Alemannendiskurs
Der Begriff Alemannendiskurs wird in der Volkskunde gelegentlich gebraucht, um die Versuche zu kennzeichnen, ein regionales Bewusstsein in den ehemals badischen Landesteilen von Baden-Württemberg zu schaffen oder zu verstärken.
Historische Ursprünge der Formulierung eines solchen Bewusstseins und der Abgrenzung gegenüber Württemberg finden sich hauptsächlich im Breisgau bei Johann Peter Hebel, der diesen Stammesdiskurs zusammen mit dem Breisgaudiskurs etablierte.
Der Alemannendiskurs leistete zweierlei: Er fungierte als ideologische Klammer des neu geschaffenen Großherzogtums Baden (in Abgrenzung zum „württembergischen“ Schwaben-Konzept), und er verschaffte der supranationalen Großregion Alemannien (Elsass, deutschsprachige Schweiz, Vorarlberg, Bayerisch Schwaben, Württemberg und Baden) ein gemeinsames historisch fundiertes Selbstverständnis. Die Faszination des neuen alemannischen Stammes-Diskurses resultierte aus der Verbindung von Altertumskunde, Geschichte, Literatur und Sprache.[1]
In der Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945 diente der Alemannendiskurs vor allem zur historischen Rechtfertigung deutscher Ansprüche auf das Elsass, teilweise das Burgund, mit der Planung zur Einverleibung nach Großdeutschland nach einem gewonnenen Krieg; die Deutschschweiz wurde im einschlägigen Schrifttum gerne mit vereinnahmt, auch wenn man einstweilen noch nicht[2] die politische Eroberung dieser Region durch das Reich proklamierte.
Siehe auch
- Alemannisches Institut Freiburg, insbes. Friedrich Metz. Das Institut war bis 1945 als Spionage-Organisation in den Nachrichtenverbund des Reichssicherheitshauptamtes der SS, RSHA, gegen die Schweiz und Vorarlberg eingebunden.
- Westforschung, der Anspruch der Nationalsozialisten auf dauernde Beherrschung aller Regionen westlich des Reichs, in denen aktuell oder angeblich in der Vergangenheit Dialekte der germanischen Sprachen gesprochen wurden bzw. möglicherweise gesprochen worden waren.
Literatur
- Klaus Graf: Regionale Identität im südbadischen Raum um 1800. In: Achim Aurnhammer (Hrsg.): Zwischen Josephinismus und Frühliberalismus. Literarisches Leben in Südbaden um 1800. Rombach, Freiburg 2002, ISBN 3-7930-9284-4, S. 35–47. (Online, PDF, 2.330 kB)
- Jürgen Klöckler: Abendland – Alpenland – Alemannien. Frankreich und die Neugliederungsdiskussion in Südwestdeutschland 1945–1947 (= Studien zur Zeitgeschichte. Bd. 55). Oldenbourg, München 1998, ISBN 3-486-56345-9 (Volltext digital verfügbar).
- Heinz-Werner Wollersheim (Hrsg.): Region und Identifikation. Leipzig 1998, ISBN 3-933240-02-6.
- Johann Peter Hebel: Die Kalendergeschichten. Sämtliche Erzählungen aus dem Rheinländischen Hausfreund. Hrsg. Hannelore Schlaffer, Harald Zils. Hanser, München 1999, ISBN 3-446-19752-4.
- Klaus Schreiner: Alemannisch-schwäbische Stammesgeschichte als Faktor regionaler Traditionsbildung. In: Pankraz Fried, Wolf-Dieter Sick (Hrsg.): Die historische Landschaft zwischen Lech und Vogesen. Augsburg 1988, ISBN 3-922518-17-6.
- Franz Kerber[3]: Alemannenland. Ein Buch von Volkstum und Sendung. Jahrbuch der Stadt Freiburg im Breisgau, 1.- 1937.[4]
Einzelnachweise
- Klaus Graf: Regionale Identität im südbadischen Raum um 1800. Kurzfassung Freiburger Dokumentenserver (FreiDok), Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 2002; publiziert am 12. Juni 2008.
- bzw. nur durch damalige Randgestalten, siehe Armin Mohler und allgemein die Schweizer Nationalsozialisten
- NS-Bürgermeister der Stadt Freiburg
- darin: Martin Heidegger, Wege zur Aussprache.