eine flüssige und raffinierte Musik zu schaffen, intensiv und suggestiv, typisch für den kreativen Enthusiasmus der frühen siebziger Jahre. In der Regel um die Keyboards herum strukturiert, unterstreicht die Musik oft lebhafte und sehr raffinierte Klavierstücke. Mit seinen starken Melodien, seinen luftigen und dynamischen Flötensoli, seinen träumerischen Atmosphären und der Subtilität der Gitarreneffekte, die vom Stil Steve Hacketts beeinflusst sind, nimmt "Alice In Wonderland" leicht seinen Platz unter den besten zeitgenössischen Werken von Camel oder Focus ein.“
Artur Chachlowski aus Polen schreibt dazu:
„„Alice in Wonderland” to 40 minut ciekawej muzyki, trochę wzorowanej na „Supper’s Ready”, trochę na „Sześciu żonach Henryka VIII”, ale jednoznacznie pokazującej jak ważną dla niemieckiego progresywnego rocka lat 70. był zespół Neuschwanstein. Grał muzykę o mocnych liniach melodycznych, opartą na żywej, radosnej interpretacji z delikatnymi partiami gitar, świetnymi osnowami malowanymi przez syntezatorowe dźwięki, z licznymi dynamicznymi solowymi partiami fletu. Z muzyki Neuschwanstein przebija żywa radość grania, ulotny klimat eteryczności i niezwykła wręcz płynność brzmienia utrzymana w duchu dokonań Genesis, Steve Hacketta, Focus czy Camel. 40 minut muzyki wypełniającej ten album ulatuje nie wiadomo kiedy, co zachęca do jak najczęstszego powracania do tego wydawnictwa.
"Alice in Wonderland" ist vierzig Minuten interessante Musik, ein wenig angelehnt an "Supper's Ready", ein wenig an "The Six Wives of Henry VIII", aber deutlich zeigend, wie wichtig die Band Neuschwanstein für den deutschen Progressive Rock der 1970er Jahre war. Sie spielten Musik mit starken melodischen Linien, basierend auf einer lebendigen, fröhlichen Interpretation mit zarten Gitarrenparts, großen Verwerfungen durch Synthesizerklänge, mit zahlreichen dynamischen Soloflötenparts. Neuschwansteins Musik ist durchdrungen von einer lebendigen Spielfreude, einer flüchtigen Atmosphäre der Ätherik und einer außergewöhnlichen Fluidität des Klangs im Geiste von Genesis, Steve Hackett, Focus oder Camel. Vierzig Minuten Musik, die dieses Album füllen, vergehen wie im Flug, ohne dass man es merkt.“
Der holländische Rezensent Erik Neuteboom bringt es folgendermaßen auf den Punkt:
„Listening to Alice in Wonderland […] I notice that at some moments Neuschwanstein sound like ‘an embryonal version of Battlment’ but in general it’s more in the vein of Seventies Camel and Focus and less obvious mid-Genesis inspired. And the music is also less elaborate, more laidback and remarkably is the omnipresent flute play (reminding me of Camel, Jethro Tull and Solaris), often accompanied by sparkling Grand piano work and coloured with very tasteful vintage keyboards (ranging from warm string-ensemble and powerful Hammond organ to fat synthesizer flights and swinging Fender Rhodes electric piano) along some sensitive electric guitar in the vein of Steve Hackett. […] If I judge this album on its own merits (so no comparisons with Battlement), I conclude that Neuschwanstein has made a beautiful, very warm sounding album in the genuine symphonic rock tradition with a classical undertone (flute and Grand piano) and very pleasant vintage keyboards, the fans of Seventies Camel, Focus and Genesis will be pleased.
Wenn ich mir Alice in Wonderland anhöre […] fällt mir auf, dass Neuschwanstein in manchen Momenten wie 'eine embryonale Version von Battlment' klingen, aber im Großen und Ganzen ist es mehr im Sinne von Camel und Focus aus den Siebzigern und weniger offensichtlich von Mid-Genesis inspiriert. Und die Musik ist auch weniger ausgefeilt, entspannter und bemerkenswert ist das allgegenwärtige Flötenspiel (das mich an Camel, Jethro Tull und Solaris erinnert), oft begleitet von funkelnder Grand-Piano-Arbeit und gefärbt mit sehr geschmackvollen Vintage-Keyboards (von warmem Streicher-Ensemble und kraftvoller Hammond-Orgel bis hin zu fetten Synthesizer-Flügen und swingendem Fender Rhodes E-Piano) zusammen mit einigen gefühlvollen E-Gitarren im Stil von Steve Hackett. […] Wenn ich dieses Album nach seinen eigenen Verdiensten beurteile (also keine Vergleiche mit Battlement), komme ich zu dem Schluss, dass Neuschwanstein ein schönes, sehr warm klingendes Album in der echten Symphonic-Rock-Tradition mit einem klassischen Unterton (Flöte und Grand Piano) und sehr angenehmen Vintage-Keyboards gemacht hat, das die Fans von Seventies Camel, Focus und Genesis erfreuen wird.“
Titelliste
- White rabbit – 1:17
- Gate To Wonderland – 2:13
- Pond Of Tears – 2:45
- Old Father's Song – 8:31
- Five-O'Clock Tea – 6:49
- Palace Of Wonderland – 12:05
- The Court Of The Animals – 5:01
- Alice's Return – 2:05
Besetzung
- Thomas Neuroth – Tasteninstrumente
- Klaus Mayer – Querflöte
- Roger Weiler – Gitarre
- Rainer Zimmer – Bass
- Hans Peter Schwarz – Schlagzeug
Weblinks
- Neuschwanstein bei Discogs
- Neuschwanstein bei MusicBrainz (englisch)
- Neuschwanstein bei AllMusic (englisch)
Einzelnachweise
- Peter Schmidt: Was macht eigentlich Neuschwanstein (de), Forum - Das Wochenmagazin. 25. Oktober 2013. Abgerufen am 11. Februar 2022.
- Kaikarmanheimo: Rintavarustukselta ihmemaahan. In: Äänijälkiä Kirjoituksia Musiikista. 2. Dezember 2018, abgerufen am 26. Januar 2022 (fin).
- Erik Neuteboom: (Neuschwanstein) - ″Alice in Wonderland″. In: Progressive Land. 26. Mai 2002, abgerufen am 26. Januar 2022.
- Horst Straske: Neuschwanstein Battlement. In: Babyblaue Seiten. 26. Mai 2002, abgerufen am 26. Januar 2022.
- Gribovar: Neuschwanstein - 2 Albums (1978-2008). In: AvaxHome. 9. Oktober 2020, abgerufen am 30. Januar 2022.
- Artur Chachlowski: Neuschwanstein - Alice In Wonderland. In: Mały Leksykon Wielkich Zespołów - A Small Lexicon of Great Bands. 8. Februar 2010, abgerufen am 30. Januar 2022.