Alfred Martin (Offizier)
Alfred Martin (* 1. August 1915 in Hamburg; † nach 1969) war ein deutscher Offizier, zuletzt Oberst i. G. der Bundeswehr und Informant in der Spiegel-Affäre.
Leben
Martin war Leiter des Führungsreferats im Führungsstab des Heeres und hat das gesamte Material zu dem inkriminierten Artikel Bedingt abwehrbereit des Spiegel-Redakteurs Conrad Ahlers zur Verfügung gestellt.[1] Der Artikel erschien in der Spiegel-Ausgabe 41/1962 vom 8. Oktober und endet mit den Worten:
„Mit Raketen an Stelle von Brigaden und mit Atomgranatwerfern an Stelle von Soldaten ist eine Vorwärtsverteidigung der Bundeswehr nicht möglich, eine wirksame Abschreckung bleibt fraglich.“[2]
Mit der atomaren Rüstungspolitik zulasten einer konventionellen Verteidigung durch den damaligen Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß waren neben Martin auch andere nicht einverstanden, darunter hochrangige Offiziere der Bundeswehr wie Generalstabsoffizier Adolf Wicht oder der General Adolf Heusinger, bis 1961 erster Generalinspekteur der Bundeswehr. Auch die ehemaligen Generäle Lothar Rendulic und Wolfgang Pickert, die Publizisten Adelbert Weinstein und Ferdinand Otto Miksche und der damalige Hamburger Innensenator und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt opponierten.[3][4] Als gebürtiger Hamburger und dem „bayerischen Kraftmenschen“ Strauß gegenüber generell skeptisch, sah sich Martin aus Gewissensgründen veranlasst, die Erkenntnisse aus dem NATO-Manöver Fallex 62 öffentlich zu machen.[1][5] Als Informant war er nach heutigem Verständnis ein Whistleblower.
Seinen Namen hatten die Behörden im Zuge der vom 26. Oktober 1962 bis 25. November 1962 währenden Durchsuchung des siebenstöckigen Spiegel-Verlagshauses in Hamburg und Beschlagnahme eines Exposés des genannten Artikels in Erfahrung gebracht.
Martin wurde Ende November 1962 unter dem Verdacht des sog. publizistischen Landesverrats verhaftet und in Untersuchungshaft genommen,[6] jedoch im Frühjahr 1963 wieder aus der Haft entlassen. Am 15. Oktober 1964 erhob Generalbundesanwalt Ludwig Martin gegen Martin, Rudolf Augstein und Conrad Ahlers Anklage wegen fortgesetzten gemeinschaftlichen Landesverrats. Mit Beschluss vom 13. Mai 1965[7] lehnte der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Augstein und Ahlers ab. Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Martin blieb vorbehalten.[8]
Gegen Martin wurde ferner am 15. Januar 1963 vom Bundesverteidigungsministerium ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das Verfahren wurde 1968 eingestellt und Martin zum 1. April 1969 „in Ehren und mit voller Pension“[9] in den Ruhestand versetzt.[6]
Im ARD-Fernsehfilm Die Spiegel-Affäre übernahm 2014 der Schauspieler Henning Baum die Rolle des Oberst Martin.[10]
Weblinks
- Die „Spiegel“-Affäre, in: Manfred Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999, S. 383–385 (Auszug). Abgerufen am 10. Mai 2014.
- zeit.de, Print-Archiv vom 21. Mai 1965: Sang- und klanglos, Ende der „Spiegel“-Affäre – Kein Prozeß gegen Augstein. Abgerufen am 25. April 2014.
- Rudolf Augstein: Der Mann mit Eigenschaften. In: Der Spiegel. Nr. 35, 1989, S. 28–40 (online – 28. August 1989).
Einzelnachweise
- Dieter Wild: Der Tag, an dem die Republik erwachte. In: süddeutsche.de. 22. September 2012, abgerufen am 26. April 2014.
- Bedingt abwehrbereit. In: Der Spiegel. Nr. 41, 1962, S. 53 (online – 10. Oktober 1962).
- Beatrice Heuser: The European Dream of Franz Josef Strauss, in: Journal for European Integration History/Revue d´Histoire de l´Intégration Européenne/Zeitschrift für Geschichte der europäischen Integration 1998, Vol. 4, Nr. 1, S. 75 ff., S. 83 ff. Ganzes Heft zum Download. Abgerufen am 12. Mai 2014.
- Bedingt abwehrbereit. In: Der Spiegel. Nr. 41, 1962 (online – 10. Oktober 1962).
- Franziska Augstein: Das Duell. In: Süddeutsche Zeitung. 26. April 2014, abgerufen am 12. Mai 2014.
- Datum: 6. Januar 1969 Betr.: Ende der Affäre. In: Der Spiegel. Nr. 1, 1969, S. 5 (online – 6. Januar 1969).
- Bundesgerichtshof Beschl. v. 13. Mai 1965, Az.: 6 StE 4/64, NJW 1965, 1187–1192 (Volltext mit amtl. LS)
- Dokumentation: Die Kosten trägt die Bundeskasse. Beschluß des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in der SPIEGEL-Affäre. In: Der Spiegel. Nr. 22, 1965, S. 83–86 (online – 26. Mai 1965).
- RÜCKSPIEGEL. In: Der Spiegel. Nr. 41, 1984, S. 290 (online – 8. Oktober 1984).
- das erste.de: Die Spiegel-Affäre, Fernsehfilm Deutschland 2014. Abgerufen am 26. April 2014.